Mode:Hippe Schlappe

Mode: Einst für Freibad und Urlaub genutzt - heute Streetwear: die Badelatsche.

Einst für Freibad und Urlaub genutzt - heute Streetwear: die Badelatsche.

(Foto: Nabeel Syed/Unsplash)

Was als Badelatsche begann, begeistert heute Stars und Designer auf der ganzen Welt. Über die schier unglaubliche Karriere der Adilette.

Von Jan Stremmel

Die Nachricht klingt unglaublich, aber die Beweislast ist erdrückend: Die mit Abstand meistverkaufte Schuhgattung dieses Sommers ist nicht der Sneaker oder die Riemchensandale. Sondern die Badelatsche. Das hat soeben der große britische Onlinemodehändler Lyst erklärt. Er hält bescheidene 265 verschiedene Modelle vorrätig, darunter die Mutter der Badelatsche, die "Adilette". Das meistverkaufte Modell ist aber eine Gummischlappe von Gucci, für knapp 250 Euro.

Badelatschen in der Öffentlichkeit zu tragen, besonders die Adilette, gilt seit Jahrzehnten als vielleicht das kapitale Modeverbrechen schlechthin. Ihr berühmtester Träger aus der jüngeren Vergangenheit, Mark Zuckerberg, wurde nicht zuletzt ihretwegen 2011 vom Magazin GQ zum "schlechtestgekleideten Mann des Silicon Valley" gekürt. Die Meldung, dass ausgerechnet dieses Proll-Accessoire nun modisch ultimativ angesagt sei, war in etwa so skandalträchtig, als hätte der Kicker vermeldet, dass die Fifa künftig das Handspiel erlauben wolle.

Modekenner waren immerhin vorgewarnt: Auf der Herrenmodewoche in Mailand zelebrierten die Designer vergangenes Jahr die Badeschlappe als wichtigsten Schuh der nächsten Saison. Fendi hatte extra ein Schwimmbecken in den Laufsteg eingelassen. Der damals präsentierte Sommer 2017 nähert sich bekanntlich gerade seinem Ende, und man muss sagen: Die Designer haben recht behalten.

Die Latsche und ihre Designer-Derivate schlappen seit den ersten warmen Tagen durch jeden hippen Stadtteil und jedes Modemagazin: Rihanna schlurft in der Plüschversion von Puma auf Partys. Miley Cyrus flappt mit Gummilatschen zum Shoppen, Gigi Hadid oder Kendall Jenner adilettieren im blau-weißen Original durch Hollywood. Und auch beim deutschen Mode-Onlinehändler Zalando ist man sich einig, dass die Badelatsche der neue "Allzwecksommerschuh" sei.

Adidas veröffentlicht keine Verkaufszahlen zur Adilette, man "freue" sich aber, sagt der Marketingchef, "dass unsere Badeschlappe jetzt auch auf den Catwalks vertreten ist". Was die Designer dort aus dem Original ableiten, ist längst nicht mehr für den Gebrauch am Pool gedacht: Riemen aus Samt, Schlangen- oder Wildleder, dazu Perlen, Pailletten oder Federn. Das Original von Adidas bleibt zwar die hippste Version. Aber nicht jeder möchte riskieren, dass das ironische Zitat falsch verstanden wird.

Ursprünglich hatte die Adilette vor allem eine Funktion: Fußpilz einzudämmen. Anfang der Sechzigerjahre wünschte sich die deutsche Fußballnationalmannschaft von ihrem Ausstatter in Herzogenaurach einen Schuh, mit dem man duschen könne. Einige Spieler ließen ihn daraufhin gleich im Mannschaftsbus an. Das Bild von frisch geduschten Spielern in Sportsocken und Gummischlappen inspirierte den deutschen Campingplatz-Look schlechthin.

Genau diese Socken-Schlappen-Horrorkombi ist nun kurioserweise unter Modeprofis besonders angesagt. Sie folgt einem alten Prinzip der Mode: Was der Normalbürger gerade für wirklich total untragbar hält, wird gerade deshalb zum neuen Ding erklärt. Wer den Insider-Code nicht versteht, gehört halt nicht dazu. Und zu Zeiten, in denen selbst Gesichtstattoos kaum noch jemanden wirklich schockieren, lässt sich mit der Fußpilzschlappe immer noch eine sichere Pointe setzen.

Insofern verdankt die Adilette ihre Rückkehr übrigens der Vorarbeit eines anderen umstrittenen deutschen Schuhs: der Birkenstock-Sandale. Sie hat den mutwillig unvorteilhaft bekleideten Fuß in den vergangenen Sommern sozusagen modisch etabliert. Und weil ein Paar Birkenstock zum Designerkleid in diesem Jahr schon nirgends mehr für Stirnrunzeln sorgen, ist im Ironiekarussell Mode nun eben die Fußballerlatsche dran.

Sie wird übrigens auch noch bleiben: In den Frühjahrskollektionen für 2018 findet man wieder jede Menge Gummi über besockten Füßen. Und sogar Adidas hat neuerdings eine Schlappe speziell für Nicht-Duscher im Sortiment. Sie ist aus Samt.

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