Mode:Vom Laufsteg in den Laden

Burberry stellt das altgediente Schauen-System auf den Kopf: Zwei Schauen soll es nur noch pro Jahr geben. Andere Modehäuser wollen nachziehen. Was das für Branche und Kunden bedeutet.

Von Dennis Braatz

Manche sagen, es sei ein Beben. Andere sprechen sogar von einer Revolution, die Burberry am vorvergangenen Freitag angezettelt hat. Von September an will das britische Modehaus seine Frauen- und Männerlinie in einer gemeinsamen Kollektion zeigen. Auch die Zwischenkollektionen werden integriert. Schauen gibt es dann nur noch zweimal anstatt viermal im Jahr. Dafür wird all das, was auf dem Laufsteg zu sehen ist, unmittelbar danach in den Geschäften verkauft. Entsprechend zeitnah werden dann auch die Werbekampagnen in Print- und Online-Medien geschaltet.

Um zu verstehen, was daran bahnbrechend ist, muss man erst einmal wissen, wie Kollektionen und Modenschauen bislang funktioniert haben. Am besten gleich am September-Beispiel, in diesem Monat präsentieren die Designer nämlich immer ihre Kollektionen für den nächsten Sommer. Sie tun das deshalb so frühzeitig, weil in den Tagen nach der Schau die Einkäufer der internationalen Stores bestimmen, welche der gezeigten Kleidungsstücke sie für ihren Kunden ordern wollen und welche nicht. Nach ihrer Bestellung geben die Modehäuser dann die jeweiligen Stückzahlen in Auftrag. Im März und April werden die Geschäfte beliefert. In der Zwischenzeit produzieren Magazine mit den Kollektionsteilen Modestrecken, die dann parallel zum Saison- und Verkaufsstart veröffentlicht werden.

In der Vergangenheit hat dieses System deshalb so gut funktioniert, weil es unter Ausschluss der Öffentlichkeit operierte. Designer, Einkäufer und Redakteure: Das war ein kleiner elitärer Kreis von Eingeweihten, der die Modewelt regierte. Bis das Internet kam, mit seinen Bloggern und Social Models. Sie machten das Geschehen auf dem Laufsteg erstmals für jedermann zugänglich, indem sie Fotos in Echtzeit durchs Netz jagten - und auf einen Schlag konnte alle Welt mitdiskutieren. Das kam so gut an, dass inzwischen auch Einkäufer, Redakteure und Designer in den Sozialen Medien mitmachten. Problematisch daran ist nur: Die Bereitschaft der Kunden, auf die gerade erst gesehene Mode sechs lange Monate warten zu müssen, sinkt. Noch problematischer: Fast-Fashion-Ketten wie Mango und Zara haben die Kollektionen heutzutage kopiert und in die Läden gehängt, längst bevor die Originale geliefert werden. Viele Designer (auch Christopher Bailey bei Burberry) haben deshalb ihre Auslieferungstermine vorgezogen, für die Sommerkollektion zum Teil bis in den Januar, also mitten im Winter. Parallel lancieren sie immer mehr Zwischenkollektionen, um dem Kunden ständig Neues bieten zu können. Der Druck auf die Luxusmarken und ihre Designer ist damit gestiegen - so sehr, dass der gefeierte Raf Simons bei Dior kündigte, weil ihm das System zu schnell geworden war.

Burberrys radikaler Schritt kommt für viele jetzt wie ein Befreiungsschlag daher. Weitere Häuser haben ähnliche Konzepte angekündigt. Tom Ford will seine Kollektionen ebenfalls nur noch direkt nach der Show verkaufen, Chloé probiert es vorerst mit seinen Zwischenkollektionen. Demna Gvasalia vom Label Vetements versucht immerhin, bis zur Auslieferung der Kollektion nur noch ein paar Wochen verstreichen zu lassen. Paul Smith setzt auf weniger Kollektionen, und auch er will die Frauen- und Herrenlinie zusammenlegen.

Die Schauen werden zu Verkaufs-Events, auf den Rängen: nur noch Kunden

So einfach ist das aber alles nicht. Schließlich müssen Einkäufer und Redakteure die Kollektion nun schon lange vor der Schau gesichtet haben. Wer soll sonst entscheiden können, welches Kollektionsteil in welcher Stückzahl in welchen Geschäften angeboten wird? Welche Teile sollen für Modestrecken fotografiert werden, für welche Ausgabe? Wo doch die Anzeigenkampagnen direkt nach der Schau in Magazinen geschaltet werden!

Ganz schön vertrackt. Zumindest was die Einkäufer angeht, hat man bei Burberry vorgesorgt. Sie werden nun stärker in den Entstehungsprozess der Kollektion eingebunden und bekommen Vorab-Termine in den Showrooms. Für die Redakteure gibt es noch keine vergleichbare Lösung. Fest steht aber schon mal, dass sich alle miteinander die Schauen an sich in Zukunft sparen können. Die werden immer mehr zu reinen Verkauf-Events verkommen - auf den Rängen sitzen dann irgendwann womöglich nur noch Kunden und Blogger.

Bei Chloé scheint man dagegen den kleinen Kreis der Eingeweihten schützen zu wollen. Neben den Einkäufern sollen die Kollektionen hier auch den Redakteuren früh genug präsentiert werden. In "One on One"-Terminen, zu denen Designerin Clare Waight Keller empfängt, um ihre neuesten Looks an Models einzeln erklären zu können. Elitärer geht es im Prinzip nicht mehr.

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