Nachhaltigkeit:Beruhigt Kopfhaut und Gewissen

Nachhaltigkeit: Nicht nur öko, sondern hip: Wer die neue Naturkosmetik nutzt, kann sein Haupt mit gutem Gewissen zur Ruhe betten.

Nicht nur öko, sondern hip: Wer die neue Naturkosmetik nutzt, kann sein Haupt mit gutem Gewissen zur Ruhe betten.

(Foto: Rachel Crowe/Unsplash; Bearbeitung SZ)

Bio-Shampoos haben ihr Öko-Image abgelegt. Naturkosmetik muss heute hip aussehen und einwandfrei wirken. Dann darf sie auch mal richtig teuer sein.

Von Tania Messner

Naturkosmetik war bis vor wenigen Jahren mehr Statement als Pflegegenuss. Als Bio-Pflege noch aus der Öko-Ecke kam, waren die Cremes dick, rochen nach Kräutertee, und eine bessere Wirkung als konventionelle Massenprodukte konnten sie auch nicht vorweisen. Man cremte sich vor allem das Gewissen damit ein. Doch spätestens beim Haar war für die meisten Frauen Schluss mit biologisch korrektem Handeln.

Denn anders als bei Cremes oder Seren, die immer besser wurden und das Öko-Image schon länger abgelegt haben, musste man bei den entsprechenden Shampoos und Conditionern deutliche Abstriche in Kauf nehmen. Beim Waschen mit den rein pflanzlichen Mixturen bildete sich kaum oder wenig Schaum - und die Haare waren anschließend oft schlecht kämmbar, wirkten stumpf und glanzlos.

"Die Funktionen, die wir von einem Shampoo erwarten, wie Volumen, Reinigung, Glanz oder Kämmbarkeit, erreichte man lange Zeit nur, indem man sehr stark chemisch veränderte Substanzen auf Mineralölbasis einsetzte", erklärt die Drogistin und Buchautorin Elfriede Dambacher zu den Tensiden, den Inhaltsstoffen unzähliger Kosmetika.

Zusatzstoffe aus Erdöl? Jeder Naturfreund denkt sofort an verklebte Vogelfedern

Dambacher ist Gründerin des Naturkosmetik-Verlags und kennt den Markt für alternative Pflegeprodukte seit mehr als 30 Jahren. "Diese Substanzen durch pflanzliche Stoffe zu ersetzen war eine aufwendige Entwicklungsarbeit, denn die Funktionalität eines Natur-Shampoos war lange eingeschränkt."

Gerade bei Haarpflege und Styling gilt aber volles, seidiges Haar als Attraktivitätsmerkmal. Wenn Models in TV-Spots ihre Rapunzelmähnen schütteln und dabei für starken Halt, extraseidigen Glanz und Instant-Volumen werben, drücken selbst überzeugte Naturkosmetiknutzer zwei Augen zu und greifen lieber zu Klassikern wie Guhl, Kérastase und L'Oréal statt zu Weleda, Lavera oder Dr. Hauschka.

Doch das ist inzwischen nicht mehr nötig. In den vergangenen fünf Jahren sind so viele gute Natur-Haarpflegeprodukte auf den Markt gekommen, dass man von einem Boom sprechen kann. Das liegt zum einen daran, dass sich der Markt für grüne Kosmetik in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt hat. Im Jahr 2016 gab es ein Plus von 4,5 Prozent und mehr als eine Milliarde Euro Umsatz - während der Gesamtmarkt für Kosmetik bei plus 1,7 Prozent nahezu stagnierte. "Im Zuge dieser Entwicklung wuchs natürlich das Angebot", sagt Elfriede Dambacher.

Zweitens wurde durch die gesteigerte Nachfrage viel Geld in die Forschung gesteckt - wovon vor allem der Bereich Haarpflege profitiert hat. Früher konnten Glanz und Geschmeidigkeit nur durch Beigabe von Silikonen, Parabenen und Paraffinen im Pflegeprodukt erreicht werden. Und diese Stoffe haben nun mal ein katastrophales Image: Sie werden aus Erdöl raffiniert, bis daraus das sogenannte Weißöl entsteht, sind komplizierte chemische Prozesse notwendig.

Weißöl, das keine Allergien auslöst und sehr günstig ist, hat mit Benzin, Diesel oder Schmierstoff am Ende zwar nichts mehr gemeinsam. Aber unterbewusst denkt jeder Naturliebhaber dabei dennoch an ölverklebte Vogelfedern und verseuchte Strände.

Haare sind zwar, ebenso wie Fuß- und Fingernägel, totes Material, das aus abgestorben Zellen besteht. Eine feine Schicht Silikon um den Haarschaft sorgt in der Regel lediglich für mehr Glanz, ohne Schaden anzurichten. Ganz logisch war die Furcht vor Produkten mit raffiniertem Erdöl also nie. Aber es geht in solchen Fragen eben immer auch um das Gewissen. Und bei der Kopfhaut sieht die Sache auch anders aus. Sie kann von versiegelnden Substanzen, die weder Wasser noch Luft durchlassen, verklebt werden. Die mögliche Folge: Entzündungen, Schuppen, Haarausfall.

Die Kunden wollen und zahlen mehr

Und auf die Kopfhaut konzentrieren sich auch die neuen, grünen, sehr angesagten Haarpflegelinien. Beispielsweise "Luxury Hair Care" von Elizabeta Zefi, einer Münchner Friseurin, die ihre Produkte gemeinsam mit Stefanie Wirnshofer, Inhaberin einer PR-Agentur, entwickelte.

Auslöser war, dass Wirnshofer während ihrer Schwangerschaft von den vielen Warnungen verunsichert war: Bloß keine Sulfate, Parabene oder Silikone im Shampoo! Doch wie aufmerksam sie die Beipackzettel auch studierte, es blieb die Unsicherheit. Die beiden Frauen produzierten lieber ihre eigene Haarpflegelinie, die natürlicher und schonender sein sollte als herkömmliche Produkte.

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Die Zefi-Linie, die neben verschiedenen Shampoos und Conditionern auch Haarsprays und Kuren umfasst, entwickelt sich gerade zum Überraschungserfolg für die kleine Firma. Als Insidertipp unter Beauty-Redakteuren wird das "Detox Serum" und das "Hair Growth Shampoo" gehandelt, das anscheinend sogar das Haarwachstum anregt. Da es die Kopfhaut nicht versiegelt, sondern durch Zugabe von Kräutern sogar stimuliert, soll das Haar im Gegensatz zu den gängigen eineinhalb Zentimetern im Monat um ganze fünf Zentimeter wachsen.

Das macht die Produkte trotz stolzer Preise (Serum 72 Euro, Shampoo 35 Euro) heiß begehrt. Tatsächlich fühlt sich das Haar nach der Wäsche voller an - das Shampoo schäumt angenehm, duftet fein nach Pfefferminze, und sogar die Spender sind hübsch geraten. Keine Spur von Öko-Muff.

Dass Zefi, Wirnshofer und ihrem Chemiker bei der Firmengründung natürliche Alternativen zu Mineralöl zur Verfügung standen, war einfach gutes Timing: Inzwischen können die Öle durch milde Substanzen aus Aminosäuren, Zucker- oder Kokostensiden ersetzt werden, die biologisch abbaubar sind.

Genau davon profitieren auch die drei deutschen Gründer von "Brooklyn Soap Co." - einer natürlichen Pflegelinie speziell für Männer, die sämtliche Inhaltsstoffe aus Deutschland bezieht. Auch ihre Haar- und Bartlinie ist auffällig schön anzusehen - schlichtes weißes Etikett auf braunen Apothekerflaschen. "Naturkosmetik, die heute überzeugen will, muss hip aussehen, gut wirken und gut riechen. Und zwar nicht nach Kräutercocktail, sondern angenehm pflegend", sagt Elfriede Dambacher.

Grüne Haarproduktlinien wie Rahua, John Masters Organics oder Green People tragen dem ebenfalls Rechnung. Die bereits etablierten schicken Naturlabels wie Aveda, Davines und Origins hatten von Anfang an auf ein neues Image gesetzt. Aber auch altbekannte Naturmarken, die bisher nur in Biomärkten zu haben waren, haben ihr Verpackungsdesign in den vergangenen Jahren erneuert.

Ein notwendiger Prozess, denn die Erwartung der Konsumenten hat sich völlig geändert. "Früher durfte eine Naturcreme noch fettig sein. In den Achtzigerjahren ging es darum, die Welt zu retten. Egal, was aus der Tube kam", sagt Dambacher. "Heute erwartet ein Konsument von einem Naturkosmetikprodukt, dass es hundertprozentig funktioniert, genauso wirkt wie andere und dabei den Zusatznutzen Natur hat. Es soll weder einen selbst noch den Planeten belasten. Das ist ein sehr hoher Anspruch."

Daher lesen sich die Ingredienzien von natürlichen Shampoos auch wie ein Leitfaden zu einem Kräutergarten. Extrakte aus der Blüte Quillaja sollen Juckreiz mildern und Schuppenflechte lindern. Hafer stärkt langes Haar ("Hafer Aufbau-Kur" von Weleda, etwa zehn Euro), Extrakte aus der Guarana-Pflanze regen angeblich die Durchblutung an ("Natural Aktiv Shampoo" von Speick, etwa sechs Euro), während Neembaumblätter entzündungshemmend wirken sollen (Dr. Hauschka, etwa 18 Euro).

Ein ruhiges Gewissen gibt es bei diesen Produkten sozusagen inklusive, und das ist besonders jungen Menschen zwischen 15 und 35 Jahren wichtig. Je komplexer die Welt wird, desto mehr konzentrieren sie sich auf ethisch korrekten Konsum. Kein Wunder also, dass auch große Kosmetikkonzerne wie Henkel oder L'Oréal mittlerweile versuchen, grüner zu werden. Ein gutes Gewissen ist zwar eine feine Sache. Umso besser, wenn es auch ein gutes Geschäft ist.

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