Ladies & Gentlemen:Abiball in Bayreuth

Lesezeit: 2 Min.

(Foto: Daniel Karmann/picture alliance/dpa)

Vater und Tochter Söder in Abendgarderobe vor dem Festspielhaus – ein Termin, den jeder Familienmensch ein wenig nachfühlen kann.

Von Julia Werner, Max Scharnigg

Für sie: Schlagfertig

Der neue Lifestyle-König von Instagram ist Markus Söder, und das ist ein Glück, denn man wusste ja, seit man Gerhard Schröder nicht mehr lieben darf, welchem Dadjeans-Träger man beim beschwingten Lebensgenießen zuschauen sollte. Egal, ob er Döner isst oder ins Freibad geht, wir müssen zugeben: Der Söder macht das gut. Ob seine Tochter Gloria-Sophie Burkandt etwas mit dem neuen Image zu tun hat? Darüber kann man nur spekulieren, Fakt ist, dass die 25-jährige Doktorandin mit Modelkarriere hier frischen Wind in den ja immer etwas biederen Politiker-Auflauf bei der Eröffnung der Bayreuther Festspiele bringt. Das Kleid, auch wenn am Saum leider ein bisschen zerknittert, ist kein Drama aus Seidentaft – sie läuft also nicht Gefahr, mit der Walküre-Darstellerin verwechselt zu werden, wie das so oft in Bayreuth der Fall ist. Zeitgemäß ist auch, das schlichte Slipdress mit Ballerinas zu kombinieren, das trägt man jetzt nicht nur so, sondern ist wohl der Tatsache geschuldet, dass Söders Tochter 1,85 Meter groß ist. Natürlich steht man dazu, aber man möchte sich auf Fotos auch nicht die ganze Zeit bücken. Allerhöchstens also der aggressive Fingerschmuck zur zarten Seidenrobe ist Geschmackssache, wobei nicht rauszukriegen war, ob er in Wahrheit der Taschengriff ist. Abendtaschen mit Schlagringen erfand seinerzeit Alexander McQueen, und es ist keine Legende, dass die Tasche einer Moderedakteurin am Münchner Flughafen deshalb einmal als Waffe beschlagnahmt wurde, ein paar Jahre, nachdem Gloria-Sophie Burkandt geboren wurde. Fazit: Bayern macht sich immer lockerer, oder zumindest sieht es so aus. 

Für ihn: Daddybär

Väter von Töchtern können diesen Moment nachfühlen, denn er ist immer gleich, egal, ob er sich vor einem schnöden Abiball-Saal abspielt oder wie hier, vor dem Festspielhaus in Bayreuth. Da steht man in der grellen Sonne, schwitzt wie ein Ochse in der Ochsenbraterei und ist trotzdem stumm ergriffen, dass das Töchterchen neben einem so wohlgeraten ist. Und insgeheim ist man auch ein bisschen ratlos, wie das alles eigentlich vonstattengehen konnte? Dass also aus einem Kind, das sich gerade noch mit Filzstift die Schneidezähne angemalt hat, plötzlich so eine, hüstel, reizende junge Dame geworden ist, mit Wimpernzange und tausend Geheimnissen, von denen man tunlichst keine Ahnung haben möchte. Es ist ja so: Wenn erst mal die töchterliche Wimpernzange im Bad liegt, dann weiß man als Vater, dass sich ein paar solcher bitterschönen Termine nähern, an denen erwartet wird, dass man in Abendgarderobe und Erzeugerpose neben seinem Kind steht. Der letzte derartige Anlass ist die Hochzeit, und das war es dann, dann übernimmt ein anderer die stolze Position. Gleichzeitig gehört zum Tochtervaterdasein, dass man in der gleichen rasanten Geschwindigkeit verfällt, wie das Kind strahlender wird, und das ist die eigentliche Ungerechtigkeit. Söhne sehen bei derartigen Anlässen im Anzug ja oft noch etwas verhauter und kostümierter aus als ihre Väter, aber gegen eine Tochter im Abendkleid hat man einfach keine Chance, auch nicht als Ministerpräsident – man wirkt immer irgendwie vollverschattet. Also ist es eigentlich egal, dass Söders Smoking hier wieder nur halbherzig performt, mit den zu langen Ärmeln, dem fehlenden Kummerbund, den matten Schuhen, diese Details hätten auch nichts mehr rausgerissen. Warum er sich morgens eigentlich nicht mehr rasiert, das darf man hingegen schon mal fragen. Aber es hat eben jeder seine eigene Art, mit dem väterlichen Abschiedsschmerz umzugehen.

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