Mode:Lieber einen Donald Duck als einen Trump auf der Brust

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Immer häufiger kooperiert Disney mit namhaften Modedesignern - zum Beispiel Gucci, wo es für Herren einen Pullunder mit Donald-Duck-Motiv gibt. (Foto: Getty Images Entertainment)

Disney vermarktet seine Welt als den glücklichsten Ort der Welt und hat damit nicht nur bei Kindern Erfolg. Donald Duck findet sich jetzt auch auf Pullundern für erwachsene Männer.

Von Dennis Braatz und Silke Wichert

Bei Guccis Männerschau neulich in Mailand hatte man ihn nun wirklich nicht erwartet - ist er doch sonst eher in seichteren Gewässern unterwegs. Nach knapp der Hälfte tauchte er aber plötzlich auf: Donald Duck, auf dem Pullunder eines Models. Die Zuschauer quiekten beim Anblick des alten Bekannten vor Entzücken. Werden erwachsene Männer demnächst allen Ernstes mit einer Comic-Ente auf dem Bauch durch die Gegend laufen?

Allem Anschein nach: ja. Zumindest ist die Resonanz auf den Donald-Duck-Pullunder in den sozialen Netzwerken bisher überwältigend. Eine College-Jacke mit ihm gibt es auch noch. Und so ganz allein wären die Männer ja nicht - die Frauen können derweil Designerhandtaschen mit MickyMaus-Ohren von Coach oder Röcke mit "Dschungelbuch"-Print von Kenzo kaufen. Von Jimmy Choo gibt es Cinderella-Pumps. Das Disney-Fieber scheint die Mode voll erfasst zu haben.

Designern wird bei solchen Anwandlungen in der Regel unterstellt, sie hätten zu viele Zeichentrickfilme gesehen. Oder sie selbst erzählen von ihrer grenzenlosen Kindheitsliebe zu Micky Maus & Co. und wie ihnen neulich auf einem Flohmarkt ein alter Comic in die Hände fiel, der sofort mit in die Kollektion einfließen musste. Der Stoff für rührende Geschichten - die bisweilen clever inszenierte Märchen sind.

Disney ist in der Vergangenheit bereits Designkooperationen mit Labels wie Givenchy und Gucci eingegangen. Kenzo (Bild) etwa brachte eine "Dschungelbuch"-Kollektion heraus. (Foto: Kenzo)

Der Fantasie überlassen sie bei Disney nämlich schon lange nicht mehr viel. "Es wirkt vielleicht zufällig, und das ist das Schöne daran, auch wir gehen auf die Brands zu", sagt Ute Stauss, Director Fashion & Home, Consumer Products & Retail bei Disney in München. Sie kümmert sich für den deutschsprachigen Raum um die Vermarktung der Lizenzrechte, vom Strampelanzug bis zur Kaffeetasse. Das Geschäft mit der hochpreisigen Mode nimmt nicht den Hauptteil ihrer Arbeit ein, aber es ist für den Konzern aus Kalifornien immens wichtig geworden.

"Micky Maus darf nicht einfach ein neues Outfit tragen"

In letzter Zeit geht Disney verstärkt auf Designer zu, meistens, wenn neue Filme vermarktet werden müssen. Kenzos "Dschungelbuch"-Kollektion kam in den Handel, als auch die Neuverfilmung des Klassikers in den Kinos anlief. Für "Cinderella" hat letztes Jahr nicht nur Jimmy Choo entworfen, sondern auch Salvatore Ferragamo, Stuart Weitzman und Nicholas Kirkwood.

Der Konzern legt seine Kooperationen nicht nur international an, sondern auch national: So hat gerade erst das Berliner Label Kaviar Gauche für den deutschsprachigen Raum ein paar märchenhafte Kleider vorgestellt, passend zum Start des zweiten Teils von "Alice im Wunderland". "Hier funktioniert die Mode als Unterstützung für einen Film", sagt Stauss.

Wie eine Kollektion auszusehen hat, wird im Vorfeld bis ins kleinste Detail besprochen. Einerseits gibt es allgemeine Richtlinien: "Zum Beispiel darf Micky Maus nicht einfach so ein neues Outfit tragen." Dass Tommy Hilfiger der Comic-Figur vor ein paar Jahren seinen Preppy-Look überstreifte, ist eine absolute Ausnahme.

Andererseits werden bei Disney jede Saison aufs Neue sogenannte Styleguides entwickelt: "Wir überlegen, wie eine Figur zum aktuellen Trend XY aussehen könnte und welche Farben dazu passen." Die fertigen Guides können den Designern dann als eine Art Inspirationsquelle dienen - damit sie sich nicht aus Versehen zu weit weg von der Disney-Welt bewegen. "Ganz selten kommt es vor, dass wir den Vorschlag eines Designers mal nicht freigeben können", sagt Stauss. "Da liefern wir dann aber auch Alternativvorschläge." In München beschäftigt der Konzern dafür ein eigenes Designteam.

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Wenn also bald die Modemagazine voll sein werden von Geschichten zum "Megatrend Micky" und "Fairytale Fashion"-Fotogalerien, dann war das ein ziemlich genialer Schachzug von Disney.

Disney weiß, wie man das Maximum aus seinen Helden herausholt

Es kommt auch vor, dass Firmen bei Disney anklopfen, um gemeinsame Sache zu machen. Zum Beispiel Malaika Raiss: 2015 brachte die deutsche Designerin Ketten und Ohrringe mit "Star Wars"-Motiven auf den Markt. "Ich bin großer Fan der Reihe und wollte das unbedingt machen. Alle dachten, das wird nie was, aber am Ende habe ich die Lizenz bekommen", erzählt sie.

Für Disney war die Zusammenarbeit verlockend. "Star Wars" ist ein klassisches Männerthema, Malaika Raiss hat es erstmals weiblich interpretiert - und war damit so erfolgreich, dass der Vertrag für ihre Kooperation gerade verlängert wurde. Und Gucci, der italienische Luxusriese? Hat ums Copyright für Donald Duck gebeten.

Die Geschäftstüchtigkeit ist den Comicfiguren schon in die Wiege gelegt worden. Es gibt eine Skizze des alten Walt Disney, die der Firmengründer 1957 anfertigte und die heute im Archiv des Unternehmens lagert: seine Theorie zur optimalen Wertschöpfungskette. Die Filme stehen dort im Zentrum, doch um sie herum zeichnete er ein dichtes Geflecht mit anderen Bereichen, die sich alle gegenseitig beeinflussen und ergänzen sollten: Bücher, Comics, Musik, ein Vergnügungspark - und natürlich Merchandising-Artikel.

Disney wusste schon damals, wie man das Maximum aus seinen Helden herausholt. Wie recht er damit hatte, zeigte sich nach seinem Tod 1966. Die neue Unternehmensführung vernachlässigte die Kernkompetenz und drehte weniger Zeichentrickfilme. Doch ohne die niedlichen Figuren geriet die Wertschöpfungskette ins Straucheln, die Besucherzahlen im Disneyland gingen zurück, das Geschäft mit den Lizenzen schrumpfte.

Mitte der Achtzigerjahre stand der Konzern kurz vor der Zerschlagung durch Investoren. Erst der neue Chef Michael Eisner besann sich auf die ursprüngliche Strategie und investierte wieder massiv in animierte Filme, etwa in "Arielle, die Meerjungfrau" oder "König der Löwen". In den folgenden Jahren wuchsen die Einnahmen aus dem Lizenzgeschäft um das Achtfache.

Mittlerweile hat Disney auch noch Pixar, die Marvel-Superhelden und Lucasfilm inklusive der "Star Wars"-Figuren aufgekauft. Micky, Nemo, Superman, Spiderman, Darth Vader - alle gehören jetzt zur selben Familie, die in schöner Dagobert-Duck-Manier ordentlich abkassiert. 2015 erzielte Disney einen Jahresumsatz von knapp 52,5 Milliarden Dollar. Davon gingen 4,5 Milliarden auf das Konto der Consumer Products.

Wie das Geld fließt, ist eigentlich leicht erklärt: Wer von Disney die Erlaubnis erhält, ein Motiv für ein Kollektionsteil zu verwenden, muss für jedes verkaufte Stück einen Anteil an den Konzern zahlen. "Das ist die sogenannte royality rate", erklärt Ute Stauss. Man kennt das vom klassischen Lizenzgeschäft, das für Disney lukrativer werden kann, je renommierter die Modemarken werden. Stauss spricht vom sogenannten "Trickle-down-Effekt" und dem berühmten Givenchy-Beispiel.

2013 druckte der Designer Riccardo Tisci das Bambi auf Sweatshirts des edlen Labels. "Plötzlich war das Bambi in aller Munde und wurde auch von vielen anderen Marken aufgegriffen." Bedenkt man, dass jede einzelne dieser Marken, wie etwa H & M, dafür mit Disney ja wiederum einen Vertrag schließen musste, dann dürfte die Mode für den Konzern kein schlechtes Geschäftsfeld sein. "Sicherlich machen die Spielwaren bei den Consumer Products den größten Bereich aus, aber wir hinken nicht arg hinterher", sagt Stauss. Genaue Zahlen bleiben aber geheim.

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Ein Nostalgie-Trip ins Paradies der Kindheit

In einem Zeichentrickfilm würde Micky Maus jetzt wahrscheinlich demonstrativ den Kopf schief legen und sich mit den Fingern im weißen Handschuh zwischen den großen Ohren kratzen: Dass Kinder bereitwillig in Pluto-Flip-Flops steigen, ist ja verständlich. Aber warum wünschen sich Frauen jenseits der Pubertät ernsthaft Cinderella-Pumps? Das Geschäftsmodell, mit dem sich der Kinderkonzern Disney hier ziemlich genial einen Weg zur Erwachsenen-Zielgruppe geschlagen hat, läuft scheinbar unbemerkt vor den Augen der Konsumenten ab.

"Walking down memory lane" heißt der Nostalgie-Trip im Englischen, den wir nur zu gern mitmachen, weil er uns für kurze Zeit ins Paradies der Kindheit zurück entführt - als die Welt noch in Ordnung und nicht so schrecklich kompliziert war.

Je komplexer die Lebensumstände, je unsicherer die Zeiten, desto mehr suchen die Menschen Zuflucht in der Vergangenheit. Hinzu kommt die ebenfalls wenig stabile Lage der Modeindustrie, die so sehr an Tempo zugelegt hat, dass die neuen Kollektionen von heute schon mit den allerneuesten von morgen konkurrieren. In dem Wust von Produkten funktionieren bekannte Figuren wie kleine Anker, an denen man sich festhalten kann.

Eine der stärksten Marken 2016

Die meisten Mittvierziger mit Goofy-Pullover von Loewe würden sicher betonen, dass dieser "Statement"-Sweater freilich nicht ganz ernst gemeint ist, sondern mit einem Augenzwinkern getragen wird. Aber in der Mode wird gerade so viel gezwinkert, dass man sich allmählich die Augen reibt: Hasenpullover bei Prada, ausverkaufte Elefanten-Täschchen von Loewe - alles was niedlich und freundlich ist, wird ein Erfolg bei den Kunden. Frei nach dem Motto: Die Welt da draußen ist schon böse genug!

Den trotteligen, aber grundguten Donald dürften die meisten also lieber auf der Brust tragen wollen als etwa das Konterfei seines Namensvetters, der gerade versucht, US-Präsident zu werden.

Laut einer Studie der Londoner Analysten Brand Finance hat es Disney sogar auf Platz eins der "Stärksten Marken 2016" geschafft. Disney vermarkte sich als "der glücklichste Platz der Welt" - was die meisten Kunden als zutreffend empfänden.

Nach Kenzo, Givenchy und Gucci fehlt nur noch Chanel

Wie passend diese Diagnose ist, zeigte die letzte Oscar-Verleihung. Die Schauspielerin Alicia Vikander erschien dort in einem schulterfreien gelben Kleid von Louis Vuitton. Kaum hatte sie einen Fuß auf den roten Teppich gesetzt, begann bei Twitter schon das "Wer bin ich?"-Spiel mit der einstimmigen Lösung: Belle aus "Die Schöne und das Biest".

Louis Vuitton hatte das Kleid nach den Vorstellungen der Schauspielerin extra für sie angefertigt. Und Vikander gab später offen zu, dass die 12-Jährige in ihr immer Belle sein wollte. Ein Happy End gab es bekanntlich auch: Vikander gewann den Oscar als Beste Nebendarstellerin für "The Danish Girl".

Die Rolle für die nächste Film-Schöne ist dummerweise schon besetzt. Emma Watson spielt die Belle in der Neuverfilmung des Disney-Klassikers, der 2017 in die Kinos kommt. Entgehen wird man dem Filmstart vermutlich nicht. Die ein oder andere schöne Designerkooperationen wird uns schon darauf aufmerksam machen.

Die Frage ist nur, mit welcher Marke Disney den bisherigen Erfolg übertreffen will. Nach Kenzo, Givenchy und Gucci fehlt ja eigentlich nur noch Chanel. Findet Disney übrigens auch: "Da sind wird dran", heißt es aus der Deutschlandzentrale. Berührungsängste haben sie in Entenhausen schon lange nicht mehr.

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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