Haben und Sein:Augen auf!

Haben und Sein: Armani im Museum: Einen Einblick in das Schaffen des unermüdlichen Italieners bekommt man derzeit in Mailand zu sehen.

Armani im Museum: Einen Einblick in das Schaffen des unermüdlichen Italieners bekommt man derzeit in Mailand zu sehen.

(Foto: Courtesy of Giorgio Armani)

Hingucker der Woche: ein Einblick in das Schaffen des Giorgio Armani, ein bisschen Wiesn-Wehmut in einem Fotoband und eine Ausstellung, die ausschließlich Designerinnen ehrt.

Von Anne Goebel, Julia Rothhaas und Silke Wichert

Die Neunziger- und frühen Nullerjahre waren rückblickend die Babyboomer-Jahre der Mode. Viele große Häuser vermehrten sich und bekamen "Nachwuchs" in Form von Zweitlinien, die (etwas) günstiger waren und jüngere Zielgruppen ansprechen sollten: D&G (Dolce&Gabbana), Miu Miu (Prada), See by Chloé, Marc by Marc Jacobs. Aber wer war schon viel früher dran? Und setzte die kollektive modische Zellteilung erst in Gang? Giorgio Armani lancierte seine Marke Emporio Armani bereits 1981, vor genau 40 Jahren also. In Mailand wurde gerade Jubiläum gefeiert, allerdings nicht mit einer Vintage-Kollektion auf dem Laufsteg. Herr Armani gehört eher zur "Been there, done that"-Fraktion; sein Motto: Man sollte die Dinge, vor allem sich selbst, nicht wiederholen. Aber zeigen kann man sie ja noch mal. In den "Armani/Silos", einem ehemaligen Getreidespeicher in Mailand, ist nun die Ausstellung "The Way We Are" zu sehen. Drei Wochen lang, natürlich im Urlaub, wählte der 87-Jährige persönlich Looks und vor allem Fotos aus einer schier endlosen Fülle aus. Denn Armani war ja ebenfalls die erste Marke, die in den Achtzigern eine eigene Zeitschrift herausbrachte, das Emporio Armani Magazine. Die Fotografie ging über die üblichen Werbekampagnen hinaus, es sollten eher Gefühle um die Kollektionen herum eingefangen werden. Im Grunde war hier früher Streetstyle, kombiniert mit Sport und Stars wie Jodie Foster zu sehen. "Ich hatte nicht die geringste Absicht, Blattmacher zu werden. Ich wollte einfach nur neue Wege ausprobieren, um mit einem neuen Publikum zu kommunizieren", erinnert sich Armani. Es funktionierte ganz gut: Die halbjährlichen Ausgaben waren so begehrt, dass sie sogar im normalen Zeitschriftenhandel verkauft wurden. 19 Hefte erschienen insgesamt, zum Jubiläum gibt es nun ein weiteres mit alten und neuen Bilderstrecken, Interviews und Essays. Auf dem Cover ist der Mars zu sehen. Wohl einer der wenigen Orte, wo der Mann noch kein Geschäft hat (Ausstellung bis 6. Februar, armanisilos.com).

Haben und Sein: Upcyling im Trend: Mode aus gebrauchten Militärseesäcken und -zelten von "Beware of Mainstream".

Upcyling im Trend: Mode aus gebrauchten Militärseesäcken und -zelten von "Beware of Mainstream".

(Foto: Andreas H. Bitesnich)

Die Taschen von Freitag aus Lkw-Planen haben den Anfang gemacht, die gibt es seit 1993, als noch niemand von Upcycling redete. Inzwischen ist kaum ein Thema in der Mode so präsent wie der nachhaltige Umgang mit Ressourcen, die Verwandlung von Ausrangiertem in etwas Neues. Manchmal sieht man den Produkten die Transformation, sozusagen ihr erstes Leben kaum an, bei anderen gehört das Benutzte, Raue gerade zum Charme mit dazu. So war das bei den Ur-Taschen aus der Schweiz mit ihren sichtbaren Nähten, und so ist es auch bei der Marke mit dem etwas gewollten Namen Beware of Mainstream. Da steckt die Botschaft schon in der Bezeichnung: bitte keine gängige Massenware. Die Kölner Kostümbildnerin Ulrike Janich mit Faible für Punkiges entwirft für das österreichische Label Parkas, Jeansjacken oder Taschen und Hüte, alles mit typischen Pre-used-Merkmalen wie offenen Nähten und Knitterstoff. Das Ursprungsmaterial sind gebrauchte Militärseesäcke und -zelte aus besonders robustem Textil. Reißverschlüsse, geflickte Stellen oder aufgenähte Elemente werden in die neuen Stücke einfach mit eingearbeitet. So hat der "Tellerrock Trudi" ein paar Zentimeter Tragegurt an der Vorderseite, der Trenchcoat wirkt wie ein Stück zusammengeflicktes Patchwork in unterschiedlich ausgebleichten Olivtönen. Zu den Fans der jungen Marke - mit stolzen Unikat-Preisen - gehört die Schauspielerin Ursula Strauss, wobei eine wie sie das aufgedruckte Bitte-kein-Mainstream-Logo natürlich nicht nötig hat, um etwas Besonderes zu sein (Trenchcoat 769 Euro, bewareofmainstream.com).

Haben und Sein: Wiesn-Wonderland: Der Fotograf Volker Derlath dokumentiert seit 35 Jahren das Oktoberfest in München.

Wiesn-Wonderland: Der Fotograf Volker Derlath dokumentiert seit 35 Jahren das Oktoberfest in München.

(Foto: Slanted)

Schattenboxen, Rollschuhfahren, Cricket: Die Theresienwiese ist seit Beginn der Pandemie der perfekte Ort im chronisch beengten München geworden, auf dem sich die Bewohner austoben können. Üblicherweise heißen die Sportarten zu dieser Jahreszeit allerdings: viel Bier trinken, in der Achterbahn schreien, den Nachbarn küssen. Wem diese Form der Auslastung auch im zweiten Nicht-Oktoberfest-Jahr schmerzhaft gefehlt hat, dem sei das Buch des Fotografen Volker Derlath empfohlen: "Oktoberfest 1984 - 2019". Seit 35 Jahren hat der Münchner kaum einen Wiesntag verpasst und mit seiner Kamera ein Potpourri an Irrsinn, aber auch Zärtlichkeit und Intimität des seltsamsten Volksfestes der Welt einfangen können (38 Euro, slanted.de).

Here We Are! Frauen im Design 1900 - heute
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Später Ruhm: die irische Architektin Eileen Gray.

(Foto: Berenice Abbott, Porträt von Eileen Gray, 1927/National Museum of Ireland)

Als das Interesse 1971 an ihr erwacht, ist Eileen Gray bereits 93 Jahre alt. Zuvor hatte sich niemand wirklich mit den Entwürfen Grays beschäftigt, die heute als eine der wichtigsten Architektinnen und Designerinnen des frühen 20. Jahrhunderts gilt. Ein Jahr später eröffnet in London die erste Ausstellung über ihr Werk, obgleich Gray von dem Trubel um ihre Person nicht viel hält. Die große Ehre kommt im Design für viele Gestalterinnen spät - oder gleich gar nicht. In jedem Fall aber meist deutlich seltener als für Männer. Die Ausstellung "Here We Are! Frauen im Design 1900 - heute" im Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein möchte dies ändern und zeigt nun die Arbeiten von Gray und rund 80 weiteren Frauen. Zu sehen sind Werke von den großen Damen des Designs wie Charlotte Perriand, Lilly Reich, Florence Knoll und Clara Porset. Auch weniger prominente Vertreterinnen wie die erste Kreativchefin von Cartier, Jeanne Toussaint, tauchen dort auf, sowie zeitgenössische Künstlerinnen wie Patricia Urquiola, Hella Jongerius, Inga Sempé und Julia Lohmann, die versucht, Algen als Material im Design zu etablieren. Ein wichtiger Fingerzeig, schließlich ist heute etwa die Hälfte aller Designstudierenden weiblich (bis 6. März, design-museum.de).

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