Die italienischen Mode- und Interiormarken werden gern ein bisschen dafür belächelt, dass sie immer und immer wieder auf ihrer schönen Lebensart herumreiten. Die Landschaft! Das Essen! Diese Menschen! Ja, ja, bella Italia (Politik wird hier natürlich ausgeklammert). Andererseits: Wo fahren wir in Scharen im Sommer hin? Welche Küche schmeckt uns dann doch am besten? Und welche Kleidung und Möbel würden wir uns, wenn wir könnten, am liebsten leisten? Man muss sich nur noch mal den Film "Der talentierte Mr. Ripley" mit Matt Damon, Jude Law und Gwyneth Paltrow anschauen, um sofort nach Ischia und Procida ziehen zu wollen. Auch die Marke Tod's bedient erfolgreich ihre Herkunft. Mit Walter Chiapponi hat sie nun einen Kreativdirektor, der lieber nach vorne schaut und mit seinen Designs eine moderne Version der italienischen Arie spielt. Entsprechend zeigt der gerade bei Rizzoli herausgegebene Bildband Aria d'Italia nicht die ewigen Vintage-Bilder und das alte Dolce Vita auf Capri oder in Mailänder Palazzi, sondern versucht, ein zeitgenössisches Bild des italienischen Lifestyles zu zeichnen. Begleitet und fotografiert wurden junge Unternehmer, die in der Toskana ein "Farm to Table" Restaurant führen, ein Paar, das eine heruntergekommene Villa im Piemont zum Bed and Breakfast restaurierte, ein früherer Modemanager, der jetzt leidenschaftlich an alten Autos schraubt. Künstler, Handwerker und Models erzählen, was für sie heute "typisch italienisch" heißt. Klar sehen die alle toll aus. (Und, auch klar, tragen sie dabei viel Tod's). Aber allein das zypressengrüne Cover wird im tristen Winter auf dem Sofa gute Laune machen ( tods.com).
Mahsa Amini, eine 22-jährige Frau, musste in Iran sterben, weil sie laut Polizei ihr Kopftuch nicht korrekt trug. Seit den Protesten auf den Straßen zeigen auch Künstlerinnen und Künstler weltweit ihre Solidarität. Das Designmagazin Dezeen stellt gerade online eine Sammlung von Illustrationen aus, die auf den Kampf um die Rechte der Frauen aufmerksam machen. Sie sind verstörend, hart und direkt. Der italienische Designer Marco Melgrati zum Beispiel thematisiert in seiner Arbeit das symbolhafte Abschneiden der Haare als Selbstermächtigung: Der Kopf einer Frau mit langem Schopf hängt über einer Schlucht. Ein Mann in Uniform hält sich an ihren Haaren fest, weil er sonst in die Tiefe fallen würde. Die Frau hat eine Schere in der Hand. Sie schneidet ihre Haare ab ( dezeen.com).
Eine Pralinenschachtel von Sawade zu überreichen, gehört in Berlin seit 140 Jahren zum guten Ton. 1880 eröffnete die Confiserie ihre erste Niederlassung Unter den Linden und ist die älteste Pralinen-Manufaktur der Hauptstadt. Jetzt gibt es in Zusammenarbeit mit der Berliner Online-Galerie "Kunst 100" eine auf 100 Stück limitierte Edition mit 20 Pralinen, denen ein Kunstdruck von zeitgenössischen Künstlern und Künstlerinnen beigelegt wird, gewissermaßen als Deckblatt (49 Euro). Ausgesucht wurden dafür etwa ein abstrakt-buntes Formenspiel von Lerke Nennemann oder eine erfrischende Fotografie von Sarah Zak. Pralinen und moderne Kunst: Das ist eine gute Idee, so wird das etwas großmütterliche Geschenk sofort wieder cool, und man hat außerdem noch etwas davon, wenn die Schokolade längst verschwunden ist.
Mit tragbaren Kunstwerken ist es so eine Sache, es hat oft etwas angestrengt Kulturbeflissenes, wenn man mit dem Keith-Haring-Shirt unterwegs ist oder einen Rock mit Botticelli-Print spazieren führt. Das Königliche Museum der Schönen Künste (KMSKA) in Antwerpen hat sich mit dem ebenfalls in der belgischen Hafenstadt ansässigen Label Essentiel Antwerp zusammengetan für eine Modekollektion, die künstlerisch hochwertig und trotzdem cool ist. Was natürlich am Selbstverständnis dieser Marke liegt, die Sachen sind laut, bunt und meistens ziemlich fröhlich. "Welcome to our beautiful chaos" lautet die Selbstbeschreibung auf der Webseite, es dominieren Blütenprints und überraschende Farbkombinationen. Was auch für die Stücke aus der Museumskooperation gilt: knallige Kimonos, strassbesetzte Ohrringe mit Mini-Sonnenblumen, violette T-Shirts mit Madonnen, da sieht der herbstliche Frühnebel doch gleich nur halb so trüb aus ( essentiel-antwerp.com).
Zur Traurigkeit und ihrem Unterhaltungswert gäbe es viel zu sagen, machen wir's kurz: Kommende Woche startet in den Kinos Triangle of Sadness, der diesjährige Gewinner der Goldenen Palme von Cannes. Regisseur Ruben Östlund zieht enormen sarkastischen Witz daraus, eine Luxusyacht sinken und ihre superreichen Passagiere auf einer einsamen Insel stranden zu lassen. Sein Film heißt so, weil Beauty-Chirurgen vom "Dreieck der Traurigkeit" sprechen: Jener Sorgenfalte zwischen den Brauen, die sich Reiche nicht leisten können, weswegen sie sie mit Botox wegspritzen lassen. Eine wohlige Traurigkeit dominiert derweil die Charts in den USA. Der aktuelle Nummer-1-Hit, "Bad Habit" von Steve Lacy kostet die Enttäuschung über eine verpasste amouröse Chance mit lässig verschluffter Melancholie aus. Der Song passt zum dauerhaften Emo-Trend, genauso wie das T-Shirt des dänischen Modelabels Wood Wood: "Sad" steht groß drauf, in Rot auf Weiß, gesetzt in jener Typografie, in der 1987 "Bad" auf dem Hit-Album von Michael Jackson stand. Das Shirt, eine Wiederauflage aus dem Archiv zum 20. Geburtstag des Labels, ist das perfekte Utensil zum Augenzwinkern für alle, die mit ihrem eigenen oder dem allgemeinen Hang zur Traurigkeit gern offensiv umgehen ( woodwood.com).