Nagelpflege für den Mann:Gib Pfötchen

Lesezeit: 3 Min.

An die mütterliche Geborgenheit erinnern und einfach mal wegsacken: ein Besuch in einem Mani- und Pedikürestudio exklusiv für Männer mit Dienstleistungen, die man bisher gar nicht vermisst hat.

Von Max Scharnigg

Tut nicht weh, sagt der Mann aufmunternd, bevor er wieder im Nachbarsessel versinkt und seine rechte Hand so eingehend betrachtet, als wäre sie neu. Er hat die erste Halbzeit hinter sich gebracht, also: Kürzen, Feilen, Nagelhaut Entfernen, Polieren, Handcreme, Massage. Kurz durchatmen, dann geht's auf die andere Seite.

Natürlich, tut nicht weh. Ist ja nur Nagelschneiden. Kein Zahnarzt, kein Augenlasern, kein Grund zur Beunruhigung. Trotzdem. Irgendwie sind Nägel bei Männern weitgehend Terra incognita. Ihr stetes Wachsen ist eher lästig, es wird nebenbei in Zaum gehalten, so zwischen Zähneputzen und Haarezurechtwuscheln. Und bei groben Zinken hilft notfalls die Büroschere aus. Routine eben, ohne dass eigentlich klar ist, was bei Finger- und Fußnägeln der Goldstandard wäre. Maximal kurz, irgendwie mittellang, schön rund, markant als Trapez oder sacht zur Spitze zulaufend wie ein Voralpenberg? Gute Rasur, saubere Zähne, schöne Haare - alles mittlerweile angekommen. Aber schöne Nägel? Und Nagelhautentfernung? Klingt doch irgendwie schmerzhaft.

Doch die resoluten Damen im "Hammer&Nagel" haben seit der Eröffnung ihres Männer-Maniküre-Studios am Münchner Viktualienmarkt schon viel heillose Furcht gesehen und sind, ähnlich wie ein Kinderzahnarzt, auf besondere Rücksicht trainiert. Sie lächeln einen resolut in den nächsten freien Sessel. Der ganze Laden ist so gestaltet, wie man sich offiziell Wohlfühlumgebung für Männer vorstellt. Eine alte Werkbank steht da, und an der Wand hängt ein Haufen Werkzeug, über das sich ein Hufschmied vor 150 Jahren wohl gefreut hätte. Verbeulte Fabriklampen machen Licht, es ist aber trotzdem gediegen dunkel, die Sessel sehen nach Churchill aus, und wenn jemand auf einer Harley aus dem Hinterzimmer käme, würde man sich auch nicht wundern.

39 Euro - ein stolzer Preis

"Manche haben Angst vor dem Feilgeräusch", sagt die nette Ja-wie-nennt-man-sie? Nageldesignerin. "Viel designt wird bei den Männerhänden aber nicht, nur einer wollte bisher Nagellack." Sagt sie, während sie sich mit akkuraten Bewegungen und einem Profischneider aus Solingen an die Arbeit macht. Zing, zing, zing, fallen die Späne. Kein Vergleich zu dem Geknusper zu Hause. "Na ja, Feilen machen viele Männer daheim wohl auch nicht", schätzt die Expertin weiter. Kein Widerspruch aus den belegten Sesseln.

Dabei ist es, ritsche-ratsche, gar nicht so gänsehautschlimm. Sondern eigentlich recht angenehm, und alles was danach kommt, auch. "Mir fällt Nagelhaut gleich auf", sagt die Hand-Werkerin entschuldigend, und vier Minuten später ist das Ärgernis aus dem Weg geschoben, hat nicht mal geziept. Ein Tropfen Politur jetzt, ein bisschen wohlriechende Hautpflege und dann fünf Minuten herrliche Handmassage - fertig. Die rechte Hand ist rosig schön, die Nägel sind alle exakt gleich, sie schließen sauber an der Kuppe ab und sind an den Rändern weich und frei von Gefitzel.

Zwei Empfindungen in der Wechselpause. Zum einen die Erinnerung an mütterliche Geborgenheit. Das war ja die letzte Frau, die man - nolens, volens - an die eigenen Nägel gelassen hat. Zum anderen ist das hier ganz unerwartet auch eine Entspannungsübung geworden, dreißig Minuten wohliger Stand-by-Modus. Anders als beim Friseur kann man weder lesen noch gut aufs Telefon schauen, weil eine Hand ja immer in Beschlag ist. Man ruht also einfach, gibt Pfötchen und sackt so weg, irgendwie trägt auch das Men-only-System ein wenig dazu bei. Näher an einen britischen Herrenklub wird und will man nicht kommen, aber hier mal kurz zurücklehnen, das geht gut.

39 Euro kostet das normale Programm, die schnelle Nummer gibt es ab 18 Euro. Für eine Dienstleistung, die man bis dato nicht vermisst hat, ein ziemlicher Preis. Das scheint die Männer aber nicht zu schrecken, es gibt in München schon weitere Männernagel-Studios und man sollte unbedingt einen Termin ausmachen, einfach so hingehen klappt eher nicht. Und wie oft ist es notwendig? Schließlich wachsen die Fingernägel bis zu 1,2 mm pro Woche. "Die meisten der Stammkunden kommen so alle drei oder vier Wochen vorbei", erfährt man. Vertreter, Fernsehmenschen, ein Pastor - die kämen häufiger.

Aber auch Junggesellenabschiede finden sich mittlerweile oft ein. Fünf Männer beim Schmied, in der Mitte ein Bierfass, und am Ende sind alle Extremitäten wie aus dem Ei gepellt, gar nicht übel. Wegen der guten Konjunktur soll demnächst auch noch ein Beauty-Studio für Jungs eröffnen, gleich nebenan.

Bleibt das Thema Füße. Man hat zwar welche dabei, will sie aber doch ungern vor Fremden auspacken und herumzeigen. "Aber das ist auch vielen Frauen unangenehm", sagt die Expertin netterweise, wenn auch in einem Ton, der meint: keine Ahnung, warum. Beim nächsten Mal dann. Zum Abschied gibt's jetzt erst mal einen, ja, stolzen Händedruck.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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