Neue Kaffee-Trends:Das kleine Schwarze wird wieder exklusiv

Spezialitätenkaffeemesse 'Kaffeecampus'

Was früher dem Adel vorbehalten war, wird jetzt von tätowierten Hipstern gebraut: Der Londonder Barista John Gordon misst sich auf der Spezialitätenmesse "Kaffeecampus" in Berlin mit seinen Kollegen im Wettbewerb.

(Foto: dpa)

Drei große neue Trends hat die Kaffeemesse in Berlin zu bieten. Um die zu erkennen, muss man aber erst mal schlucken, spucken und staunen.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Manche trinken ihn wie Wasser von früh bis spät, andere zelebrieren mit gespreiztem Finger jeden Schluck: Kaffee ist der Deutschen liebstes Getränk, noch mehr geschätzt als Bier. Zwei Tassen am Tag trinkt man hierzulande im Durchschnitt. Während die einen sich weigern, vor dem ersten Schluck am Morgen auch nur zu duschen, heben sich andere ihr Luxusgut für ganz besondere Gelegenheiten auf. Etwa wenn sie auf den teuersten Kaffee der Welt schwören, der Kopi Luwak oder Katzenkaffee genannt wird und erst durch den Verdauungstrakt einer Schleichkatzenart in Indonesien oder auf den Philippinen muss, bevor er in Europa für den bis zu hundertfachen Preis eines normalen Kaffees verkauft wird - wegen seines besonderen Aromas.

Zwischen diesen beiden Antipoden pendeln sich die meisten erwachsenen Deutschen im Laufe ihres Lebens ein: Ein Kaffee zum Frühstück, ein Espresso nach dem Mittagessen und vielleicht noch ein Cappuccino am späten Nachmittag. Genau so sei es empfehlenswert, sagt Hanspeter Hagen vom gleichnamigen Kaffeehaus aus Heilbronn. Er selbst trinke am Morgen Tee, das sei besser für seinen Magen, und achte darauf, nicht mehr als drei, vier Tassen Kaffee am Tag zu trinken. Denn wie bei allen Nahrungs- und Genussmitteln sei die Dosis entscheidend dafür, wann etwas giftig wirke. Und wie bei so vielen anderen Dingen im Leben sei die Vielfalt entscheidend für den Genuss - deshalb will Hagen, der die Kaffeemesse in Berlin mitorganisiert, dafür sorgen, dass die deutschen Baristas mehr Kaffeesorten kennenlernen.

"Dieser Satanstrank ist zu köstlich"

Kurzer Exkurs in die Historie: Dass mit Kaffee Geld zu verdienen ist, wissen die Menschen schon seit Jahrhunderten. Im 9. Jahrhundert wurde die Kaffeebohne in Äthiopien zuerst erwähnt; vermutlich über Sklavenhändler gelangte sie im 14. Jahrhundert in den arabischen Raum und von da aus im 16./17. Jahrhundert nach Europa, wo die ersten Kaffeehäuser eröffneten. Eifrige Katholiken bestürmten damals Papst Clemens VIII., um den Siegeszug des "heidnischen" Kaffees in Europa aufzuhalten. Doch der Heilige Vater probierte erst einmal - und ließ dann angeblich verlauten: "Dieser Satanstrank ist so köstlich, dass es eine Schande wäre, ihn den Ungläubigen zu überlassen."

Erst mal war Kaffee aber denen vorbehalten, die ihn sich leisten konnten: In Paris kostete ein Pfund der Sorte Arabica damals nach heutigem Wert gut 500 Euro. Der Durchschnittseuropäer trank Bier, Wein oder Ale zum Frühstück - und startete damit leicht angeduselt in den Tag. Als sich stattdessen der "Wein der Araber" (bei denen Alkohol aus religiösen Gründen verboten war) auch im europäischen Bürgertum durchsetzte, soll er im 18. Jahrhundert die Industrialisierung vorangetrieben haben - weil die Leute am Morgen schneller wach waren und konzentrierter arbeiten konnten als unter Alkoholeinfluss.

Alkohol am Morgen ist heute nicht mehr allgemein sozialverträglich, bisweilen noch in Bayern, doch eines hat sich nicht verändert: Mit Kaffee lässt sich immer noch gutes Geld verdienen. Deshalb richtet die Deutsche Röstergilde auch jene Kaffeemesse in Berlin aus, die am Freitag zuende ging, und nennt sie "Kaffeecampus". Wer allerdings erwartet, dass hier besonders wache Menschen mit unzähligen Espressotässchen zum Probieren aufwarten, wird enttäuscht: Es werden eher besondere Bohnen präsentiert, mit denen der Laie wenig anfangen kann (auch im Geschmack), sündhaft teure Espressomaschinen beworben und knorrige Kaffeebäume für 500 Euro verkauft.

Nichtsdestotrotz lassen sich drei aktuelle Trends extrahieren:

  • Kaffee wird zum Luxusprodukt. Während ein großer Discounter gerade das Pfund Kaffee für 2,30 Euro bewirbt, ist man sich auf dem Kaffeecampus in Berlin einig: Dafür könne man keinen guten Kaffee erwarten. Rund das Fünffache müsse man investieren, um einen guten Kaffee zu bekommen - das Zehnfache, um ganz besonders guten Kaffee zu trinken. Das Röstverfahren im Eiltempo bei zu hohen Temperaturen in zu kurzer Zeit sorge für einen sauren Billig-Kaffee, den auf Dauer kein Magen gut vertrage, sagen die Experten. Nicht nur die Zubereitung, auch die Art der Kaffeebohne sei entscheidend für den Geschmack. Wie sehr, das kann man hier beim "Cupping" testen, wo Händler wie bei der Weinverkostung hintereinander zehn Sorten Kaffee zischend über die Zunge schlürfen und wieder ausspucken. Und in der Tat: Die Unterschiede im Geschmack sind enorm. Nicht nur, was den Säuregrad angeht, sondern auch in Sachen Fruchtigkeit, Schoko-Note oder Gesamtkomposition. Wer wert auf einen guten Kaffee lege, solle sich von einem Händler nach seinen Geschmacksvorlieben beraten lassen und sich durchprobieren, empfehlen die Fachleute. Sogar Soja-Milch gibt es inzwischen extra auf den Kaffee abgestimmt: Mit weniger Zucker, der bei Hitze karamellisiert und den Kaffee beeinflusst. Der Geschmackstest ist jedenfalls sehr überzeugend. Auch bei den Schoko-Spezialitäten, die hier von Feinkosthändlern angeboten werden: Es macht eben schon einen Unterschied, wie viel Kakaogehalt und wie wenig Zusatzstoffe die Begleitung zum Nachmittagskaffee hat.
  • Wasser wird wichtiger. Eigentlich nachvollziehbar: Wieso sollte sich ein Barista die Arbeit machen, jedes noch so kleine Detail über Kaffeebohnen, Anbaugebiete, fairen Handel, komplizierte Espressotechniken oder "Latte-Art" (das Herz auf dem Schaum) zu erlernen - wenn das Getränk doch zu 98 Prozent aus Wasser besteht, das den Geschmack des noch so feinsten Böhnchens empfindlich beeinflussen kann? Wie sehr, auch dazu gibt es auf dem Kaffeecampus Verkostungen. Zum Beispiel zeigt ein Hersteller von Wasserfiltern, wie andersartig verschieden gefiltertes Wasser aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands schmeckt - und wie stark sich das auf den Kaffee auswirkt. Kaffeemaschine an, Leitungswasser rein, Kaffee kochen - diese Tage sind für Baristas, die etwas auf sich halten, gezählt. Hier werden auch Meisterschaften ausgetragen, wer den besten Espresso kocht. Die amtierende deutsche Meisterin, die 30-jährige Erna Tosberg aus Münster, erklärt: "93 Grad muss das Wasser haben - und es kommt auf jede Sekunde an."
  • Direct Trade versus Fair Trade: Die Kaffeemesse, die im Kosmos als größtem ehemaligen Kino der DDR beheimatet ist, ist auch ein Ort der Diplomatie. Botschafter aus den Anbauländern Ruanda, Brasilien oder Kolumbien reden sich auf dem Kaffeecampus die Zungen heiß - und verhandeln mit deutschen Vertretern ihrer Zunft über möglichst faire Handelsbeziehungen. Was ihrer Meinung nach zu wenige Verbraucher wissen: Fair-Trade-Produkte, die mit einschlägigen Siegeln gekennzeichnet werden und den Kaffeebauern Mindestpreise garantieren, sind nicht automatisch die beste Möglichkeit für Händler und Konsumenten. Die Zertifizierung bringe bisweilen Probleme mit sich. Beim Direct Trade hingegen, dem direkten Handel, würden Kaffeebauern in armen Ländern oft besser und fairer bezahlt. Eine Kampagne müsse her, um Verbrauchern den Unterschied zu verdeutlichen, sind sich die Händler hier einig.

Welche dieser Trends aus den Kaffeeexperten-Kreisen die Massen erobern, wird sich zeigen. Ähnlich wie bei Fleisch und Brot als der Deutschen liebste Lebensmittel wäre es aber nachvollziehbar, wenn einer Geiz-ist-geil-Mentalität auch bei ihrem Lieblingsgetränk eine Rückbesinnung auf vernünftigere Maße, vernünftigere Preise und vernünftigere Zutaten folgen würde.

Ungeachtet dessen soll US-Schauspieler Clark Gable einst gesagt haben: "Ich lache niemals, bevor ich meinen Kaffee hatte." Und Lachen soll ja immer noch die beste Medizin sein.

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