Für sie: Blütenhintern
Überall herrscht guter Geschmack, aber es ist kein echter, sondern nur ein nachempfundener, um es mit unserem Lieblingsgrantler Thomas Bernhard zu sagen. Der bezog sich in seinem Roman „Holzfällen“ allerdings eher auf Einrichtungsfragen. Wir würden so gerne hören, was er, wäre er noch am Leben, heute so alles an der Menschheit zu bemängeln hätte. Denn der nachempfundene gute Geschmack ist überall, auch die letzte Oase der Freiheit hat er längst erobert: den Strand. Früher baumelte es da nur so vor bunten Quasten, fragwürdigen Leoparden-Drucken und allerlei Kitsch, den man im Überschwang einem barfüßigen Armbandknüpfer abgekauft hatte. Jetzt: nur noch minimalistische Leinenkaftane und unifarbene Bikinis. Selbst bei den Billigheimern ist es mittlerweile schwierig, sich im Badeanzugston zu vergreifen, alles ist einfarbig und schlicht und ja, so langweilig, dass man sich nach Rüschen, bunten Prints und Ballermann-Ästhetik so sehnt wie die Wüste nach Wasser.
Aber es gibt Hoffnung: Die ersten Streifen zum Beispiel haben sich schon in die Internetshops eingeschlichen, und hier und da sprießen zarte Knospen modischen Muts. Zum Beispiel hier bei Arket: ein völlig unmodernes, weil gar nicht abstraktes Blumenmuster rankt auf einem Bikini-Set, auf cremefarbenem Hintergrund zwar nur und in sehr gedeckten Farben, aber immerhin! Es sollte kein Problem sein, einen solchen Badelook in die schon vorhandene Strandgarderobe zu integrieren, besteht sie doch vorrangig aus nachempfunden stilvollen Unifarben, oder? Sieht im Mix mit Streifen allerdings noch besser aus.
Für ihn: Rankenpopo
Ein einfaches Prinzip in der Herrenmode besagt, dass unwichtige Kleidungsstücke ruhig in übertriebener Gestaltung vorkommen dürfen. Es sind dann sozusagen die frivolen Ventile in einer Garderobe, die sonst lebenslänglich aus blauen und schwarzen Anzügen besteht und aus ebensolchen Pullovern und Hemden. Bei Pyjamas, Morgenmänteln, Unterwäsche, Strümpfen und Co. aber darf dieser pflichtgemäße Kanon lustvoll durchbrochen werden, ohne dass es an der Seriosität des Trägers kratzt. Vermutlich haben die Briten mit ihrem Hang zur pointierten Exzentrik diese Regel genauso verankert wie zuvor die dunklen Anzüge und strengen Bügelfalten. Die Badehose nun ist als Teil der unernsten Garderobe eines Mannes zu verstehen, auch wenn sie natürlich und gerade in Großbritannien die ernste Aufgabe der dezenten Verhüllung des Unaussprechlichen besorgt. Um diesen unfeinen Gedanken effektiv zu zerstreuen – und wegen der allgemeinen optischen Reizüberflutung im Freibad oder am Strand –, besteht kein Grund, Schwimmshorts besonders dezent und leise zu wählen.
Der Londoner Hersteller Orlebar Brown war ja vor 15 Jahren mit Schwimmshorts gestartet, die dezidiert elegant sein sollten – stilvolle Unifarben, polierte Metallschnallen, tadelloser Sitz prägten die ersten Sortimente. Jetzt propagiert man bei der Marke längst weitaus knalligere Muster und Farben, wie zum Beispiel dieses stark rankende und blühende Modell. Könnte von einer Tapete sein, die man sich feixend in die Gästetoilette tapeziert – auch Häuser haben Ventile, an denen die Lebenslust ein bisschen überschwappen darf.