Ladies & Gentlemen:Weit und breit

Baggy, bitte! Die Hosenmode für den Winter ist gewaltig und großzügig geschnitten. Eigentlich ganz praktisch, denn wer friert schon gern in Skinny-Jeans?

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Die neue Unterweite

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(Foto: Hersteller)

Einer der häufigsten Suchbegriffe auf Tiktok, der Trendplattform für junge Leute, lautet: Return to Size 0. Gerade hatte man sich ja wegen der Kardashians den Po brasilianisch liften lassen (Fachbegriff: Brazilian Butt Lift), und jetzt hört man davon, dass ebenjene Botschafterinnen der gefakten Body Positivity plötzlich dünn sein wollen, ja sich sogar gerade von ihren riesigen Allerwertesten getrennt haben (man kann den BBL wohl auch abnehmen beziehungsweise rückgängig machen). Und so ist auch automatisch wieder die Rede vom Comeback der Skinny Jeans, also jenen Beinkondomen, die eigentlich nur an Kate Moss gut aussahen. Ist es also wieder so weit, und Frauen starren sich gegenseitig neidisch in den Schritt wie in den Nullerjahren, als die sogenannte Thigh Gap das ultimative Statussymbol war? Natürlich nicht im wahren Leben. Eine sehr angesagte Jeans in diesem Winter ist glücklicherweise auch die Baggy-Variante, hier zu sehen von Frame (über netaporter.com). Sie sitzt hoch in der Taille, ist am Bein sehr weit und wird am besten mit etwas nerdigen Schuhen, zum Beispiel runden Mokassins, getragen, um dem Ganzen einen leicht intellektuellen Anstrich zu geben. Die Wahrheit ist natürlich mal wieder, dass auch diese scheinbar so harmlose Hose umso lässiger aussieht, je rappeldürrer die Trägerin ist. Da hilft nur der Proportionen-Trick: je gigantischer die Hose, also die Konfektionsgröße, umso winziger wirkt der Po. Oder man pfeift auf diese völlig veralteten Ideale einfach und trägt die Baggy-Hose als Skinny-Jeans.

Für ihn: Das neue Beinkleid

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(Foto: Hersteller)

Zu den schlimmsten modischen Alltagserscheinungen der letzten Jahre zählen Männer mit aufgepumptem Oberkörper, aber kurzen, kraftlosen Beinen, die in Wurstpellen-Jeans konisch auf nackte Knöchel auslaufen. Das strapazierte Wort Witzfigur, da passt es wirklich mal. Man sieht diesen Typus immer noch, Elasthan und Skinny-Jeans haben den Irrweg dauerhaft asphaltiert. Vielleicht muss man die neue "Wide leg"- Mode deshalb als Gegenmaßnahme verstehen und zugeben, dass viele Männerbeine doch gut etwas mehr Verhüllung vertragen als weniger. Und die männliche Anatomie verlangt ja ohnehin eher nach Großzügigkeit denn nach Quetschungen. Optisch wirken die neuen, von oben bis unten weit ausschwingenden Hosen, hier ein Modell von Celine Homme, aber auch erst mal gewöhnungsbedürftig. Wobei der weite Hosenschnitt grundsätzlich die traditionelle Herrengarderobe auf seiner Seite hat. Adenauers Hosen schwangen auch weit! Die Beweggründe für den aktuellen Trend dürften allerdings andere sein: Einerseits haben Oversized-Silhouetten und brutalistische Elemente die Modemacher ja schon in den letzten Jahren ausgiebig beschäftigt, die Hose hat aber noch gefehlt. Andererseits erzeugt derart fußweites Beinkleid eben genau das: den Effekt eines Beinkleides, was wiederum gut zur anhaltenden Verwischung der Geschlechtergrenzen passt. Allerdings sind dafür, wie auch zu Adenauers Zeiten, leichte Stoffhosen eigentlich die elegantere Wahl. Denim macht den Look dann doch immer etwas schwerfällig und den weitbehosten Mann optisch schnell zu einer Mischung aus Schluffi und Harlekin.

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