Ladies & Gentlemen:Total verfranst

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Es troddelt und zottelt auf den Laufstegen: Fransen gehören zu den wichtigen Stil-Details im Jahr 2022. Hier zwei eindrucksvolle Beispiele, was da auf uns zukommt.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Für sie: Revue en passent

Kurzes Sommer-Intermezzo zur Erhebung der Laune: Es franst mal wieder! Regelmäßig lässt die Mode ihrer Obsession mit sogenannten Fringes freien Lauf, und macht so das Leben komplizierter, als es ohnehin schon ist. Entweder hängen feine Kordeln dicht aufgereiht an 20er-Jahre-Silhouetten und springen aufs Allerkomischste an den falschen Stellen auf, weil diese Schnitte nun mal nichts für weibliche Körper tun. Oder flatternde Bänder, Troddeln und sonstige Fringe-Varianten winden sich dramatisch von der Brust abwärts bis auf den Boden. Überflüssig zu erwähnen, dass das nur in der Theorie in der Bewegung gut aussieht, weil Wind nicht immer macht, was das Outfit will, und die Stolpergefahr nicht unerheblich ist, ebenso wenig wie das Risiko, an einem anderen Fußgänger hängen zu bleiben. Barfuß wäre eine Möglichkeit, allerdings wird die Frau dann schnell mit einer Nymphe verwechselt, die gerade einem algigen Waldteich entstiegen ist. Warum ergeben Fransen trotzdem Sinn? Weil sie etwas Theatralisches haben. Sie lassen jede Bewegung der Frau noch mal Revue passieren, sind also die Hupfdohlen unter den Textilverschönerungen. Dieser zurückgenommene Entwurf von Gabriela Hearst ist auch für Anfänger geeignet: Die Fransen laufen nur so an der Seite mit, verheddern aber nicht gleich die ganze Frau. Falls man ein Haustier hat, stehen die Chancen übrigens gut, dass es genau deswegen endlich mal bei Fuß läuft. Mit nichts spielen Katzenpfoten ja wohl lieber als mit Fransen! Mehr Revue war nie! Zumindest nicht in der Fußgängerzone.

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Für ihn: Vorhang frontal

Sieht man von Tassel-Loafers und der baumelnden Schnürung des Kapuzenhoodies mal ab, haben Fransen in der Herrenmode eigentlich keine besondere Bedeutung. Lederjacken mit Streifenvorhang an den Armen dürften ja schon eher in den Bereich Faschings- oder Spezialbekleidung fallen, für Menschen mit ausgeprägter Rodeo-Neigung. Sicher, die Krawatte ist strenggenommen auch eine Solo-Franse am Hals, ist dort aber in den meisten Fällen so eingebaut, dass sie nicht lustig im Luftzug der Klimaanlage flattert. Davon abgesehen also, sind die meisten Männer geneigt, auf zusätzliche Fransen zu verzichten. Denn es ist immer gut, das Gesamtbild so wenig flatterhaft wie möglich zu gestalten und die äußere Erscheinung ordentlich aufzuräumen - man ist schließlich innerlich schon Künstler genug, wie Thomas Mann einmal sinngemäß schrieb. Männer trachten auch eher selten danach, einzelne Körperbewegungen aufreizend zottelnd zu unterstreichen oder mit ein paar zusätzlichen Girlanden ihrem Auftritt einen festiven Anstrich zu verleihen. Auf den Laufstegen haben Troddeln und Fransen zuletzt trotzdem im pandemischen Ausmaß auf die Herrenmode übergegriffen - wenn auch nicht immer so imposant wie bei diesem Oberteil des jungen französischen Designers Benjamin Benmoyal. Dieser Entwurf zeigt aber sehr schön, was so ein frontaler Fransenteppich vermag - egal, wie streng urban der Träger auch dreinschaut, der Look wirkt heiter bis Ethno und sorgt sicher im ganzen Aerosol-Verbreitungsbiet für fröhliche Gesichter. Fransen als Gemütsweichmacher in verkrampften Zeiten? Gute Idee, vielleicht.

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