Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Mode für das gute Gewissen

Vorsatz fürs neue Jahr: endlich der umweltzerstörenden Fast Fashion abschwören? Zwei Vorschläge, wie das stilvoll gelingen kann.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Für sie: ein kompostierbarer Rock

Weniger essen, weniger trinken - traditionelle Vorsätze sind immer utopisch. Im Idealfall hat ein stilsicherer Vorsatz sowieso nicht nur etwas mit der eigenen Performance zu tun. Da man als Mensch umwelttechnisch gesehen kaum etwas richtig machen kann und mit jedem Tun Tod und Verderben, also einen ökologischen Fußabdruck hinterlässt, wäre der ultimative Wunsch natürlich, sich gleich ganz aufzulösen.

Aber das Leben ist dafür leider viel zu schön. Weswegen der moderne Großstadtmensch längst laut gerufen hat: Ich kauf gar nix mehr! Richtig so, denn die meisten Leute haben genug im Schrank, um die nächsten Jahrzehnte unbeschadet zu überstehen. Leider ist es mit guten Vorsätzen so: Erst ein paar Tage Hochgefühl wie bei einer Fastenkur. Und dann kommt die Heißhungerattacke.

Statt den Kopf zu verlieren und sich wie ein Suchtkranker billige Drogen bei Zara & Co. zu besorgen, hätten wir eine elegante Alternative: Wie wäre es mit einem Kleidungsstück, das man auf den Komposthaufen werfen kann? Dieser lässige Rock des Labels Aeance wurde von Designer Konstantin Grcic entworfen. Sein Stoff ist aus einer Polyamidfaser hergestellt, die sich auf einer Deponie innerhalb von fünf Jahren in Biomasse verwandelt (das gelingt Polyamid sonst nicht, weil es keine Bakterien reinlässt).

Ein Schicksal, das den Rock aber erst in vielen Jahren ereilen wird: Er zerfällt nämlich nicht gleich nach der ersten Wäsche und ist dank Stretch so bequem, dass die Trägerin alle Diätvorsätze der nächsten Jahre getrost auf die Kippe werfen kann.

Von Julia Werner

Etwas zugespitzt lässt sich sagen: Die gute alte Plastikflasche ist auf dem besten Weg, die Kaschmirziege dieses Jahrhunderts zu werden. Kaum ein junges Modelabel jedenfalls, das zuletzt nicht in irgendeiner Aktion versucht hat, das recycelte Plastik zu verarbeiten und als begehrenswerten Turnschuh oder Windjacke wieder in Umlauf zu bringen. Und sich selbst mit diesen Produkten natürlich einen gleichermaßen innovativen wie umweltzärtlichen Anstrich zu verpassen.

Die amerikanische Vorzeige-Marke Everlane wendet diese Technik seit einiger Zeit und angenehm unaufgeregt für ihre Kollektion an, wie dieser flauschig-recycelte Fleece-Pullover beweist, der aus genau 35 Plastikflaschen hergestellt sein soll. Das alles ist einerseits erst mal sehr löblich und andererseits aber auch nur folgerichtig, wenn man bedenkt, dass es gerade die Fashionbranche war, die in den letzten Jahrzehnten die Plastikflasche so richtig zum Pflicht-Accessoire für gesunde junge Menschen gemacht hat.

Seit etwa 2002 hat man ja kein Model mehr ohne Wasserfläschchen im Arm gesehen. Die Rückstände dieser Wasserträger-Kultur kehren nun also, zumindest zu einem winzigen Prozentsatz, an die Models zurück. Wobei man ehrlicherweise feststellen muss, dass diese nachhaltigen Teile meistens nicht mehr ganz in der Laufsteg-Liga, sondern häufiger im robustem Alltagsdesign spielen, sprich eher: Casual Herrenmode. Den Satz "Schatz, wo ist mein Recyclingpulli?" würden wir trotzdem in diesem Jahr gerne sehr häufig hören.

Von Max Scharnigg

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SZ vom 05.01.2019/eca
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