Süddeutsche Zeitung

Modezirkus zu Rocklängen:Ene, mene, midi

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Wie viel Bein darf sein? Derzeit gut eine halbe Wade. Midi ist die beste Erfindung seit dem Synthesizer und herrlich unkompliziert. Über kurz oder lang gibt es auch andere Alternativen.

Von Lena Jakat

"Das passiert jetzt auf meine Verantwortung", sagte die Ladenbesitzerin und nahm eine große Schere. Sie stand in ihrem Brautmodengeschäft hinter meiner Freundin, die das perfekte Brautkleid trug. Naja, fast perfekt. Bis auf ein bisschen zu viel Stoff am Rock. Und so schnitt die Brautmodenverkäuferin schnippschnapp das Zuviel ab und machte aus dem fast perfekten das perfekte Kleid.

Solche Beherztheit und/oder die erforderlichen Schneiderkompetenzen fehlen den allermeisten im Alltag. Sie müssen mit dem arbeiten, was rockwärts im Schrank hängt: der erweiterte Jeansgürtel, der Sexy-Secretary-Schlauch mit Magenschmerz-Garantie, das hippe Walle-walle-Sommer-Gewand. Aber wie lang jetzt wann? Und wo?

Knietief in der Arbeit

Damit sich darin ungehindert durch Aktenberge waten lässt, empfiehlt sich fürs Büro klassischerweise Kleid oder Rock, die etwa bis zum Knie reichen. "Der Rock darf höchstens eine Handbreit über dem Knie enden", sagt Stilberaterin Janine Katharina Pötsch, "er sollte niemals kürzer sein". Knieumspielend heißt dabei nicht, dass das Kleidungsstück besonders flattrig um die Beine weht und der Saum in den Kniekehlen kitzelt, sondern bezeichnet den Korridor der bürogeeigneten Rocklängen, der von besagter Minimalkürze bis eine Handbreit unters Knie reicht. Dieser klassische Rahmen bietet auch bei förmlicheren Freizeitvorhaben wie Hochzeiten oder Cocktailpartys eine zuverlässige Orientierungshilfe. Besonders elegant nimmt sich die nach unten hin zulaufende V-Form eines Bleistiftrocks aus. Sie verrät allerdings mitunter auch mehr als ein Blick in die Kundendatei des Fitnessstudios.

Lang, länger, weiterwachsen

Wer Modezeitschriften durchblättert, gewinnt bisweilen den Eindruck, auch dieser Sommer würde bevölkert von Elfen auf dem Weg zum Yoga-Intensivkurs. In diesem Jahr fließen und wallen viele Kleider bis zu den Knöcheln ihrer Trägerinnen hinab. Maxikleider, mal in Hippiemädchen-Romantik floral, mal im Stil der weltreisenden Stadtelfe mit Ethnomustern bedruckt. In drückender Sommerhitze können sie durchaus eine angenehm luftige Alternative zum kurzen Kleidchen sein, zumal für alle, die ihre Knie und Schienbeine nicht für sonderlich vorzeigbar halten.

Das Problem: Das mit der elfengleichen Anmut funktioniert - abgesehen vielleicht von Peter Pans Freundin Glöckchen - erst ab einer bestimmten Körpergröße. "Für Maxi-Kleider muss man mindestens 1,70 Meter groß sein", sagt Stilberaterin Pötsch. "Solche langen Kleider stauchen sehr und machen kleine Frauen noch kleiner".

Wer kleiner ist und nicht die fantastische Fähigkeit besitzt, den umgekehrten Oskar Matzerath zu machen und einfach noch ein Stückchen zu wachsen, dürfte sich freuen, dass gerade eine äußerst schmeichelhafte Rocklänge im Trend liegt: die mittlere nämlich.

Sonnig, sinnvoll, schlicht

Wie seine Namensvetter, das sonnige Südfrankreich und die digitale Musikschnittstelle, ist der Midi eine äußert sinnvolle Erfindung. Denn diesen alles andere als mittelmäßigen Rock, der mindestens das Knie aber auch schon mal das obere Schienbeindrittel bedeckt, kann prinzipiell jeder tragen.

Das gilt umso mehr für die leicht ausgestellte A-Form, wie sie gerade angesagt ist. "Sie ist für Frauen mit etwas mehr Hüften und vielleicht etwas kräftigeren Beinen praktisch, um das ein bisschen auszugleichen", sagt Stilberaterin Pötsch. "Ich würde das Oberteil dazu immer so wählen, dass der Abschluss des Rockes zu sehen ist." Zu einem wildgemusterten Midi-Rock passt also ein schlichtes, einfarbiges Shirt gut, das in den Bund gesteckt wird. "Will man nichts allzu figurbetontes tragen, lässt man es eben ein bisschen lockerer", sagt Pötsch. In der Schuhfrage ist so ein mittellanger Rock herrlich unkompliziert und lässt sich mit Pumps ebenso stilsicher ein wie mit spitzen Ballerinas.

Wenn die Röcke dann irgendwann wieder kürzer werden, kann man immer noch zur Schere greifen. Bis dahin dürfte noch genug Zeit vergehen, um Nähkurse zu belegen.

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