Klima:Das Erwachen in der Mode wird hart

Lesezeit: 6 min

Versace

Das Finale der Versace-Show: Das Kleid kennt man, aber kann man das schon nachhaltige Wiederverwertung nennen?

(Foto: Versace)

Die Erkenntnis, dass Mode nachhaltiger werden muss, ist auf dem Laufsteg angekommen: In Mailand war immerhin schon mal das Kleid von Jennifer Lopez grün.

Von Tanja Rest

Am Weltklimatag, der in Mailand durch einen boshaften Einfall des Schicksals mit der Modewoche zusammenfiel, weiß Gott kein Gipfeltreffen von Unschuldslämmern, war die Stimmung an den Laufstegen erratisch. Es herrschte Einigkeit darüber, dass es so nicht weitergehen kann, das Klima gerettet werden muss und Green Fashion der wichtigste Trend ist seit Langem. Womöglich noch wichtiger als Sneakers.

Darüber hinaus hatten einige Angst, dass eine Klima-Demo die Innenstadt verstopfen würde, worauf sie - furchtbare Vorstellung - aus ihren schwarzen Mercedes-Limousinen aussteigen und mit den neuen Bottega-Schuhen zur nächsten Show laufen müssten. Nicht zuletzt fragten sich viele (das hatte mit dem Klima dann schon nichts mehr zu tun), was Donatella Versace mit dem Geld anfangen würde, das der Verkauf an Michael Kors in die Betriebskasse gespült hat.

Blenden wir uns also ein in die siebzehnte Minute der Versace-Show. Die Kollektion ist zu diesem Zeitpunkt schon gelaufen, rituell vorgeführt von allen in Mailand gerade vorhandenen Topmodels. Sie war tough, sexy, absolut unmöglich, dabei aber großartig. Mikroröcke. Breitschultrige, luftabquetschend auf Taille gearbeitete Blazer mit Goldknöpfen doppelreihig. Dazu Bustiertops und Killerpumps, bis unter die Kniescheibe hochgeschnürt. Über die Schlüssel-Looks wucherte ein giftig grünes Blättermuster, Green Fashion alla Versace. Mode wie auf Acid.

Nun ertönt die Stimme von Donatella: "Google, zeig mir Bilder von diesem Dschungelkleid." Auf Videoscreens erscheint die Google-Suchmaske und dann zigtausend Mal das gleiche Motiv aus dem Jahr 2000: die Sängerin Jennifer Lopez bei den Grammy Awards im legendär knappen Versace-Fähnchen, das einen weltweiten Suchanfragen-Boom auslöste, weshalb in jener Nacht (so will es die Legende) Google Images geboren wurde. Noch einmal Donatella: "Google, und jetzt zeig mir das echte Dschungelkleid."

Plötzlich sieht man die Menschen am Anfang des Laufstegs aufspringen. Eine La Ola des Jubels rast durch den Saal, und dann schwingen der Original-Hintern und die Brüste wahrhaftig vorbei, im Dschungeldress von damals, mit seiner alles implizierenden, nichts preisgebenden Irrsinnsstatik. Die Antwort auf die Frage, was Donatella Versace mit dem Geld von Michael Kors gemacht hat, lautet: Sie hat sich J.Lo gekauft, mit freundlicher Unterstützung von Google, und dieser Deal war Gold wert. Nach Berechnungen von Datenanalysten generierte Lopez' Kurzauftritt eine Medienaufmerksamkeit im Wert von 9,4 Millionen Dollar. Ein Viertel der gesamten Londoner Modewoche.

Schwarze Limousinen, die alles lahmlegen, gehören zur Modewoche

Zurück zum wichtigstem Trend seit Langem, er hat im Modemonat September die Schlagzeilen der Branchendienste bestimmt: 32 Häuser haben einen "Fashion Pact" zugunsten des Klimas, der Biodiversität und der Ozeane unterzeichnet; Gucci wird karbon-neutral, der Mutterkonzern Kering ebenfalls; Marni zeigt seine herbe Ethno-Kollektion unter Palmen, die, wenn man richtig verstanden hat, aus Plastikflaschen recycelt wurden, die bei der Männer-Show im Juni überm Laufsteg hingen. Wow.

Die Wahrheit ist natürlich, der Klimawandel in der Mode steht noch aus. Da muss man nur das Getriebe der Fashion Weeks begutachten: Überdimensional verpackte Einladungen werden im Digitalzeitalter immer noch von motorisierten Kurieren ins Hotel geliefert und hinterlassen beim Check-out einen Berg von Müll. Ein paar Hundert schwarze Limousinen kriechen tagelang luftverpestend und verkehrsverstopfend durch die Innenstadt. Und wenn die Zeit der Cruise Collections gekommen ist, jettet der Tross nach Havanna, Peking, Nizza - für eine einzige Show, die zwanzig Minuten dauert.

"Es gibt heute zu viel Mode, zu viele Kleider, zu viel von allem."

Zielführender als Kerings Reparationszahlungen an den Planeten (Schätzungen zufolge werden sie sich auf 0,004 Prozent des Umsatzes belaufen) ist eine andere Maßnahme, die auf den Laufstegen durchaus zum Tragen kam. Zeitlosigkeit. Die Mode erlösen vom fiebrigen Konsum, auf den nach dreimal Anziehen Langeweile folgt. Kleider, die in zehn Jahren immer noch relevant sein werden, fand man in Mailand zum Glück viele. Zum Beispiel bei Prada.

Das dänische Model Freja Beha Erichson im grauen Ripp-Pulli mit knöchellangem, wollweißem Rock: Das war der erste Look. Manche rieben sich die Augen. Sie sah beinahe nackt aus. Es folgten ungeheuer schöne, nahezu klassische Kleider, angesiedelt wie so oft zwischen den Zwanzigern, den Siebzigern und heute, aber die Fassade war blank, wie abgeräumt. Miuccia Prada, von Kritikern seit jeher hochgejubelt und nicht immer zu Recht, ist durchaus Teil des Fast-Fashion-Zirkus.

Ein Prada-Schuh von letzter Saison ist für Eingeweihte auf den ersten Blick erkennbar und damit Altware. Diesmal aber formulierte die Designerin nach der Show den folgenden Satz: "Wir müssen nicht mehr, sondern weniger tun. Es gibt heute zu viel Mode, zu viele Kleider, zu viel von allem." Wie wahr. Aber warten wir ab, wie sie nächste Saison darüber denkt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema