Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Black und Leder

Ein schwarzer Ledermantel ist immer ein exzentrisches Kleidungsstück, bei Männern noch mehr als bei Frauen. Das ändert sich auch nicht, wenn er von Luxusmarken über die Laufstege geschickt wird. Oder?

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Lässig abledern

Huch, man kannte den Ledermantel als ernst gemeinten Teil einer Garderobe ja eigentlich nur noch aus den Matrix-Filmen. Die Modeindustrie war in den letzten Jahren aber auch schwer damit beschäftigt, die Umwelt mit dem sogenannten Öko-Leder zu verpesten, also Kleidungsstücken aus Plastik, die entfernt an echtes Leder erinnern sollten. Mitnichten ist das ja nur ein Abfallprodukt der Fleischindustrie. Wieso ist das ungenierte Tragen einer riesigen Tierhaut jetzt also wieder salonfein? Die poetische Erklärung wäre, dass die Welt wieder Superhelden braucht. Die Wahrheit ist aber, dass Kleider schon lange keine Leute mehr machen. Weswegen der wahre Grund wohl banaler ist: Dieses ständige Schwitzen in PVC lässt einfach kein luxuriöses Lebensgefühl aufkommen. Das sollte allerdings bei einer solchen Investition bitte mitgeliefert werden - egal ob die Kosten für das Teil drei- oder vierstellig waren. Dieses unwiderstehliche Lebensgefühl setzt sich aus vielen Komponenten zusammen: einerseits aus dem Wissen, dass Leder für immer ist, mit den Jahren die Form des Besitzers annimmt und man Flecken und Kratzer dem eigenen schlechten Gewissen als Patina verkaufen kann. Andererseits sorgt die ständige Angst vor Regen und Garderobendieben für den angemessenen Thrill im langweiligen Bürgerleben. Dieses tolle Modell von Prada ist nicht aus butterweichem Nappa, sondern schwer, und es hat breite, überschnittene Schultern. Man wirft es über glänzende Seidenlooks und wirkt gleich viel lässiger, als man ist. Die Welt rettet man damit allerdings nicht.

Für ihn: Hilfe, der Leatherman!

Es gibt wenige Kleidungsstücke, die dem Betrachter ernsthaft und körperlich Unbehagen bereiten. Ein schwarzer Ledermantel gehört aber auf jeden Fall dazu. Jedenfalls würde man sich nicht sofort glücklich schätzen, wenn dieser Herr jetzt über einem einzieht, oder? Es ist natürlich etwas albern, aber irgendwie schwingen in diesen Kleidungsstücken Verschwörungs-Eskapismen genauso mit wie schädliches Einzelgängertum oder gleich effiziente Vernichtungsfantasien. Das liegt weder am Leder allein noch an der Farbe, erst die Kombination ist auf nicht zu beschreibende Weise unheilvoll. Wobei dieses Modell von Bottega Veneta ja eher in Richtung osteuropäischer Geheimdienst oder erste Staffel "Sopranos" tendiert und durch das ordentliche Revers und die doppelte Knopfreihe etwas weniger brutalistisch wirkt als die lang aufklaffenden Pendants. Und natürlich ist klar, dass Teile der schwer begreiflichen, modeinteressierten Jugend aktuell solche Sachen auf ihren Wunschzettel für Weihnachten schreiben werden - wuchtige Mäntel, die aussehen, als hätte sie Opa schon mal für die Heilsarmee rausgestellt. Vielleicht muss man derlei aber wirklich mal getragen haben, um fair zu urteilen: Ein paar Quadratmeter Kalbsleder als Outer Shell um den Leib gewickelt verleihen zweifellos einen gewissen Halt, gerade für einen jungen Menschen im aufziehenden Krisenwinter. Aber muss es schwarz sein? Und wie vermeidet man diese schrecklich kraftlosen, herabhängenden, leinwandgroßen Rückenfalten, die jedem Mann im Ledermantel einen Buckel andichten?

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