Süddeutsche Zeitung

Mode:Cos hat den Minimalismus in der Mode bezahlbar gemacht

Seit zehn Jahren gibt es die Marke, mit der H&M erwachsen geworden ist. Cos-Teile am Bügel machen kaum was her - ihre Wirkung entfalten sie erst angezogen.

Von Dennis Braatz

Als H&M vor etwas mehr als zehn Jahren bekannt gab, unter neuem Namen hochwertigere Mode anbieten zu wollen, hielt man das zunächst für einen Witz. Der schwedische Riese hatte gerade erst die Schnelligkeit in die Branche gebracht, mit immer mehr Kollektionen zu günstigeren Preisen. Und jetzt sollte der Fokus schon wieder auf mehr Design und Qualität gelegt werden, alles zeitloser und langlebiger sein? "Collection of Style" wurde das Experiment getauft, mit Cos abgekürzt und im März 2007 in Form eines Stores auf der Londoner Regent Street gestartet.

Im Jahr 2017 sind daraus 200 Geschäfte geworden, in insgesamt 33 Ländern, in Deutschland sind es 18 Standorte. Neben Frauen-, Männer- und Kindermode gibt es inzwischen auch Möbel, Wohnaccessoires und ein Magazin. Cos hat also nicht nur ein immenses Wachstum vorzuweisen, sondern auch in kürzester Zeit eine ganze Produktwelt aufbauen können.

Ein Hemd kostet knapp 60 Euro, Kleider gibt es ab 80 Euro

Eine, die den Erfolg erklären kann, ist Karin Gustafsson. Die Kreativdirektorin ist von Anfang an dabei, fing im Unternehmen mal als Assistenzdesignerin an und hat sich stetig hochgearbeitet. "Unsere Stärke liegt in einer klaren Marken-DNA", sagt sie. Klingt erst mal nach einer typischen PR-Floskel, im Falle von Cos ist es aber ein wichtiger Punkt.

Denn die Marken-DNA von großen Modeketten besteht ja meist daraus, dass sie gar keine ist. H&M, Zara und Co. verkaufen Basics oder kopieren, was gerade angesagt ist. Völlig egal, wie es aussieht, und ohne roten Gestaltungsfaden. Das hat sich mit Cos geändert. Die Preise dort mögen wegen besserer Materialien etwas höher angesetzt sein, fürs Premiumsegment sind sie aber immer noch viel zu niedrig: Ein Hemd kostet knapp 60 Euro, Kleider gibt es ab 80 Euro. In diesem Preis-Leistungs-Verhältnis hat es in der Fußgängerzone bis vor zehn Jahren kein Modegeschäft geschafft, auch eine eigene Designsprache anzubieten.

Cos-Teile wirken aber seit jeher wie von einer Hand entworfen. Sie sind nordisch klar, nicht verschnörkelt, zeitlos. Durch die strengen Schnitte und oftmals steifen Stoffe machen sie am Kleiderbügel kaum was her. Ihre Wirkung entfalten sie erst angezogen. Dann geben sie dem Körper eine gewisse Silhouette vor, immer dezent avantgardistisch, nicht selten puristisch, niemals aber sexy im klassischen Sinne. Diese minimalistische Ästhetik erfordert ein bisschen Modemut, weshalb bei Cos auch mehr Frauen als Männer einkaufen. Die Damenabteilung ist knapp drei Mal so groß wie die für die Herren.

Mit Stars würde man nie werben

Ein weiterer Grund für den Erfolg der Marke ist, dass minimalistische Mode zuvor nur von den großen Luxusdesignern wie Helmut Lang oder Jil Sander verkauft wurde. In gewisser Weise hat Cos sie bezahlbar gemacht. Darüber hinaus wurde in der Vergangenheit auch immer wieder behauptet, dass die niedrigen Preise jenen Luxusdesignern die Kunden streitig gemacht hätten. Gustafsson sieht das anders: "Weil man den minimalistischen Ansatz kommerzialisiert, heißt das ja nicht, dass man ihn für andere eliminiert. Wir sehen uns nicht im Wettbewerb mit Laufstegfirmen und vergleichen uns auch nicht mit ihnen", sagt sie. Im Umkehrschluss heißt das: Wer früher ein paar Tausend Euro für einen schlichten Kaschmirmantel bei Jil Sander hingeblättert hat, der wusste, dass das Kaschmir nirgendwo sonst so fein und scharf geschnitten war.

Die höchste Form von "form follows function" ist für diesen Kunden ein Grundsatz, und er weiß, dass Cos ihn niemals erfüllen kann. Was jetzt nicht heißen soll, dass sich der ein oder andere besser verdienende Modefan nicht gern mal in eins der 200 Geschäfte verirrt und zugreift. Genügend Anreize werden ihm in Hochglanzmagazinen wie Vogue und Elle jedenfalls gegeben. Cos-Teile finden auch schon mal den Weg in die großen Modestrecken.

Die Marke wurde vor allem zur richtigen Zeit gestartet. 2007 war das Jahr, in dem zum ersten Mal von einer neuen Lifestyle-Zielgruppe namens Lohas die Rede war, also Menschen, die bewusster und verantwortlicher konsumieren wollten. Das Wohnen wurde minimalistischer, die Farben skandinavisch-nüchtern, das Produktdesign auch, siehe Apples iPhone und iPod. Aus heutiger Sicht traf das Cos-Konzept perfekt den in der Luft liegenden Zeitgeist: eine erschwingliche Alternative zur Fast Fashion, für alle, die gerade aus dem H&M-Zeitalter rausgewachsen waren und einen erwachsenen Stil jenseits vom Teenie-Mainstream suchten. Dazu gehörte von Anfang an das Gestaltungskonzept der Geschäfte. Die Kleiderstangen hängen nie brechend voll, hier und da steht ein Hocker aus unbehandeltem Holz, viel warmes Licht. Alles möglichst natürlich. Die Models in den Kampagnen sind kaum geschminkt, stehen nur da, wirken einerseits schüchtern, andererseits ganz bei sich. Mit Stars würde man nie werben.

Mit Künstler-Kooperationen will man das intellektuelle Rollkragenpublikum erreichen

Stattdessen setzt man bei der Kommunikation auf Künstler. Auf dem diesjährigen Salone del Mobile hat das britische Designstudio Swine eine Seifenblasen-Installation vorgestellt. Vergangenes Jahr wurde im New Yorker Guggenheim Museum eine Ausstellung der Malerin Agnes Martin unterstützt, deren Arbeiten wiederum die Inspiration für eine Kollektion lieferten. Alles im hauseigenen Blog und Magazin aufbereitet, für ein kreativ-intellektuelles Rollkragenpublikum.

Wie viel sich H&M in Zukunft von Eigenmarken mit einer kleineren Zielgruppe verspricht, sieht man auch an & other Stories. Das zweite Label des Konzerns wurde 2013 lanciert, mit progressiveren Entwürfen für die junge Kundschaft und einer eigenen Beauty-Abteilung. Erst vor Kurzem wurde bekannt, dass bald eine dritte Marke namens Arket gestartet wird. In den Stores solle es dieses Mal auch Fremdmarken und Bio-Essen geben. Erfolg im Modegeschäft bringt eben ständige Veränderung mit sich.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2017/jana
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