Niedergang der Imbissbuden:Bedrohte Wurstarten

Pizza, Döner und Hamburger sind deutlich beliebter als traditionelles Fastfood wie Frikadellen und Currywurst. Nur neue Ideen wie Biokost und Edel-Wurst könnten die Imbissbude noch vor dem Aussterben bewahren.

Robert Lücke

Der Imbisswagen von Michael Müller steht etwas verloren auf dem fast leeren Marktplatz in Wuppertal-Elberfeld. Zur Mittagszeit kommen ein paar Leute aus den Banken ringsherum oder dem Rathausgebäude, einige einkaufende Hausfrauen gesellen sich dazu, und die meisten bestellen Currywurst oder Zwiebelwurst mit Pommes. Auch der Imbiss "Am Haken", zwei Kilometer weiter an einer stark befahrenen Hauptstraße im Wuppertaler Norden, hat zwar eine sehr gute Currywurst zu bieten, die mit einer Schere klein geschnitten wird, bevor sie auf den Tresen kommt. Aber die Einrichtung mit dunkelbraunem Holzfurnier passt eher in die 1960er Jahre.

Imbissbuden: Vor der Wurst sind alle gleich

Traditionelle Imbissbuden wie diese in Hamburg-Eimsbüttel verschwinden mehr und mehr aus dem Stadtbild.

(Foto: dpa)

Gemütlich sitzen und nett essen sieht anders aus. Vielleicht ist das einer der Gründe dafür, dass der deutsche Imbiss mit Schaschlik, Kotelett, Schnitzel, Spießbraten, Frikadelle und Bratwurst nebst Pommes und Kartoffelsalat einen langsamen Tod stirbt. Immer mehr kleine Imbissstuben mit deutscher Küche machen dicht. In Belgien hat sich lauter Protest geregt, als traditionelle Frittenbuden dichtmachen wollten, die sich durch strenge EU-Hygienevorschriften und lokale Behörden gegängelt sahen. Bei uns aber hat sich bislang keine "Rettet unseren Imbiss"- Bürgerinitiative gebildet.

Das mag daran liegen, dass kaum einer merkt, dass die kleinen deutschen Imbissbuden verschwinden, denn der Fastfoodbranche geht es insgesamt recht gut. Die Menschen wollen es schnell und billig. Während die Deutschen zur Zeit der ersten Finanzkrise 2009 und Anfang 2010 immer seltener in feine Restaurants gingen, konnten sich die großen Fastfoodketten gut behaupten. "Gerade der Bereich der Mahlzeiten für vier, fünf Euro läuft trotz Krise gut und robust", sagt Stefanie Heckel vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga).

Die Zahl der Schnellrestaurants nahm deutlich zu - von 24 000 im Jahr 2001 auf fast 30 000. Allerdings stecken in diesen Zahlen vor allem die Filialen der großen Ketten wie McDonald's, Nordsee, Subway und Vapiano, dazu kommen viele türkische Dönerbuden, China-Imbisse, Veganerläden, Autobahnraststätten und Bio-Take-Aways. Im selben Zeitraum schloss jedes achte normale Restaurant seine Eingangstür für immer zu.

Enorme Konkurrenz

Wurstbudenbesitzer Michael Müller glaubt, dass es zu zeitintensiv sei, einen wirklich guten Imbiss zu betreiben. "Ich fange morgens um acht mit den Vorbereitungen an und bin nachts um zwölf mit dem Saubermachen fertig - wer will das schon für so wenig Geld machen?" Eine qualitativ gute Frikadelle müsse zwischen 120 und 140 Gramm wiegen und zwei Euro kosten. "Nur die Frikadelle, ohne alles. Aber bezahlt das einer?", sagt Müller. Schaschlikspieße machen, Koteletts selber frisch braten, Schnitzel von Hand zuschneiden und panieren, Salate machen, das alles sei so viel Arbeit, für die man nicht den Preis verlangen könne, den die Produkte wert seien. Außerdem gibt es heute in jeder Bäckereifiliale auch klassische Imbissartikel wie Mettbrötchen oder Frikadellen. Die Konkurrenz sei riesig. Da sperre mancher eben seine Imbisstube lieber zu.

Die großen Ketten profitieren von ihrer Bekanntheit", sagt Dehoga-Expertin Heckel, "die geben viel Geld für Marketing und Werbung aus und sind überall präsent." Der Kunde weiß, dass der McDonald's-Burger in Hamburg genauso schmeckt wie in Kassel. Beim Imbiss weiß er das aber vorher nicht: Ist die Currywurst einer unbekannten Frittenschmiede wirklich gut, sind die Pommes nicht ranzig und die Hähnchen labberig?

Die Tante-Emma-Läden der Fastfood-Branche

Die Dehoga hat für die nächsten drei Jahre ein Szenario entwickelt, welche Bereiche der Systemgastronomie die größten Zukunftschancen haben. Auf den ersten drei Plätzen stehen dort Take-Aways, Pizza-Taxis und Imbisse in Bäckereien, Supermärkten und Metzgereien - auf dem 15. und letzten Platz landet der klassische Einzelimbiss. So wie die Tante-Emma-Läden durch Supermärkte verdrängt worden sind, passiert es nun mit den Imbissstuben.

"Der Supermarkt kann seinen Kunden mal eben frische Pasta an einer schicken italienisch aufgemachten Theke verkaufen. Und der Kunde bezahlt dort, isst er im Stehen, sieben Prozent Mehrwertsteuer. Gibt es aber in der Imbissstube auch nur einen einzigen Stuhl und einen Esstisch, werden gleich 19 Prozent Steuer fällig", erklärt Stefanie Heckel von der Dehoga. Der Irrsinn der unterschiedlichen Besteuerung schade in erster Linie dem kleinen Imbiss.

Darüber hinaus drängen neue Konzepte, oft als Casual- oder auch Edelfastfood bezeichnet, auf den Markt. Ein Gericht beim Vapiano-Lokal sieht um einiges attraktiver aus als so manche piefige Pommesbude mit drei Plastikzitronen als Theken-Deko. "Viele Imbisse geben sich gar keine Mühe. Die kaufen im Großmarkt aus Resten zusammengepresste Puten- oder Schweineschnitzel ein, und dazu gibt's fertige Champignon-Rahmsauce und Industriepommes", sagt der Paderborner Koch Elmar Simon. Die Imbissstuben wurden in den letzten 20 Jahren an den Stadtrand verdrängt, und in den Innenstädten gibt es dafür nur noch die großen Ketten, weil die die hohen Mieten zahlen können.

Currywurst vom Sternekoch

"Dabei ist eine gute Currywurst doch was Wunderbares", sagt Simon. Doch die sei eben sehr selten geworden, was der Grund dafür war, dass Simon 2006 seine "Curry-Company"- Wurstbude neben dem Paderborner Rathaus eröffnete. Simon ist eigentlich der Patron des feinen und mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurants "Balthasar". Klar, dass so einer seinen Gästen keine miese Billigwurst andrehen kann. "Inzwischen trägt die Currybude, die wie ein Bistro ausgestattet ist, ein Drittel zu meinem Umsatz bei", sagt Simon. Die Würste liefert ihm ein Landmetzger, die Saucen und das übrige Angebot kommen aus Simons Sterneküche. Hier kann man in gediegener Atmosphäre zur Wurst Champagner trinken, so wie bei "Konnopke" in Berlin, seit Jahren eine angesagte Adresse für feine Würste. In Berlin blüht die Currywurst-Kultur, aber die Hauptstadt ist kein Maßstab fürs ganze Land.

Sternekoch Elmar Simon glaubt, dass die Menschen im Zweifel doch lieber Dinge äßen, die sie aus ihrem Urlaub kennen, die Pizza oder den Döner. "Schaschlik und Frikadelle, das klingt ja schon so altbacken." Zieht man dazu eine Studie zu Rate, sieht es komischerweise zunächst anders aus. Nach einer Umfrage, die von der Sprudelfirma Apollinaris vor zwei Jahren in Auftrag gegeben wurde, essen 73 Prozent der Deutschen am liebsten deutsche Gerichte. Nur 30 Prozent tun dies im Imbiss, der Rest geht dafür lieber in "gutbürgerliche Lokale". Am Deutschtum in der Küche kann es also nicht liegen - wohl eher an der Präsentation. Viele Imbissbuden sind eine einzige Beleidigung fürs Auge.

Zukunft hat wohl nur der Edelimbiss. Aber hat der auch Kunden? "Wenn ich jeden Tag fünf verschiedene frische Salate machen muss, dazu etliche Fleischwaren zubereite und dann koche, kostet das viel Geld. Das geht nur in guten Innenstadtlagen mit zahlungsbereiter Kundschaft", sagt Wurstbrater Müller. Und die muss man erst mal haben. Ein Edelimbiss à la Simon funktioniert in einem Wohnviertel mit 40 Prozent Hartz-IV-Empfängern eben nicht.

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