Süddeutsche Zeitung

Abercrombie & Fitch:Jetzt auch offiziell uncool

Kaum eine Marke machte ihr Logo so sehr zum Fetisch wie Abercrombie & Fitch. Nun soll der Schriftzug vom Stoff. Firmennamen auf Kleidung? Wahnsinnig gestern!

Von Kathrin Werner, New York

Vielleicht verschwinden jetzt auch die Einkaufstüten aus den Innenstädten: die mit den nackten Männer-Torsi samt perfekt rasierten Waschbrettbäuchen, halb geöffneten Hosen und riesigem Schriftzug: Abercrombie & Fitch. Durch New York, so heißt es in der Stadt, trügen nur noch Touristen diese Tüten, New Yorker selbst würden schon längst nicht mehr bei dem Unternehmen einkaufen. Die Warteschlangen vor den Geschäften der Klamottenfirma, die einst bis auf den Bürgersteig reichten, schrumpfen seit Jahren. Und auch Pullis oder T-Shirts mit dem Logo der Firma über der Brust sieht man immer seltener. Abercrombie & Fitch ist nicht mehr cool.

Nun hat der Hersteller der Marken Abercrombie & Fitch und Hollister einen Imagewandel angekündet: Die Logos sollen von den amerikanischen Klamotten verschwinden. Das ist ein großer Schritt für die Firma aus dem US-Bundesstaat Ohio, schließlich haben die Menschen einst gerade wegen der Logos bei Abercrombie eingekauft, sie galten nicht wenigen als Erkennungszeichen der Coolen. Ansonsten sind die sportlichen T-Shirts eher verwechselbar. "In der Frühlingssaison werden wir das Logo-Geschäft in Nordamerika auf quasi null reduzieren", verkündete Konzernchef Mike Jeffries. In Europa wird es die Logo-Kleidung indes weiter geben.

Abercrombie & Fitch ist damit eines der letzten Unternehmen, die sich von großen Markenschriftzügen auf ihren Klamotten verabschieden, der Trend ist eigentlich längst vorbei. Bis vor zehn Jahren waren zum Beispiel bei amerikanischen Teenagern weite Kapuzenpullis der Marke Gap mit deren riesigem Logo modern, Gap verkauft aber schon längst unauffälligere Mode, der man ihren Hersteller nicht mehr ansieht. Wenn Unternehmen ihre Marken zu offensiv zeigen, riskieren sie eine Übersättigung: Die Waren werden erst von einer möglichst solventen Zielgruppe gekauft, später folgen die Nachahmer, dann kommen Plagiate, und irgendwann landen die Klamotten auf den Wühltischen. In den USA hat das zum Beispiel Michael Kors erlebt. Um den Trend aufzuhalten, setzen die Firmen dann auf logofreie Mode, um neue Kundschaft in die Läden zu locken, die elegantes Understatement mag. Diverse Marken sind mit unterschiedlichem Erfolg durch diesen Prozess gegangen: Joop, Roberto Cavalli und Dolce & Gabbana etwa.

Seit Abercrombie Probleme mit dem Image hat, schadet das Logo

Besonders kritisch sind zu offensive Logos, wenn sie auf einen Hersteller hinweisen, der an Popularität verliert. Bei Abercrombie & Fitch begann der Abstieg mit einem legendären Interview von Konzernchef Jeffries Anfang 2006: "In jeder Schule gibt es coole und beliebte Kinder und solche, die nicht so cool sind. Wir sind ganz offen hinter den Coolen her. Wir wollen das attraktive All-American Kid, das gut drauf ist und viele Freunde hat", sagte er. Es gebe einfach Leute, die in Abercrombies Jeans und Pullis nichts zu suchen haben. Wer jeden als Zielgruppe habe, auch "die Fetten", der sei für niemanden so richtig interessant. "Sind wir ausgrenzerisch?", fragte der Unternehmenschef. "Absolut." Seither hat Jeffries seinem Unternehmen beim Niedergang zugeschaut.

Denn Ausgrenzung findet keiner mehr cool, gerade nicht die Zielgruppe der Millennials, wie man die Generation mit den Geburtsjahrgängen zwischen 1980 und etwa 1995 nennt. Abercrombie hat jahrelang versucht, die Aussagen aus dem Interview abzumildern, zum Beispiel gibt es seit einigen Monaten auch größere Größen für Frauen, bislang konnten sie bei Abercrombie nur Klamotten bis zur amerikanischen Konfektionsgröße zehn kaufen, das entspricht in Deutschland in etwa der Größe 38, alles darüber wäre ja für "die Fetten".

Auch die Unternehmenspolitik fanden die Kunden nicht mehr attraktiv: Jeffries setzt sein Schönheitsideal (jung, durchtrainiert, glattrasiert - und weiß) auch innerhalb seiner Firma um und hat sich dafür schon Dutzende Male Ärger eingehandelt. Vor einem Jahr hat sich Abercrombie etwa auf einen Vergleich eingelassen und zahlt nun 71 000 Dollar an zwei Musliminnen, die entlassen wurden oder keinen Job bekamen, weil sie Kopftücher trugen. Eine andere durfte nur in den Hinterräumen arbeiten, weil sie eine Armprothese hat - sie bekam vor Gericht Recht. Minderheiten-Vertreter beklagen, dass auffällig wenige Abercrombie-Models schwarz oder asiatisch sind.

Der Image-Einbruch macht sich bei den Zahlen bemerkbar: Gerade meldet die Firma den zehnten Rückgang der Quartalsumsätze in Folge. Abercrombies Kunden kaufen inzwischen bei H & M und Forever 21 ein, wo es billigere Kleidung ohne Markennamen gibt. Der Aktienkurs ist nach dem Quartalsbericht eingebrochen - nun soll es bei Abercrombie ohne Logo besser laufen.

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SZ vom 30.08.2014/hgn
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