Mode der 68er:Vom Protest zur Selbstinszenierung

Kurze Röcke, zerrissene Jeans, fransige Haare statt kunstvoller Haarspray-Frisuren. Ende der sechziger Jahre sorgt das Äußere der Jugend für einen Aufschrei in der Gesellschaft. Manches ist heute wieder hip.

Von Kerstin Lottritz

1 / 11
(Foto: Getty Images)

Eine Generation, die sich gegen das Establishment auflehnt, muss das auch in ihrer Kleidung zeigen. Ende der sechziger Jahre gilt nicht mehr als modebewusst, wer sich noch wie seine Mutter die teure Haute-Couture-Mode aus Paris erträumt. Gefeiert wird, wer für Aufsehen und gar Entsetzen sorgt. So wie etwa die ziemlich körperbetonte Kleidung von Uschi Obermaier oder die langen, zotteligen Haare von Rainer Langhans. Das (Kurzzeit-)Paar lebt Ende der Sechziger in Berlin in der berühmten Kommune I - dem damaligen Sinnbild für Provokation.

2 / 11
(Foto: AP)

Wichtigstes Kleidungsstück ist der Minirock. Klar, er ist nicht mehr ganz neu. 1962 bringt die Designerin Mary Quant (rechts) ein Foto des eigentlich aus den dreißiger Jahren stammenden Kleidungsstücks in der britischen Vogue unter und macht so den Mini im Laufe der folgenden Jahre populär. Dass man nicht nur die Knie, sondern auch die Oberschenkel der Frauen sehen kann, gilt damals als respektlos.

3 / 11
(Foto: SZ Photo)

Perfektioniert hat den Minirock-Look das britische Model Twiggy. Hochgewachsen, dürre Arme und Beine, dazu große Kulleraugen eingerahmt von einem knabennhaften Kurzhaarschnitt. Ihr dünner Körper gepaart mit einem jugendlich-naiven Auftreten sind wie dafür gemacht, einen Rock, der immer kürzer wird zu präsentieren. Twiggy, die eigentlich Lesley Hornby heißt, ist erst 16 Jahre alt, als sie innerhalb kürzester Zeit zur Mode-Ikone einer ganzen Generation wird. Junge Frauen weltweit wollen so aussehen wie die junge Britin - und hungerten, bis sie genau so dünn waren wie ihr Idol. Doch auch wenn der Kult um solche überschlanken Models heute verpönt ist, richtig angekommen ist die Botschaft in der Gesellschaft deshalb nicht. Es gibt einige Unternehmen in der Mode- und Beauty-Industrie, die etwas verändern wollen. Doch noch immer eifern vor allem junge Mädchen einem spindeldürren Idealbild nach, angefeuert durch Modedesigner, die weiterhin spindeldürre Models auf den Laufsteg schicken.

4 / 11
(Foto: Getty Images)

Doch für die Frauen hat der Minirock vor allem etwas Selbstbestimmendes. Sie entscheiden selbst, was sie tragen und wie viel sie von ihrem Körper zeigen wollen - bei ihrer Kleidung akzeptieren sie keine Vorschriften mehr. Am Ende des Jahrzehnts sind die Röcke so kurz wie nie zuvor. Der sogenannte Mikromini lässt sogar das Höschen hervorblitzen. Mehr Provokation ist kaum möglich.

5 / 11
(Foto: SZ-Photo)

Doch zurück zu den Frauen der sechziger Jahre. Ihnen geht es nicht nur darum, anders auszusehen als ihre Mütter. Ihre Vorstellungen sind weit ambitionierter. "Die Jugend der späten sechziger Jahre wollte einen radikalen Wandel", sagt Modehistorikerin Elisabeth Hackspiel-Mikosch von der Akademie Mode & Design (AMD) in Düsseldorf. Die teure Haute-Couture-Mode aus Paris habe die Jugend nicht nur aus finanziellen Gründen rigoros abgelehnt. "Frauen wollten nicht mehr das elegante Aushängeschild eines reichen Mannes sein", sagt Hackspiel-Mikosch. Stattdessen wird modisch experimentiert: Sie tragen selbst eingefärbte Herrenunterhemden als T-Shirts oder besticken Blusen mit Blumen. Von Reisen nach Indien oder Afghanistan bringen die jungen Frauen und Männer eigenwillige Andenken - wie etwa abgerockte Felljacken - mit. So sei eine Art Anti-Mode sei entstanden, sagt die Modehistorikerin. "Die Jugend lehnte es ab, ordentlich auszusehen."

6 / 11
(Foto: AFP)

Auch die großen Modedesigner bemerken den Wandel und lassen sich davon inspirieren. Erstmals bestimmen nicht sie, was modisch ist, sondern sie sehen auf der Straße, dass Frauen etwa auch Hosen tragen können. Yves Saint Laurent etwa, der einst als Assistent von Christian Dior angefangen hat, widmet sich dem veränderten Frauenbild. 1967 steckt er Frauen erstmals in einen Smoking. Die sachlich in Szene gesetzte weibliche Silhouette gilt als eine Revolution in dieser Zeit. Diese Art des Arbeitens hat sich bei den Designern bis heute durchgesetzt. Für ihre Kreationen holen sie sich Inspiration von der Straße.

7 / 11
(Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo)

Und noch etwas ändert sich in den späten sechziger Jahren: Männer und Frauen kleiden sich immer ähnlicher. Die optische Abgrenzung zwischen den Geschlechtern weicht immer mehr auf. Frauen, die zerrissene Jeans tragen, und Männer mit langen Haaren und altem Parka werden von Älteren abfällig Gammler genannt.

8 / 11
(Foto: dpa)

Bei den Hippies der Flower-Power-Bewegung ist die Kleidung ähnlich geschlechtsneutral - doch viel bunter. In Blusen und Kleider mit Blumenmuster gehüllt und großen Sonnenbrillen auf der Nase fordern sie Frieden und Freiheit.

9 / 11
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Beim legendären Woodstock-Festival unter dem Motto "Make Love not War" reißen sich Männer und Frauen die Kleider vom Leib, wälzen sich im Matsch und sehen irgendwie alle gleich aus.

10 / 11
(Foto: dpa)

Manche dieser Trends haben sich bis heute gehalten. "Die Idee der Transgender- und Unisex-Mode kann man heute deutlich erkennen", sagt Modehistorikerin Hackspiel-Mikosch. Der kanadische Designer Rad Hourani beispielsweise ist mit seinen geschlechtsübergreifenden Kreationen bekannt geworden. "Ich habe nie verstanden, wer entscheidet, dass ein Mann sich auf eine bestimmte Weise anziehen muss und eine Frau auf eine andere", sagte er einmal. Hourani steckt Frauen und Männer gleichermaßen in schmale Hosen und kantige Oberteile.

11 / 11
(Foto: Miguel Medina/AFP)

Conchita Wurst, bekannt geworden als vollbärtige Eurovision-Song-Contest-Gewinnerin, läuft gar für Jean-Paul Gaultier über den Laufsteg. Ist sie Mann oder Frau? Eine Antwort darauf gibt Conchita Wurst nicht, doch die Kunstfigur ist bekannt dafür, dass sie am liebsten glamouröse Kleider trägt. Dieses Hinterfragen der Geschlechterrollen habe seinen Ursprung in den späten sechziger Jahren, sagt Modehistorikerin Hackspiel-Mikosch. "Der Unterschied ist, dass es damals um Protest und Abgrenzung von gesellschaftlichen Konventionen ging, heute um Selbstinszenierung."

© SZ.de/dpa/AP/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: