Neues Buch von Wolfgang Joop:"Keiner lacht über Angela Merkel"

Wolfgang Joop stellt neues Buch ´Dresscode" vor

"Wir entkommen der Fashion nicht mehr", verkündete Joop am Mittwoch im Berliner Soho-House. Allerdings vertreibe "Fast-Fashion" zunehmend die Euphorie, die von Mode ausgehen könne. Mit seinem Buch will er das ändern.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Was ein New Yorker It-Girl mit der Bundeskanzlerin zu tun hat und warum Rihanna peinlich ist: Wolfgang Joop stellt sein neues Buch "Dresscode" in Berlin vor.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Natürlich ist Joop eine Diva. Kommt viel zu spät und verliert darüber keinen Ton. Die Journalisten im vollbesetzten Clubraum des Soho-House in Berlin scharren am Mittwochmittag schon seit einer Stunde mit den Füßen. Und als er dann kommt, dürfen sie nicht mal Fragen stellen. Sondern müssen zusehen, wie dem 70-jährigen Designer auf der Bühne von einer ausgewählten Journalistin, die Joop als "die Tochter meiner ersten Freundin" vorstellt, sehr genehme Fragen gestellt werden. Das Fernsehen und die Bild-Zeitung dürfen anschließend noch mit ihm ins Séparée, die anderen nippen noch ein bisschen am Hugo. Eine einzelne Journalistin wird dann doch eine eigene Frage los: Was rät der Designer ihren Leserinnen ab 55 in Sachen Mode?

Joop antwortet freundlich: Genau das stehe ja in seinem neuen Buch, um dessen Präsentation es heute geht. Und "Dresscode" spricht vielleicht wirklich eine ältere Zielgruppe an. "Stilikonen zwischen Kult und Chaos" nimmt Joop darin unter die Lupe, von Ex-Vogue-Chefin Carine Roitfeld über It-Girl Alexa Chung bis zu Schauspielerin Tilda Swinton und Herzogin Kate Middleton. Ist ihm sein großväterlicher Juryplatz bei Germany's Next Topmodel so zu Kopfe gestiegen, dass er nun auch den Rest der Modewelt per Daumenabstimmung für hop oder top erklären will, nach dem Motto: Ich habe heute leider kein Foto für dich, Kate?

"Vollkommen grimassenfrei"

Nicht ganz. Zwar wird in "Dresscode" auch ordentlich gelästert ("Lena Dunham sieht natürlich ein wenig aus wie Angela Merkel, wenn sie ein Popstar wäre"), aber meist nicht auf Kosten der selbsterwählten Kandidatinnen. Stattdessen geht er geradezu liebevoll mit den modischen Marotten einer Diane Keaton ("Sie war nie eine femme fatale, sondern auf eine sehr unterhaltsame Weise immer very intellektuell") oder der reduzierten Mimik einer Alexa Chung um ("Das Gesicht ist vollkommen grimassenfrei"). Die hochbetagte New Yorker Society-Lady Iris Apfel lobt er in den höchsten Tönen als "Anti-Aging-Lady" und Tilda Swinton ist für ihn sowieso unangreifbar überirdisch und "kurz davor, abstrakt zu werden". Nur Kate Middleton ist ihm zu langweilig ("wie die Stewardess von Royal Airlines") und Rihannas Stil mag er so gar nicht ("Rihannas Stil ist die Stillosigkeit", "einfach nur grotesk", "das Gegenteil einer emanzipierten Frau").

Das ist in Teilen trotz allem erstaunlich unterhaltsam. Joops Beschreibungen treffen seine "Stilikonen" oft auf den Punkt genau und sind dabei auch noch originell. Und zwar sowohl schriftlich als auch im Bild: Von allen zwölf auserwählten Damen hat er Modezeichnungen angefertigt, die teils sogar besser sind als das Original.

Das Buch ist damit auch eine leidenschaftliche Verteidigungsschrift gegenüber Menschen, denen Mode egal ist oder die sich an solcherlei Stilikonen stoßen: Natürlich hat auch eine pummelige Schauspielerin das Recht, ihren Körper öffentlich zu inszenieren. Und klar macht Experimentierlust vor dem Alter nicht halt, warum auch? Joop gelingt es darüber hinaus gekonnt zu beschreiben, wie viel einer öffentlichen Person an ihrer äußeren Schale liegen kann und warum. Dass manche Menschen sich als Kunstwerk sehen und welchen Gefallen sie damit ihrer Umwelt tun können.

Nicht noch ein Modepolizist

Leider aber verfällt Joop nun auch dem Trend der Ratgeber-Literatur. "Dos und Don'ts", Tipps und Trends, "Stil-Geheimnisse" will er seinen Leserinnen vermitteln. Und ihnen zeigen, wie sie auch ein bisschen Kate, Carine oder Alexa sein können. Damit widerspricht er sich selbst, wenn er sagt "anything goes" und "Mode soll nicht unterwerfen". Auch in Berlin betont er: "Ich will ganz bestimmt keine Regeln aufstellen." Und erklärt dann eine halbe Stunde lang, dass es aber dann doch ein bisschen ein Ratgeberbuch geworden sei.

Mit diesem Widerspruch lebt das Buch, lebt aber natürlich auch die gesamte Modewelt. Immerhin muss man Joop zugute halten, dass er nicht den Modepolizisten und Geschmacksaufseher gibt wie sein aktuell allseits TV-präsenter Kollege Guido-Maria Kretschmer. Und dass man bei Joop im Gegensatz zu vielen anderen selbsternannten Stilberatern immer noch merkt: Mode hat in erster Linie mit Spaß zu tun.

Und sie ist auch immer noch eine sehr subjektive Angelegenheit. Dass zum Beispiel über Angela Merkel "keiner lacht", weil sie gar nicht erst versuche, weiblich zu wirken, und dass Diane Keaton oder Chloë Sevigny angesagter seien als Pop-Prinzesschen Rihanna - diese Meinung hat Joop wohl exklusiv.

Das Buch "Dresscode" von Wolfgang Joop erscheint am 20. April im Verlag Gräfe und Unzer und kostet 17.99 Euro.

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