Mode für den Herbst:Wie sich Trendsetter jetzt kleiden

Was Modeprofis uns empfehlen, ist nicht immer dasselbe wie das, was sie selber tragen. Acht Metamorphosen, die jede Fashionista für die nahende Schauen-Saison bereits verinnerlicht hat.

Von Julia Werner

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Streetstyle Day 4 - Mercedes-Benz Fashion Week Spring/Summer 2014

Quelle: Getty Images

Der einzige Soziologe, der sich ernsthaft mit Mode beschäftigt hat, Georg Simmel, fand schon 1905: "Das Wesen der Mode besteht darin, dass immer nur ein Teil der Gruppe sie übt, die Gesamtheit aber sich erst auf dem Wege zu ihr befindet." Im Jahr 2013 ist die Gesamtheit eine bunte Gruppe aus Euro-Trash-Kids, Oligarchengattinnen und Fußgängerzonen-Besuchern - und sie hat aus dem Weg zur Mode einen Highway gemacht. Vor diesem Sommer waren weiße Pumps Dernier Cri. Jetzt gibt es sie bei H&M. Waren Kleider von Alaïa vor einigen Jahren noch Geheimtipp, kaufen sie jetzt nur noch Damen, deren Ehemänner sich mit Adidas-Latschen und Bargeld in der Plastiktüte auf der Boutique-Couch fläzen. Möchte man mit ihnen verwechselt werden? Nein. Und so verändern sich die Codes der abgrenzungsgestressten Mode-Elite auch immer schneller. Eine kleine Einweisung für die kommende Saison.

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Mode für den Herbst:Hermès wird Delvaux

PFW Womenswear SS2013: Street Style Day 4

Quelle: Getty Images

Damit das klar ist: Die Birkin Bag von Hermès wird immer zu den schönsten Taschen der Welt gehören. Für ihre Fans kann ja eine Tasche nichts. Aber leider läuft jetzt selbst Heidi Klum, die pinke Version umklammert, mit ihren "Mädchen" durch den Supermarkt. Was bedeutet: Die Birkin ist längst zum Traum der Masse geworden, die noch nicht mal weiß, warum. Seit einigen Saisons sieht man deshalb immer häufiger eine Tasche an modeversierten Unterarmen baumeln, deren Preis genauso sündhaft ist, während ihr zeitloses Design und ihre luxuriöse Verarbeitung noch relativ unbekannt sind: die MM Brillant von Delvaux, sozusagen das belgische Hermès und Ausstatter bei Königs.

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Mode für den Herbst:Céline wird Cademartori

Street Style Day 5 - MFW F/W 2013

Quelle: Getty Images

Was war das für eine Aufregung, als Designerin Phoebe Philo ihre Vision von Taschen-Perfektion bei Céline präsentierte! Von Wartelisten so lang wie die Chinesische Mauer war die Rede. Heute trauen sich Moderedakteurinnen mit ihrer "Trapèze" kaum noch auf die Straße, denn es gibt nichts Schlimmeres, als in einem Straßencafé die eigene Tasche mit der einer Hausfrau zu verwechseln! Die Modewelt konzentriert sich deshalb längst auf Paula Cademartori. Den Namen der brasilianisch-italienischen Designerin hat bis auf notorische Modemagazin-Leser noch niemand gehört.

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Mode für den Herbst:Louboutin wird Rossi

Christian Dior: Front Row - Paris Fashion Week Haute-Couture F/W 2013-2014

Quelle: Getty Images

Der beste Schuhdesigner der Welt, Manolo Blahnik, sah sich vor einigen Jahren mit einer Durststrecke konfrontiert. Carrie Bradshaw hatte in "Sex and the City" so lange über ihn geredet, dass selbst Bürokauffrauen lässig über "Manolos" plauderten. Gleichzeitig war das die Sternstunde von Christian Louboutin. Verkaufstechnisch sind seine Schuhe immer noch der Renner, allerdings eher in Richtung Tundra. Pumps-Lieferant der Stunde ist zur Zeit der Italiener Gianvito Rossi. Er verdankt das der Göttin der Mode, Carine Roitfeld. Sie fing irgendwann an, ausschließlich "Gianvitos" zu tragen. Und Manolos? Feiern gerade ebenfalls ihr großes Comeback.

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Mode für den Herbst:Hervé Leger wird Negligé

The Championships - Wimbledon 2013: Day Thirteen

Quelle: Getty Images

2008 trugen plötzlich alle "Body-Con". Es war das Comeback des Looks, den in den Neunzigern Gianni Versace erfunden hatte: hautenge Kleider, die 48 Stunden vor Tragen keine Mahlzeit mehr erlaubten. Plötzlich waren auch die sauteuren Stretch-Dresses von Hervé Leger allgemein anerkannter Socialite-Look. Heute denken das nur noch Fußballer-Gattinnen. Was Victoria Beckham ja längst nicht mehr hauptberuflich ist. In Wimbledon zeigte sie sich im brandneuen Cocktail-Code: dem Negligé. Erfunden hat den Look Marc Jacobs bei Louis Vuitton. Ab sofort wird der komplette Modezirkus die feinen Negligés aus dem Schrank holen, in denen in Wahrheit noch nie jemand geschlafen hat, weil Jersey einfach viel bequemer ist.

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Mode für den Herbst:Overkill wird Eleganz

Valentino: Arrivals - Paris Fashion Week Womenswear Fall/Winter 2012

Quelle: Getty Images

Das Kostüm, also das Jacke-Rock-Ensemble, war bisher Frauen mit echten Jobs vorbehalten: Madeleine Albright zum Beispiel. Und jetzt dies: Stil-Experten, die in ihrem Leben weder Autorität noch Seriosität, sondern eigentlich nur gute Laune verbreiten müssen, tragen es wieder! Beatles-Kind und Designerin Stella McCartney wurde schon darin gesehen, auch Super-Model Natalia Vodianova, im weißen Kostüm von Dior. Nun, sie ist als zukünftige LVMH-Erben-Gattin ja auch die neue Première Dame der Mode. Bei all den Schichten-Looks, Outfits mit mindestens 15 Farben, kurz, dem Styling-Burnout der vergangenen Jahre, ist wahre Eleganz plötzlich: der Schocker Nummer eins!

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Mode für den Herbst:Armreifen wird Ring

Streetstyle Day 2 - Mercedes-Benz Fashion Week Spring/Summer 2014

Quelle: Getty Images

Noch mal Hermès: die leicht angestaubten Emaille-Armreifen mit dem H-Verschluss trugen voriges Jahr plötzlich alle, bunt und im Mix mit Cartier. Bis (neu)reiche Kinder die Serie "Rich Kids of Instagram" ins Leben riefen - und ihr Markenzeichen daraus machten: Hunderte Bilder sonnengebräunter Unterarme mit Armreifenhaufen, am Steuer von Ferraris und Porsches! Den Porsche hätte man gerne, die Einstellung aber nicht. Deshalb ist das Herumtragen der Armreifensammlung plötzlich very yesterday. Stattdessen gilt: Je mehr dünne Ringe man an den Händen trägt, desto besser.

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Mode für den Herbst:Biker-Jacke wird Oversize-Mantel

Street Style - Day 2 - Fall 2013 New York Fashion Week

Quelle: Getty Images

Lederjacken im Biker-Look waren irgendwann mal Rebellion, wurden dann von Yves Saint Laurent in den Achtzigerjahren auf den Laufsteg geholt und waren vor ein paar Saisons plötzlich wieder da. Man trug sie lässig zu Jeans oder überm Cocktailkleid, alle Luxus-Labels hatten eine im Angebot. Jetzt hängen die 2000-Euro-Modelle wieder ganz hinten im Schrank, denn die für 200 sehen eigentlich ganz genauso aus. Das neue Ding in Sachen Drüber ist: der Oversize-Mantel. Er muss so aussehen, als hätte man ihn bei Opa geliehen, ein bisschen zu lang und an den Schultern ein bisschen zu weit. Und wie herrlich, wenn er dem Rücken bucklige Anmut verleiht! Die besten kommen von Acne, Céline und Stella McCartney. Und jetzt die Kür: bitte niemals anziehen, sondern immer nur über die Schultern hängen! Ein Code, den Zara eben nicht mitverkaufen kann. War bei den Lederjacken übrigens schon genau so.

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Mode für den Herbst:Sneakers werden spitze Ballerinas

Chloe - Paris Fashion Week Spring/Summer 2011 Arrivals

Quelle: Getty Images

Jeder in der Mode braucht ab und zu mal einen Tag Pause von der Herumstakserei. Repetto-Ballerinas, Superga-Turnschuhe, alles ist schon Flat-Trend gewesen. Zur Zeit laufen Millionen in technisch anmutenden Sneakers von Nike. Die hatte die Mode wieder aus dem Neunzigerjahre-Archiv hervorgekramt, und bequeme Trends werden von der Menschheit bekanntlich besonders schnell durchgezogen. Es könnte also sein, dass wir auf den nächsten Fashion-Schauen weitaus weniger bunte Turnschuhe sehen. Dafür garantiert jede Menge Ballerinas, aber um Gottes willen nicht mit runder, sondern mit spitzer Kappe! Spitze Ballerinas strecken nämlich nicht nur das Bein und funktionieren zu allem, von der Zigarettenhose bis zum Midi-Rock, sondern quetschen die Zehen gerade schmerzhaft genug, um nicht zur neuen Latsche in den Fußgängerzonen dieser Welt zu werden.

© SZ vom 24.08.2013/leja
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