Nachwuchsdesigner auf der Fashion Week:Mutig durch die Hitze

Roshi Porkar presented by Mercedes-Benz and ELLE Backstage - Mercedes-Benz Fashion Week Spring/Summer 2015

Hellblau gegurtet auf Taillenhöhe: Letzte Vorbereitungen für die Show der österreichischen Modeschöpferin Roshi Porkar.

(Foto: Getty Images for IMG)

Antike Formen, wildes Karo-Patchwork, Kleidung aus Weltraumfolie: Die jungen Designer auf der Fashion Week sind oft mutiger als die etablierten Kollegen. Eindrücke vom Nachwuchs in einer Branche, in der viele ihre Nische erst finden müssen .

Von Lena Jakat, Berlin

Die 20 Zentimeter hohen Figurinen mit den ausladenden Schößen und geometrisch gemusterten Kleidern stammen aus Baktrien und sind mehr als 3000 Jahre alt. Die Frau, die dem Wikipedia-Eintrag zu Baktrien derzeit vermutlich die meisten Klicks seit seiner Erstveröffentlichung beschert, ist gerade mal 26 Jahre alt und kommt aus Wien. Roshi Porkar hat sich von den Statuetten aus dem längst untergegangenen Reich im Norden des heutigen Afghanistan für ihre erste Kollektion inspirieren lassen. "Auf der Documenta in Kassel habe ich mich in sie verliebt", sagt Porkar.

Die Zeitschrift Elle und Mercedes-Benz als Hauptsponsor haben die junge Modemacherin nach Berlin auf die Fashion Week geholt. Als ihre Models über den Laufsteg schreiten, in kastigen Rüstungen aus Kunstpelz und Fransenstoffen und auf asiatische Art hellblau in der Taille gegurtet, da sitzen in der ersten Reihe zwischen allerlei illustren Gästen Modeschöpfer Haider Ackermann - und Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton.

"Alle um mich herum wussten, dass sie kommt. Mir haben sie es erst im letzten Moment gesagt, damit ich nicht so nervös werde", sagt die Wienerin später. Sie könne sich nicht einmal mehr erinnern, was Swinton zu ihr gesagt hat, so aufregend sei dieser Moment gewesen.

"Kleidung sollte für sich selbst sprechen, keine Erklärung brauchen. Es bringt es nicht, dauernd an Konzepten festzuhalten." - Roshi Porkar, Wien

So wie Roshi Porkar erhalten bei der Fashion Week auch andere junge, aufstrebende Designer mit der Unterstützung unzähliger Förderprogramme die Chance, ihre Entwürfe auf der Fashion Week zu zeigen. Das Spektrum ist enorm, manche Nachwuchsdesigner haben schon fünf Schauen hinter sich, manche stehen noch ganz am Anfang ihrer Karriere.

Berlin  Fashion Week - Roshi Porkar - Laufsteg

Inspiriert von einem längst untergegangenen Reich im Norden Afghanistans: Die Kunstfell-Entwürfe von Roshi Porkar.

(Foto: dpa)

Dienstag, kurz vor 19 Uhr, Berlin-Moabit, irgendwo hinter der indonesischen Botschaft geht es nach rechts, ein Hinterhof am Ende der Welt. Was jetzt noch niemand ahnen kann: Dieser Abend wird historisch werden, in wenigen Stunden wird die deutsche Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 7:1 gegen Brasilien gewinnen.

Und hier, in einem drückend heißen Loft, zeigen teils sehr junge Talente aus der ganzen Welt ihre Entwürfe. Da posieren in Schwarz und Weiß gekleidete Nymphen auf Podesten, eine griechische Designerin präsentiert Fascinators nach Art des Himmel-und-Hölle-Faltspiels, ein Model trägt ein ausladendes Netz an ihrem überdimensionierten Kragen. Zwischendrin stöhnt die 21-jährige Australierin Alexandra Hackett unter der Hitze. Sie hat ein Outfit aus Weltraumfolie entworfen. "Das Material benützt man auch für Notfalldecken", erklärt sie. "Ich mag es, Materialien von ihrer Funktion zu befreien."

"Wir denken bei unserer Arbeit an echte Frauen, die berufstätig sind, modern - so wie wir." - Tutia Schaad, Berlin

Tags darauf bittet die Vogue ins Hotel de Rome. Seit drei Jahren bittet die Bibel der Modezeitschriften dort zum Vogue Salon. In der kühlen Eleganz des Hotels am Bebelplatz präsentieren neun von Chefredakteurin Christiane Arp persönlich ausgewählte junge Labels ihre Kunst. Vieles, was hier zu sehen ist, wirkt ein bisschen mutiger, frischer als die etablierte Mode, die einiger Kilometer weiter nordöstlich auf den Laufstegen im Stadtteil Wedding gezeigt wird.

Zwischen Puffärmeln und Mantelkleidern stehen auch die Schaufensterpuppen des Berliner Labels Perret Schaad. Seit 2009 machen Johanna Perret und Tutia Schaad gemeinsam raffinierte, alltagstaugliche Mode. Für ihre aktuelle Kollektion voller leuchtender Aquatöne ließen sie sich von einem Sommerabend an der Côte d'Azur inspirieren. "Man macht eine Promenade am Ende des Tages, bevor man sich zum Essen hinsetzt", sagt Tutia Schaad. Für ihr Label ist es die zehnte Kollektion, ein entscheidender Moment, in dem es gelte, "sich selbst immer wieder zu überraschen". "Es ist für uns eine besondere Zeit. Wir sind langsam etabliert, aber immer noch ein neues Label."

Mode ist Kleidung. Sonst nichts.

Nur ein paar Meter weiter unter dem Glasdach des Salons zeigt Tim Labenda seine klassisch-streng geschnittenen Hosenanzüge. Der bereits vielfach preisgekrönte Jungdesigner aus Würzburg und ehemalige Fashion-Hero-Teilnehmer hat am Vorabend wieder einen Preis gewonnen: Den renommierten "Start Your Fashion Business Award" des Berliner Senats.

"Man fühlt sich dadurch schon gestärkt", sagt er fröhlich zur erneuten Auszeichnung. Labenda, der als gelernter Herrenschneider zunächst Männermode entworfen hat, musste seine "Zielfrau" erst kennenlernen. "Sie ist sehr intellektuell, eher wie Julianne Moore oder Jodie Foster, auf jeden Fall kein Hollywoodblondchen. Inzwischen haben wir eine ziemlich gute Beziehung."

"Für mich ist es das größte Kompliment, wenn ich Frauen auf der Straße sehe, die meine Sachen tragen." - Tim Labenda, Würzburg

Viele Nachwuchsdesigner betonen, dass sie Mode für "echte Menschen" machen, ihnen ist wichtig, dass ihre Mode selbstverständlich funktioniert. Tragbarkeit ist das Credo des Augenblicks. Unkompliziert auffallen. "Mode ist für mich: Kleidung", sagt die Wienerin Roshi Porkar sehr entschieden. "Sonst nichts. So sollte es auch sein. Es geht eben um den Eindruck, den man vermitteln will."

Spielen mit Schottenmustern

Erfolgreich Eindruck hinterlassen hat Matteo Lamandini mit seinen Herrenanzügen in wildem Karo-Patchwork. Und zwar nicht bei irgendjemandem: "Es ist inspirierend zu sehen, wie er mit typischen Schottenmustern und strukturierten Silhouetten spielt", sagt Tommy Hilfiger zu Lamandinis Arbeit.

Hilfiger ist Schirmherr des "Designer for Tomorrow"-Preises des Modekaufhauses Peek&Cloppenburg, den der junge Mailänder Designer eben gewonnen hat. Erleichtert fühle er sich, sagt Lamadini zur Auszeichnung. - Und sicherlich auch froh? "Certo, certo, fantastico", antwortet Lamadini. Es war sein erster Wettbewerb.

"Frauen wagen modisch mehr als Männer. Ich sehe so viele Männer, die sich auf traditionelle Formen festgelegt haben. Das sollte sich ändern." - Matteo Lamandini, Mailand

Lamandini ist über sein Interesse an klassischer Herrenkleidung zur Mode gekommen. "Mich faszinieren grundlegende Stücke der Männermode, wie Jackett, Hemd, Krawatte", sagt er. "Deswegen habe ich zuerst eine Schule für Angestellte besucht, weil ich es mag, wie sie sich kleiden." Was für Roshi Porkar aus Wien die bakrischen Prinzessinnen sind, ist für Lamandini die Zoot-Suit-Mode aus dem Amerika der 1930er-Jahre. "Von ihr habe ich zwei Elemente geborgt: Die Form und die Ironie", sagt Lamandini.

Jeder Preis, jede Schau bedeuten für Lamandini, Pokar und all die anderen jungen Modemacher eine zusätzliche Chance in einer schwierigen Branche. Eine Branche, in der viele noch ihren eigenen Ton, ihre Nische finden müssen.

"Viele denken jetzt, das ist mein Signature Look", sagt Roshi Porkar lachend über ihre archaisch inspirierten Fellroben. "Aber ich will nicht mein ganzes Leben mit Kunstfell arbeiten. Ich fasse das Zeug erstmal nicht mehr an." Und die baktrischen Prinzessinnen? "Mit denen versuche ich gerade endlich abzuschließen."

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