Möbelmesse Köln:Zurück zur Feuerstelle

  • Im Rahmen der Möbelmesse gastiert in Köln die Verkaufsausstellung "Living Kitchen".
  • Die Küchen werden größer, die Technik ausgefeilter - doch der neue Hype ums Essen kommt nur selten tatsächlich in unseren Küchen an.
  • Modulare Designstudien finden schon eher ihre Entsprechung in der modernen Wohnwirklichkeit.

Von Laura Weissmüller, Köln

Es ist die Verbindung von Gut und Böse, was der nette Herr von Miele auf der Kölner Möbelmesse als Weltneuheit präsentiert. Es ist: ein Dampfgarer mit Mikrowelle. Wen die Kombination nicht weiter irritiert, der hat die Kämpfe um die vermeintlich gesundheitsschädlichen Strahlen der Mikrowelle nicht mitbekommen - und auch nicht das Loblied auf die schonende Zubereitung von Speisen dank Wasserdampf. Doch die Technik macht es möglich: Fernost trifft Fastfood in der Küche des 21. Jahrhunderts.

Was die Technik sonst noch alles möglich machen soll, das versucht man in Köln bis zum Wochenende auf mehreren Quadratkilometern vorzuführen. Alle zwei Jahre gastiert dort während der Möbelmesse "Living Kitchen". Der Name der Ausstellung ist Programm, denn so viel Betrieb dürften die gewaltigen Kücheninseln und Massivholzschränke in ihrem wirklichen Leben nicht erfahren: Die polierten Stahloberflächen und teuren Holzplatten sehen nicht so aus, als sollte darauf auch gekocht werden. Deutlich macht das auf der Messe das Heer an Hostessen, die nonstop damit beschäftigt sind, jegliche Soßenspritzer und Gemüseschnipsel wegzuwischen, die Showköche zurückgelassen haben.

In der Realität braucht es dieses Schauspiel gar nicht: Unsere Küchen mögen größer werden, die Technik darin mag ausgefeilter sein - dass wir darin mehr kochen, geschweige denn Zeit verbringen, heißt das nicht. Lieblingsbeschäftigung Nummer eins der Deutschen ist das Fernsehen. Seit 25 Jahren steht diese Freizeitgestaltung an der Spitze. Die neue Lust am Essen, gar am Kochen erschöpft sich bei manchen im Griff nach neuen Kochbüchern, die in letzter Zeit eine gewaltige Zuwachsrate erfahren haben. Auch das Versprechen der immer beliebter werdenden Wohnküchen, in denen sich Wohn- und Essbereich annähern, erfüllt sich in der Realität nicht. Denn dort wäre zwar Platz für große Tafelrunden, doch die Deutschen sprechen immer weniger Einladungen aus. "Häufiger Gäste einladen" steht nur auf ihrem Wunschzettel. In den blank gewienerten Oberflächen unserer Großküchen spiegelt sich also offenbar ein Selbstbetrug: Wir wären gerne sozialer, aber wir sind es nicht.

Das Kochen soll unsichtbar werden

Dazu passt der immer aufwendigere Versuch zu verstecken, dass es sich hier um Küchen handelt. Geräte lassen sich nicht nur per Smartphone bedienen, sie sollen sich am besten gleich ganz unsichtbar machen. Vornehm löst das eine Spülmaschine, die sich nach sanftem Klopfen von selbst öffnet. Sehr viel aufwendiger sind die neuen Dunstabzugshauben, die sich in der Herdfläche versenken lassen. Denn dann drängt sich unterhalb des Kochfelds eine Geräteschaft mit den Ausmaßen eines Minikraftwerks. Was dort unten für den Benutzer unsichtbar bleibt, macht ein anderer Messestand offenkundig. Für seine gigantischen, mit Stein ummantelten Kochinseln wirbt er mit dem Slogan: "Willkommen in der Steinzeit des 21. Jahrhunderts". Und genauso fühlt man sich, denn wer bitte schön braucht all diese Hightech-Riesen-Küchen in Zeiten von steigenden Singlehaushalten und Mobilitätsansprüchen?

Wirklich überzeugende Ideen für das Kochen von morgen finden sich auf der Kölner Möbelmesse dagegen kaum. Es sind höchstens zweieinhalb. Eine halbe steckt in "Vooking", der ersten "Modell-Küche" für vegetarisches Kochen. Stefan Radinger und Mario Zeppetzauer haben sie entworfen. Es gibt einen Getreideschrank, der mahlt, einen Schrank, wo sich Gewürze und Gemüse anbauen lassen, auch eine spezielle Spüle, wo Sprossen und Keime wachsen können. Nur: Wie notwendig ist eine solche Erfindung, wenn Millionen Vegetarier bislang problemlos auch ohne ausgekommen sind?

Module für mehr Gemeinschaftsgefühl

Radikal dagegen ist der "Cooking Table" von Moritz Putzier. Im Prinzip ist der Entwurf nur ein simpler Esstisch mit integrierter Kochstelle. Auf einer Schiene können bei Bedarf Gaskochmodule eingespannt werden. "Die Zubereitung soll wieder Teil des gemeinsamen Essens sein", sagt Putzier. Er wolle "die Feuerstelle zurück ins Zentrum bringen". Ähnlich mobil und genauso überzeugend ist "ChopChop", die Küche von Dirk Biotto. Die schlanke Küchenzeile hat Biotto so entworfen, dass sie auch gebrechliche und eingeschränkte Menschen benutzen können. Dosen lassen sich mit einem Schraubstock fixieren, Obst oder Gemüse so, dass man es auch nur mit einer Hand schneiden kann, eine Reibe ist in die Arbeitsfläche eingelassen. Es gibt zahlreiche Produkte für hilfsbedürftige Menschen, aber kaum eines kommt so charmant und leicht daher wie diese Küche. "Viele behindertengerechten Gegenstände schreien förmlich, du musst mich benutzen, weil du krank bist", sagt Dirk Biotto. Das wollte er nicht. Seine 90-jährige Oma hat ihn zu dem Entwurf inspiriert.

Beide Küchen sind die Abschlussarbeiten an Kunsthochschulen. Dass sie jemals über den Prototypen-Status hinauskommen, ist eher unwahrscheinlich. Lieber bastelt die Möbelindustrie an der immer aufwendigeren Ausstattung von längst überholten Lebensentwürfen - und Weltfluchten. Da passt es, dass auf dem Rest der Messe egal ob bei Stuhl, Sessel oder Sofa der Trend zu runden weiblichen Formen, zu tiefsinkenden Polstern und griffigen Retrostoffen unübersehbar ist. Nicht ganz zufällig dürfte auch der Ohrensessel ein Revival feiern: Innen weich gepolstert, außen hart verschalt, suggerieren seine Micky- Maus-Ohren den besten Schutz vor der Welt da draußen.

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