Mode:Marktlücke: Haute Couture für Muslime

Mode: Eine Brücke zwischen Nahem Osten und Europa: Die Kollektion von Jonathan Toulouse können auch Nicht-Muslime tragen.

Eine Brücke zwischen Nahem Osten und Europa: Die Kollektion von Jonathan Toulouse können auch Nicht-Muslime tragen.

(Foto: Jonathan Toulouse)

Tiefe Ausschnitte, kurze Röcke, transparente Stoffe: Das ist für gläubige Musliminnen tabu. Deshalb soll es bald eine neue Modekategorie geben: Pret-A-Cover.

Von Bianca Hofmann

Am Ende belohnte das Publikum der New York Fashion Week ihren Mut mit tosendem Applaus: Anniesa Hasibuan ließ keines der Models ohne Kopftuch auf den Laufsteg. Die indonesische Designerin legt großen Wert auf die muslimische Tradition. Vor gerade einmal einem Jahr gründete die 30-Jährige ihr Modelabel - inzwischen ist sie in der Szene bekannt für ihre extravaganten Abendkleider, verziert mit aufwendigen Stickereien und goldenen Bordüren. Auf der Fashion Week präsentierte sie dann ihre erste Ready-to-Wear-Kollektion mit weitgeschnittenen Seidenhosen und bodenlangen, gemusterten Umhängen.

"Muslimische Kunden wurden auf dem Modemarkt lange ausgegrenzt. Es wird Zeit, dass sie wahrgenommen werden", fordert Alia Khan, Vorsitzende des Verbands Islamic Fashion and Design Council, der zwischen muslimischen Designern und Modeunternehmen vermittelt. Khan schätzt die Kaufkraft von muslimischen Kunden im Bereich Mode auf 500 Milliarden Dollar. Ein enormes Marktpotenzial, das in den kommenden Jahren weiter wachsen werde: 60 Prozent der muslimischen Bevölkerung seien unter 30 Jahre alt, wollten sich modern und zeitgemäß kleiden, aber gleichzeitig die Regeln ihres Glaubens einhalten.

Enspanntes Shoppen für Musliminnen

Um diese Kunden zu erreichen, hat Alia Khan "Pret-A-Cover" entwickelt, eine Modelinie, die den muslimischen Regeln entspricht und Kleidung für jeden Anlass anbietet. Von Mitte 2017 an soll es in Geschäften überall auf der Welt Abteilungen für muslimische Mode geben, wo man vom bodenlangen Abendkleid bis zum Ganzkörperbadeanzug alles kaufen kann.

"Shoppen ist für muslimische Frauen oft frustrierend, weil Oberteile zu viel Dekolleté zeigen oder Hosen zu enganliegend geschnitten sind", erklärt Khan. Die Pret-A-Cover-Mode soll diese Probleme lösen, indem bei der Produktion muslimische Kleidungsregeln berücksichtigt werden: lange Ärmel, weite Schnitte, keine transparenten Stoffe.

Ein traditionelles Kleidungsstück, das vor allem von Musliminnen auf der arabischen Halbinsel getragen wird, ist die Abaya. Ein bodenlanger, meist schwarzer Umhang, der meist mit einem schwarzen Kopftuch kombiniert wird. Der französische Designer Jonathan Toulouse gründete im Januar 2015 das Modelabel "Ajane" und spezialisierte sich auf Abayas. Die handgenähten Einzelstücke aus schwarzer französischer Seide, mit aufwändigen Stickereien und Swarovski-Kristallen, entstehen in einer kleinen Werkstatt in Paris.

Haute-Couture-Abayas auch für Nicht-Muslime

Bisher verkaufte Toulouse seine maßgeschneiderten Haute-Couture-Abayas für etwa 8000 Euro an wohlhabende Privatkundinnen aus Kuwait, Katar, Saudi-Arabien und den Emiraten. Nun möchte der 29-Jährige seine Kreationen auch auf dem Modemarkt anbieten, und zwar nicht nur im Nahen Osten, sondern auf der ganzen Welt. "Der Markt für muslimische Mode wächst von Jahr zu Jahr, das motiviert mich. Außerdem können auch Nicht-Muslime Abayas tragen."

Jonathan Toulouse träumt davon, seine Kollektionen im Pariser Luxuskaufhaus Galeries Lafayette zu verkaufen. Allerdings entwickeln sich in Europa gerade negative Vorurteile gegenüber muslimischer Kleidung. Burka, Niqab und Burkini sind in der politischen Diskussion zu Symbolen der Unterdrückung von Frauen im Islam geworden. Die CSU bezeichnete die Burka kürzlich sogar als "Uniform des Islamismus".

Alia Khan ist schockiert, wenn sie solche Sätze aus Deutschland hört. Sie gibt zu bedenken, dass Frauen, wenn sie in die bei Muslimen als heilig geltende Stadt Mekka pilgern, auch keinen Gesichtsschleier tragen dürften und ruft gleichzeitig zur Toleranz gegenüber verschleierten Frauen auf: "Den Kopf zu bedecken ist nicht nur im Islam üblich. Niemand würde einer Nonne den Schleier herunterreißen."

Auch große Modemarken haben die Marktlücke inzwischen entdeckt

Die muslimische Bloggerin Mahdiya Tatjana Rogalski, die vor acht Jahren zum Islam konvertierte, ist der Ansicht, es werde viel zu viel über ein Stück Stoff diskutiert. Sie findet es positiv, dass Designer spezielle Mode für Muslime kreieren, auch wenn sie der Meinung ist, dass das nicht unbedingt notwendig sei: "Bei den aktuellen Modetrends kann man alles gut kombinieren, und wenn ein Oberteil einen zu tiefen Ausschnitt hat, zieht man eben etwas drunter oder wirft einen Schal über."

Inzwischen entwickelt sich für muslimische Frauenmode langsam ein Markt, in dem auch große Modemarken wie Dolce und Gabbana, Donna Karan oder Zara mit beispielsweise speziellen Ramadan-Kollektionen mitmischen wollen. Anniesa Hasibuan war die erste indonesische Designerin, die ihre Kreationen nun auf der New York Fashion Week präsentieren durfte.

Dass sie auf ihre Mode stolz ist, merkt man ihr an: "Meine neue Kollektion ist schlicht und zugleich elegant", sagt sie der Jakarta Post. "Alle Frauen, die sie tragen, sollen sich jeden Tag wie eine Prinzessin fühlen."

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