Mode:Trendmotor Topshop

Mode: Die Topshop-Filiale in London ist ein Geschäft der Superlative.

Die Topshop-Filiale in London ist ein Geschäft der Superlative.

(Foto: Kim Jakobsen)

Samtschlaghosen, bauchfreie Hoodies, Bodys mit Rollkragen: Topshop aus Großbritannien eröffnet die ersten Filialen in Deutschland. Was macht den Erfolg der Marke aus?

Von Dennis Braatz

Mittagspause am Oxford Circus. Vorm Friseur wartet eine Gruppe Schülerinnen, um sich Boxer Braids flechten zu lassen, die streng an der Kopfhaut entlangführenden und gerade sehr angesagten Zöpfe von Kampfsportlerinnen. Daneben zerren Kinder ihre Eltern an den neuen Pan-N-Ice-Stand, wo man zuschauen kann, wie in einer auf Minusgrade runtergekühlten Pfanne Eis gemacht wird.

Drei Schritte weiter im Nagelstudio lässt sich eine Geschäftsfrau im Kostüm roten Lack im Eiltempo auftragen. Man sollte meinen, dieses Rushhour-Treiben passiert rund um Londons berühmte Kreuzung von Regent und Oxford Street. Dabei ist es in einem einzigen Modegeschäft zu beobachten: Topshop.

"Wir nennen es unser Mutterschiff", sagt Kate Phelan. Die Kreativdirektorin der Modekette dreht sich dabei im Kreis und erklärt jedes einzelne der Extra-Angebote. Sie sind meist nicht größer als ein paar Quadratmeter und fallen zwischen den Kleiderstangen und Auslagen mit Accessoires auf den ersten Blick kaum auf. Da wären noch ein Café, ein Tresen für Muffins und Cupcakes, ein Piercer und ein paar Sitzplätze zum Haareaufföhnen. "Manche Leute bleiben hier den ganzen Tag. Können Sie sich das vorstellen?" Nein, schwer vorstellbar. Außer die Leute haben sich verlaufen und finden nicht mehr raus.

Das "Mutterschiff" ist der größte Ableger der 1964 gestarteten Marke. 1994 eröffnete der Mammutshop, inzwischen misst er knapp 9200 Quadratmeter, erstreckt sich über drei Stockwerke und hat 194 Umkleidekabinen. Auf seiner Ladenfläche werden vom kleinen Ohrstecker bis zum Kleid mit Volantärmeln mehr als 9000 verschiedene Produkte angeboten.

Ungenutzte Fläche oder gar Platz zum Durchatmen gibt es nicht. Sobald ein Meter frei ist, wird er mit Schaufensterpuppen oder Leuchtschrift ausgefüllt, um noch mehr Waren präsentieren und bewerben zu können. Hintergrundmusik? Auf Partylautstärke hochgedreht. "Das kann schon anstrengend sein", ruft Phelan, als sie an einem Lautsprecher vorbei geht. Die Reizüberflutung ist gewünscht. Inzwischen empfehlen sogar diverse Reiseführer den Besuch im Shoppingtempel als wichtiges London-Erlebnis.

Hier ist man trendorientierter als bei der Konkurrenz

Die meisten Menschen, die das Geschäft aufsuchen (knapp 400 000 pro Woche), kommen wegen der Mode. Topshop gehört mit Zara oder H&M in das Segment Fast Fashion, bietet also schnell und günstig produzierte Kleidung an. Im direkten Produktvergleich ist Topshop häufig etwas teurer als die Konkurrenz. Bardot-Tops gibt es für 32 Euro, Palazzohosen für 68 Euro.

Vor allem aber ist Topshop trendorientierter: Samtschlaghosen, bauchfreie Hoodies, Bodys mit Rollkragen - was hier gerade an der Stange hängt, ist erst vor Kurzem auf Blogs und Laufstegen, an Influencern oder in Clubs aufgetaucht. Bald werden es alle anderen Marken verkaufen. Das macht Topshop interessant für eine junge und modebewusste Zielgruppe, nach eigenen Angaben ist die Kundin zwischen 18 und 35 Jahre alt. Selbst in den hohen Kreisen der Luxusmode ist Topshop inzwischen anerkannt als Trendmotor und Indikator für den Zeitgeist.

In Großbritannien betreibt die Marke knapp 300 Verkaufstellen, weltweit sind es mehr als 620. Obwohl es hierzulande lange Zeit keinen Store gab, ist Deutschland für den Onlinehandel von Topshop schon länger der zweitgrößte Exportmarkt in Europa. Mitte November eröffnete das erste Geschäft in Berlin, am Donnerstag kommender Woche folgt nun München.

Fair und transparent soll die Produktion sein

Große Teile seines Erfolgs hat Topshop Kate Phelan zu verdanken. 2011 kam sie in das Unternehmen. Davor war sie Co-Kreativdirektorin bei der britischen Vogue, wo sie nach wie vor beratend tätig ist. Gerade kommt sie von einer Konferenz des Magazins. "Zwei Tage hier, zwei Tage dort", sagt sie. "Das passt mir eigentlich ganz gut. Ich brauche ständig was zu tun." Phelan trägt anthrazitfarbene und leicht ausgewaschene Jeans, die am Saum ausfransen, dazu ausgetretene Latschen und ein grau-weiß gestreiftes Herrenhemd. Sie scheint keiner dieser aufgeregten Modemenschen zu sein, sondern jemand, der einfach seinen Job macht.

Als Kreativdirektorin entwirft Phelan selbst keine Kollektionen, ist aber im Austausch mit dem Designteam, sie gibt Anregungen, macht Verbesserungsvorschläge. Sie ist für die Werbekampagnen und jeden einzelnen Videoclip zuständig, castet die Models und stellt zusammen, was sie tragen sollen. Außerdem ist sie für die Laufstegauftritte verantwortlich. Topshop ist während der Londoner Modewoche der einzige Fast-Fashion-Anbieter mit eigener Show. Dank guter Kontakte zur Branche traben zum Termin seit jeher nicht nur die It-Girls aus Mayfair an, sondern auch die wichtigsten Redakteure der Stadt. Das hat die Grundlage geschaffen für eine gewisse Modekompetenz, die über die von Zara oder H&M weit hinausgeht.

Mode: Kreativdirektorin Kate Phelan.

Kreativdirektorin Kate Phelan.

(Foto: PR)

Darüber hinaus ist Topshop häufig schneller als seine Konkurrenten, wenn es um die Fertigung neuer Teile geht, die gerade gefragt sind. Entwerfen, produzieren, ausliefern: Bei einfachen Kleidungsstücken geht das in sechs Wochen. Aktuelles Beispiel sind weiße T-Shirts mit Sprüchen wie "Her" oder "Girls Girls Girls". Feminismus ist zwar schon länger ein Lifestyle-Trend, "aber kaum kommen die T-Shirts rein, sind sie eigentlich auch schon wieder weg", sagt Phelan.

Bei Produkten, die gut laufen, wird sofort nachgelegt. Das geht, weil Topshop Teil der Arcadia-Gruppe ist, eines britischen Textilkonzerns, der 2002 vom Unternehmer Sir Philip Green erworben wurde. Neben Topman (dem männlichen Pendant von Topshop, das meist gleich nebenan angeboten wird) gehören Labels wie Dorothy Perkins oder Miss Selfridge zum Portfolio. Dahinter steckt ein riesiges Produktionsnetzwerk, das mit einem Nachhaltigkeitsprogramm möglichst fair und transparent gehalten werden soll.

Was am Ende beim Kunden zählt, ist natürlich auch die Verarbeitung. Was nützt das coolste Teil zum erschwinglichen Preis, wenn es nach einem Mal Waschen schon die Form verliert? Phelan sagt: "Für unser Segment bieten wir die bestmögliche Qualität." Soll heißen: Die meisten Topshop-Teile sind eh nicht für ein ganzes Leben gedacht, sondern als kurzweilige Ergänzung im Kleiderschrank. Irgendwann wird es auch mal mit dem Feminismus-Trend vorbei sein, und dann braucht es eben neue Sprüche.

Wobei es im Sortiment durchaus langlebige Teile gibt. Allen voran die Jeans. Sie gehören zu den Bestsellern und den derzeit am stärksten wachsenden Produktgruppen. Vergangenes Jahr ging alle zehn Sekunden ein Paar über die Ladentheke.

Ebenfalls immer beliebter wird laut Kate Phelan das "Private Shopping." Dabei kann sich der Kunde von einem eigenen Verkäufer im abgetrennten Ruhebereich die gewünschten Kleidungsstücke bringen und zeigen lassen. "Vielleicht ist das auch für alle gut, denen es auf der Verkaufsfläche mal zu viel wird", sagt sie. Obwohl es nur im Mutterschiff am Oxford Circus richtig wild zugeht. "Woanders machen wir nicht so viel Wirbel."

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