Modekampagne:Calvin Klein erntet kalkulierte Empörung

Modekampagne: Einblick unter den Rock - Provokation oder Schlimmeres?

Einblick unter den Rock - Provokation oder Schlimmeres?

(Foto: Quelle: Instagram/Calvin Klein)

Der Modemacher provoziert mit einer sexistischen Kampagne - und alle tun ihm den Gefallen und regen sich auf.

Von Violetta Simon

Die Fashion-Gemeinde ist in Aufruhr: Diesmal sei er wirklich zu weit gegangen, König der Unterhosen hin oder her. Die aktuelle Kampagne von Calvin Klein zeigt einen Slip auf Instagram. So weit so gut - ist ja schließlich das Kerngeschäft des Labels. Doch der Slip verbirgt sich eigentlich unter dem Rock einer jungen Frau. Er wird nur sichtbar, weil der Fotograf die Perspektive eines Voyeurs einnimmt und dem Model von unten zwischen die Beine fotografiert.

Die Kampagne zitiert ein Phänomen, das derzeit die Nutzer der New Yorker U-Bahn aufregt, das so genannte Upskirting. Dabei fotografieren Unbekannte ahnungslose Frauen auf der Rolltreppe oder an anderen öffentlichen Orten unter den Rock, ohne dass diese es merken. Der Manhattener Staatsanwalt hat eine Socia-Media-Kampagne auf Twitter gestartet, die potenzielle Opfer auf die Gefahr aufmerksam macht: "dass sie ohne Erlaubnis fotografiert werden".

Doch die Kampagne zeigt nicht nur den Blick unter Klara Kristins Rock. Sie zeigt die Models Kendall Jenner, Abbey Lee Kershaw und Saskia de Brauw dabei, wie sie entweder eine aufgeschnittene Grapefruit in die Kamera halten, als Allegorie des weiblichen Geschlechts. Oder beide Hände in ihrem Calvin-Klein-Höschen vergraben. Und dann ist da noch dieses Po-Selfie, ein so genanntes #belfie, auf dem ein weiblicher Hintern in umgedrehten Calvin-Jeans abgebildet ist. Doch keine der abgebildeten Szenen versetzt die Crowd derart in Aufruhr wie das Foto von diesem Slip aus der Froschperspektive.

Die Macher der Fotostrecke gaben ihrem Werk den nicht sehr subtilen Titel "Erotica" - damit auch dem Ahnungslosesten klar wird, dass der Betrachter sich jetzt erregen sollte. Und siehe da, die Öffentlichkeit tut dem Mode-Konzern den Gefallen: Sie setzt die Social-Media-Maschinerie in Gang und empört sich.

Die Aufnahme würde Spanner animieren, schreibt jemand, oder Vergewaltigung verharmlosen. Andere befürchten, das Foto könnte hauptsächlich Pädophile ansprechen - das sähe aus wie eine Zwölfjährige, heißt es unter anderem in den Kommentaren auf Instagram über die 23-Jährige.

Zwar gibt es Stimmen, die die Aufregung nicht verstehen oder den Aufnahmen gar einen ästhetischen Wert abgewinnen können. Doch die Mehrheit findet es offenbar genauso mies, dass ein Modelabel von sexueller Ausbeutung profitieren möchte, wie die Ausbeutung an sich.

"Sex sells" funktioniert immer noch

Dabei folgen Calvin-Klein-Werbekampagnen seit jeher nur einer Regel: Sex sells. Der Trick ist alt, doch wie man sieht, funktioniert er immer noch. Die größere Überraschung wäre es, wenn Calvin Klein genau das einmal nicht täte. Mode hat schon immer provoziert, sie war nie politisch korrekt. Sie spielt mit frauenfeindlichen Klischees und vergegenständlicht Frauen als Sexobjekte - darüber darf, ja, muss man sich empören.

Aber in kollektive Schnappatmung zu verfallen, weil ein Modelabel mit Posen zu provozieren versucht, um in aller Munde zu bleiben und seinen Umsatz zu steigern, ist kontraproduktiv. Bei der ganzen Aufregung gibt es nur einen Gewinner: das Unternehmen Calvin Klein. Eigentlich hätte auf den Fotos stehen sollen: "Danke für Ihre Aufmerksamkeit".

Stell Dir vor, einer wirbt - und keiner regt sich auf: Keine Reaktion, das wäre die angemessene Reaktion auf "Erotica". Stärker kann man den Urheber einer solchen Kampagne nicht strafen. Dann hätten wir Zeit für sinvollere Proteste. Zum Beispiel gegen die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, die es sich nicht ausgesucht haben, dass man sich an ihrem Anblick aufgeilt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: