Möbel:Ein Liebes-Sessel für Singles

Möbel: Der Loveseat: Retro-Trend der Romantik.

Der Loveseat: Retro-Trend der Romantik.

(Foto: Olivia Bauso/Unsplash)

Geschrumpftes Sofa oder breiter Sessel? Der Loveseat ist ein Zwischending, das sich neuerdings großer Beliebtheit erfreut.

von Max Scharnigg

Pünktlich zum vergangenen Valentinstag verriet die britische Möbelverkaufsplattform Swoon einen überraschenden Bestseller aus ihrer Produktpalette - sogenannte "Loveseats" hätten beim Absatz zuletzt um mehrere Tausend Prozent zugelegt, verglichen mit den Vorjahren, so die Firmenmeldung. Die Google-Statistik für Großbritannien und auch Deutschland bestätigt diesen Ansturm annähernd: Die Zahl der Suchanfragen nach dem Begriff "Loveseat" hat tatsächlich in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen und steht heute auf einem Höchststand, während das Wort 2005 noch so selten in Suchfenster eingegeben wurde, dass es nicht mal registriert worden war.

In dem auf junge Käufer zugeschnittenen Sortiment von Swoon sind dann auch außergewöhnlich viele Variationen solcher Loveseats zu finden. Bei der derart bezeichneten Möbelgruppe handelt es sich nicht um frivole Accessoires im Schlafzimmer, sondern um extrakleine Sofas oder leicht überdimensionierte Sessel, je nach Design und Standpunkt des Betrachters. Die Sitzfläche ist jedenfalls meistens so bemessen, dass zwei Menschen darauf zwar rechnerisch nebeneinander Platz finden könnten, dabei aber keine Angst vor Körperkontakt haben sollten. Meistens bedeutet es in der Wohnpraxis aber einfach nur: ein kleines Sofa für eine Person.

Und auch wenn sie bisweilen an die Pärchensitze im Kino erinnern - der neue Erfolg dieser Minisofas hängt wohl eher nicht mit dem Valentinstag zusammen, sondern unromantisch mit dem, was die Soziologen heute als Lock-in-Effekt bezeichnen: Das flächendeckende Verweilen von Mietern in zu kleinen Wohnungen, das den rasant steigenden Mietpreisen und dem allgemein schwierigen Wohn- und Immobilienmarkt in den meisten Großstädten geschuldet ist. Chronisch wenig Wohnplatz ist ja mittlerweile das verbindende Element einer ganzen Generation geworden. Und weil sich daran auch mittelfristig nichts ändern dürfte, muss sich eben erst mal die Einrichtung anpassen. Die üppigen Couchlandschaften der Eltern, auf denen sich zwei Erwachsene lang machen konnten und dazwischen auch noch der Nachwuchs Platz hatte, sind jedenfalls mit den Grundrissen und Lebensentwürfen vieler Urbanisten nicht kompatibel.

Ungewöhnliche Proportionen

Gleichzeitig ist aber das Interesse an gewitzter Einrichtung und schönem Wohnen anhaltend groß. Auch deshalb stehen die kleinen Sofas wohl derart in der Gunst der Interior-Shopper - oft ist ihr Design auffälliger und ein bisschen knalliger als das bei einer 15-Quadratmeter-Liegelandschaft der Fall wäre. Sie sind schnell gekauft, leicht auf- und umgestellt, und auch bei Farbe und Muster ist man auf gestauchten 120 Zentimetern gerne etwas mutiger als auf dreieinhalb Metern.

Loveseats sind also Hingucker in jeder Wohnung, gerade weil ihre Proportionen auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich wirken. Man setzt damit Pointen und macht sein Zuhause opulenter und kuschliger, was allen Minimalismus-Tendenzen zum Trotz immer noch angesagt ist. Außerdem ist ein Winzsofa ja auch schon wieder irgendwie minimalistisch. Und zwar eben nicht nur im Wohnzimmer - weil sie so wenig raumgreifend sind, lassen sich diese speziellen Fauteuils durchaus auch im Flur, in der Küche oder in schwierigen Ecken platzieren und machen das Rumfläzen an ungewohnten Orten möglich. Die heilige Zweisamkeit von Sofa und Fernseher ist ohnehin längst zerbröckelt, wichtiger ist heute vielerorts ein Platz, an dem man in Ruhe die Phones und Pads beäugen kann - dazu sind die bequemen Sitznischen und Samtecken gerade richtig. Als Klamottenabwurfstelle taugen sie natürlich auch hervorragend.

Es sind einfach die perfekten Möbel für Singles und digitale Nomaden

So zeitgemäß das Objekt also erscheinen mag, die Loveseats sind keineswegs eine Erfindung dieses Jahrtausends. Schon im 17. Jahrhundert gab es - noch ungepolsterte - Vorläufer dieser erweiterten Stühle, die mit ihrem verbesserten Platzangebot bald von den Damen bei Hof geschätzt wurden, als passender Landeplatz für ihre ausufernde Garderobe. Denn um gut drapiert zu sitzen, war für die üppigen Roben ein bisschen mehr Fassungsvermögen notwendig. Etwas später bezeichnete der Ausdruck Loveseat dann auch neckische Doppelsitze, die in Form einer Acht gestaltet wurden und in denen zwei Menschen sozusagen in unterschiedlicher Fahrtrichtung saßen, aber trotzdem tête-à-tête nebeneinander waren, ohne die Knie zwischen sich zu haben. Das ist eigentlich eine sehr angenehme Sitzposition für eine ebenso gepflegte wie sittsame Plauderei, die leider nicht mehr sehr verbreitet ist.

Loveseat - Loveseat

Loveseat

Die britische Traditionsfirma Ercol, deren Stühle mit gedrechselten Stäben als Lehne bis heute zur Pflichtausstattung in britischen Landhäusern gehören, stellte dann im Jahr 1955 eine kurze Bank als hölzernen Loveseat vor, die mit ihren 117 Zentimetern Länge heute ein Klassiker und sozusagen die erste moderne Interpretation dieses Möbelstücks ist. Lange Zeit erfuhren die geschrumpften Sofas aber keine allzu große Beachtung, es war ja auch immer genug Platz in den Wohnungen. Erst in den letzten 15 Jahren und etwa gleichzeitig mit dem Comeback der aus ähnlichen Gründen neu geschätzten Ohrensessel, nahmen sich Hersteller und Designer auch des Loveseats wieder an. Schließlich ist es, anders als der Name vielleicht suggeriert, auch das perfekte Möbel für die stetig wachsende Zahl der Singlehaushalte und digitaler Nomaden. Zweier Zielgruppen also, die nicht allzu viel Wert auf familientaugliche Polstergebirge legen.

Mehr als 60 zeitgenössische Interpretationen des Loveseats verzeichnet das Gestaltungsarchiv architonic.com mittlerweile, mit ganz unterschiedlichen Formsprachen - es gibt Loveseats aus künstlichem Geflecht für den Garten, mit Baldachin oder hochgezogenen Seitenwänden, um eine wirklich ganz intime Nische zu schaffen, aus Bugholz mit Geflecht im Rücken, als Sitzsack, als Thron oder eben einfach nur als Metallbank mit ausgeformten Sitzschalen - für zwei Hintern, ganz nah beinander.

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