Eigener Herd:Das Gold der Bauern

Eigener Herd: Maismehl ist eine Allzweckwaffe in der Küche - wenn man die richtige Sorte hat und das Rühren nicht scheut.

Maismehl ist eine Allzweckwaffe in der Küche - wenn man die richtige Sorte hat und das Rühren nicht scheut.

(Foto: imago images/Panthermedia)

Mais sollte öfter auf den Teller kommen. Man braucht allerdings die richtige (Bio-) Sorte und Geduld beim Rühren. So wird Polenta draus, eine besonders im Winter unschlagbare Beilage.

Von Marten Rolff

An der Erntemenge gemessen ist Mais das wichtigste Getreide der Welt. Natürlich ist dieser Blickwinkel verengt, der Großteil der Ernte landet ja im Tierfutter oder wird für Biogas oder alternative Kunststoffe verwendet. Aber es wirkt schon ein bisschen seltsam, dass ein derart erfolgreiches, sättigendes, weitverbreitetes und dazu noch glutenfreies Getreide bei uns so selten auf den Teller kommt. Ja, dass uns dazu kaum mehr einfällt als Mais-Grießbrei mit heißen Kirschen (eine leider viel zu seltene Idee), ein paar Cracker oder irgendwie texikanisch inspirierte Salate.

Aber klar, es gibt einiges gegen dieses Getreide vorzubringen, das die Amerikaner nicht ohne Grund "Süßkorn" nennen: Die Debatte um den Genmais (in Deutschland eher ein kleines Problem) hat das Vertrauen der Verbraucher in den letzten 25 Jahren sicher nicht vergrößert. Mais enthält zudem viele einfache Kohlenhydrate, sprich Zucker, und wenig Ballaststoffe. Und er gilt vielen Gourmets als geschmacklich unterkomplex. All das lässt sich jedoch sofort entkräften, wenn man auf Bio-Vollkornmais und die richtigen Sorten zurückgreift. Manche Gegenden in Europa besannen sich zuletzt mit Erfolg auf alte Sorten zurück, die oft weniger ertragreich, dafür aber robust im Anbau, gesünder und aromatischer sind. Ein populäres Beispiel ist der Rosso del Ticino, der großkolbige, rote Tessinermais - leider die einzige von einst mehreren roten Sorten, die sich in der Südschweiz bis heute gehalten hat.

Besonders köstlich ist Mais aus dem Baskenland

Für Rezepte lohnt dann auch unbedingt der Blick nach Italien. Die ganze Welt schwärmt ja von Pasta und Pizza - und wäre verwundert, wenn sie wüsste, dass diese uritalienischen Spezialitäten noch vor drei, vier Generationen in manchen Gebieten Norditaliens völlig ungebräuchlich waren, ja dass die Eröffnung einer Pizzeria noch in den Achtzigerjahren nicht nur in Cloppenburg oder Saarlouis, sondern auch in Kleinstädten im Friaul oder Piemont als exzentrisches kulinarisches Ereignis galt. Und als der Gourmetführer Gambero Rosso vor wenigen Jahren erstmals einen Nord-Pizzaiolo aus der Gegend von Verona zum besten des Landes kürte, gab es einen Aufschrei und Morddrohungen aus - natürlich - Neapel.

Nein, im Norden, vor allem im Veneto, im Friaul und der Lombardei vertraut die Küche seit Jahrhunderten auf die Stärke von Mais. Schon die Römer aßen Vorformen der Polenta: Einen Getreidebrei (oft Gerste), der durch seine Neuerfindung noch einmal richtig populär wurde - nachdem Kolumbus diese wundersamen gelben Riesenkörner als neue Zutat aus Amerika mitgebracht hatte. Es braucht nur kochendes Salzwasser und grobes Maismehl (in der Lombardei goldenes, im Veneto eher weißliches), was traditionell in einem Kupferkessel zusammengerührt wurde. Früher hing so ein Kessel in jedem anständigen norditalienischen Landhaushalt über der Feuerstelle, und daneben stand eine Bank, von der aus die Familie der Hausfrau beim Rühren zusah. Es waren Zeiten, in denen eine lombardische Hausfrau vermutlich jeden bayerischen Stammtischbruder im Armdrücken besiegt hätte.

Denn langes, kraftvolles Rühren (unter ständiger, gemäßigter Hitzezufuhr) ist nach dem Mais die wichtigste Zutat. Zuerst - zum Verteilen des Mehls im Wasser - kurz mit dem Schneebesen, anschließend unbedingt und nur mit dem Holzlöffel. Und zwar für sicher 45 Minuten, vor allem, wenn es um die festere lombardische Polenta-Variante geht. Eine norditalienische Nonna ist nicht nur dem Klischee nach auch heute noch erst zufrieden, wenn sich der goldene Brei, glatt, cremig und absolut klumpenfrei vom Topfrand löst. Man kann ihn warm als - besonders jetzt im Winter sehr zufriedenstellende - Beilage essen, zu Tomaten-Ricotta-Soße, Fleisch oder Spinat. Abgekühlt wird Polenta fest(er), lässt sich füllen, im Block schneiden und anbraten oder im Ofen mit Käse oder Hack und Béchamel überbacken wie Lasagne.

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Um die Zubereitung zu erleichtern und die Garzeit zu verkürzen, kann man das Maismehl vorher im Wasser quellen lassen, nur in Abständen von zehn Minuten rühren (setzt leider leicht an), den Brei im Ofen garen oder Instantpolenta kaufen. Am Ende aber kann es keine dieser Varianten mit handgerührter Polenta aufnehmen.

Besonders köstlich ist neben Tessinermais die im südfranzösischen Baskenland kürzlich wiederentdeckte Sorte "Mais Grand Roux Basque", die ein nussiges Aroma und zarte Bitternoten hat. Die Wassermenge variiert je nach Maissorte und gewünschter Konsistenz, aber eine gute Faustregel ist das Verhältnis 1 Teil Mais zu 4 bis 6 Teilen Wasser, das sich auch anteilig durch Brühe, Wein oder Milch ersetzen lässt. Roter Mais schmeckt toll, wenn man 250 g davon (für vier Personen als Beilage) in etwa 400 g Wasser, 100 g Brühe und 500 g Milch hineinrührt (bei Bedarf mehr Flüssigkeit nachgießen), die vorher mit Thymian aromatisiert wurde (Milch mit ein paar Thymianzweigen kurz aufkochen und abkühlen lassen). Fantastisch zu soßenreichen Schmorgerichten, zu Wild, aber auch zu Nussbutter und Parmesan.

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