Neue Mode-Accessoires:Luxustaschen im Discounter-Look

Bei Chanel baumeln jetzt Tetrapaks an der berühmten Metallkette, andere Designer empfinden ihre Luxustaschen Pommestüten oder Waschmittel-Kartons nach - die Teile sind begehrte Sammlerstücke.

Von Dennis Braatz

"Jetzt macht er auch noch Milch", quietscht die Moderedakteurin auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz, vorbei an all den Supermarktregalen, die er, Karl Lagerfeld, zur Präsentation seiner Herbst-/Winterkollektion von Chanel ins Grand Palais hat bauen lassen. Die silbrig schimmernden Verpackungen sind mit dem Slogan "lait de coco" versehen - eine Hommage an Coco Chanel, Gründerin des Hauses, und gleichzeitig die Persiflage auf das aktuell wichtigste Getränk der Reichen und Schönen: Kokosnusswasser. Daneben entdeckt man Limonadenflaschen ("Tweed Bubble"), schwarzen Tee ("Thé Little Black Tee"), Schinken ("Jambon Cambon") und noch allerhand mehr chanelisierte Dinge für den alltäglichen Bedarf.

Die Wartezeit bis zum Beginn der Show lässt sich mit der Entdeckung dieser Wortspiele auf den Produkten natürlich lustig vertreiben. Mit Einlauf der ersten Models wird jedoch ziemlich schnell klar: Karl Lagerfeld meint es ernst. Tetrapaks für Kokosmilch baumeln jetzt mit einer von einem Lederband durchzogenen Metallkette als Handtäschchen von den Schultern der Mädchen. Der Schriftzug wurde nicht einfach nur darauf gedruckt, sondern mit feinsten Perlen besetzt.

It-Bag Pommestüte

Auf die Idee, simple Konsumprodukte in It-Bags zu verwandeln, sind für diesen Herbst noch viel mehr Designer gekommen. Von der Britin Anya Hindmarch gibt es zum Beispiel eine Clutch, die aussieht wie eine Packung Waschmittel von Ariel. Allein die Troddel aus Leder lässt erkennen, dass es sich hierbei tatsächlich um ein edles Aufbewahrungsmittel für Handy und Geldbeutel handelt. Jean Paul Gaultier funktionierte seine ikonische Konservendose, die seit 1993 als Verpackung für die Parfums des Modemachers dient, zur Abendtasche um.

Von Moschino-Chef Jeremy Scott kommen lederne Exemplare im Look von McDonald's-Pappbechern oder -Pommestüten. Charlotte Olympia überzieht Doggybags, die vom Asia-Imbiss um die Ecke kommen könnten, mit edel bestickter Seide. Und Judith Leiber hält in ihrer Schmuckauslage brillant- und diamantbesetzte Lippenstifte zum Aufschrauben bereit.

Verweise auf Surrealismus und Pop-Art

Diese optischen Täuschungen, also Dinge, die in ihrer Urform plötzlich in einen völlig neuen Zusammenhang gesetzt werden, sind in der Modewelt streng genommen nichts Neues. Sie gehen zurück auf textiles Trompe-l'Œil, mit der die surrealistische Designerin Elsa Schiaparelli die Branche in den Dreißigerjahren schon mal in Aufruhr versetzte.

Die enge Freundin von Salvador Dalí (und schärfste Rivalin Coco Chanels), fertigte aus High-Heels damals Hüte, die sie zu Abendroben kombinierte. Auf schwarze, die Figur völlig verhüllende Kleider strickte sie die Anmutung eines menschlichen Skeletts. Die Fingerspitzen von hautfarbenen Handschuhen bemalte sie mit knallroten Nägeln. Seit zwei Saisons versucht nun nicht nur die Marke "Schiaparelli" selbst unter der Leitung von Marco Zanini ein Comeback, sie wird auch auf allen anderen Laufstegen rauf und runter zitiert. So entwarf Phoebe Philo bei Céline schon vor einem Jahr Pumps mit rotlackierten Zehennägeln. Der berühmte Hutmacher Stephen Jones liefert aktuell Kreationen, die er mit der Andeutung eines Schuhs krönt.

Erfolgsprinzip Verknappung

Mode, die an die große Visionärin von damals erinnert, beweist natürlich eine Menge Stil-Know-how. Außerdem kann man sich mit ihr auch immer ein bisschen "edgy" in Szene setzen.

Die Taschen von Lagerfeld, Hindmarch und Co. verweisen aber auch noch auf eine weitere Kunstform: die Pop-Art. Wie man es mit der Alltagskultur auf die Spitze treiben kann, wusste Andy Warhol schon 1962. Damals erhob der Mitbegründer und schillerndste Vertreter der Pop-Art das Abbild von Dosensuppen ganz einfach zur Kunst. Für den Moschino-Designer Jeremy Scott gehört Warhol deshalb auch zu den größten Helden und Vorbildern. Erst vor ein paar Wochen zeigte er eine Barbie-Kollektion auf der Modewoche in Mailand.

Konsum ad absurdum führen

Ein halbes Jahr zuvor hatte er das Prinzip "Fast Fashion", also der immer schneller werdende Konsum von Mode fernab vom klassischen Saison-System, mit Taschen und Handyhüllen im Design des Fastfood-Riesen McDonald's ad absurdum geführt. Die Accessoires waren schon am Folgetag der Show in Onlineshops erhältlich. Innerhalb kürzester Zeit waren sie vergriffen. Sein einfacher Trick: Jeremy Scott begrenzt die Stückzahl der jeweiligen Taschen auf ein Mindestmaß, manchmal sind es gerade mal 100 Stück.

Mit einem Preis von 600 Euro pro Pommespackung, oder über 700 Euro für einen Getränkebecher mit Kettenhenkel avancieren sie genau deshalb aktuell zu begehrten Sammlerstücken.

Handtaschen, die man besser zuhause herzeigt

Das Prinzip der Verknappung verfolgt auch Karl Lagerfeld derzeit. Eine streng limitierte "lait de coco"-Tasche kostet 3200 Euro. Und kein Mensch weiß, wie viele Exemplare es davon auf der Welt wirklich gibt. Allerdings ist bekannt, dass das Modell, obwohl die neue Kollektion gerade erst in den Boutiquen angekommen ist, schon jetzt fast ausverkauft ist. In Deutschland sei sie schon nicht mehr erhältlich, erklärt die Pressestelle des Hauses.

Auf der Straße wird man diese Taschen deshalb wohl auch eher selten sehen. Fashion-Liebhaber inszenieren sie lieber sicher in der heimischen Wohnung - wie echte Kunstobjekte eben. Bei manchen Moderedakteurinnen soll die Chanel-Version sogar schon an der Wand hängen. Während man diese Tasche allerdings noch am ehesten stilvoll kombinieren könnte, ist das für alle anderen Accessoires aus dem Luxus-Supermarkt wohl auch der beste Platz. Ein seidenes Doggybag mit Alu-Henkeln zum kleinen Schwarzen vor sich hertragen? Einen Pappbecher mit Strohhalm zum Alaïa-Kleid ausführen? Lieber nicht. Vielleicht gewinnen die seltenen Kostbarkeiten in den kommenden Saisons aber ja sogar noch an Wert. Das Styling-Problem wäre dann endgültig überflüssig.

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