Männer:Männer, schließt die Beine

Männer: Unerhört - unerlaubt? So dasitzen, als hätte man ein Cello zwischen den Knien, ach was, einen Kontrabass!

Unerhört - unerlaubt? So dasitzen, als hätte man ein Cello zwischen den Knien, ach was, einen Kontrabass!

(Foto: Alamy/mauritius images)

Die Madrider U-Bahn will Männern künftig offiziell untersagen, breitbeinig zu sitzen. Das so genannte Manspreading ist in der Tat eine Unart - aber braucht es dafür wirklich ein Verbotsschild?

Von Johanna Adorján

Es wäre natürlich verlogen, ausgerechnet in einer Zeitung zu beklagen, dass manche Menschen beim Sitzen in öffentlichen Verkehrsmitteln mehr Raum einnehmen als andere. Wer wäre nicht schon einmal im Flugzeug auf dem Weg zur Toilette gestolpert und der Länge nach auf den kratzigen Läufern hingeschlagen, weil jemand auf einem Gangplatz im Moment des Vorbeikommens gerade den Sportteil aufblätterte.

Weil es meist Männer sind, die sich breiter machen als von Sitzdesignern vorgesehen, wurde das Wort manspreading erfunden. 2015 ins Oxford Dictionary aufgenommen, bezeichnet es die männliche Eigenschaft, so breitbeinig dazusitzen, als hätte man ein unsichtbares Cello zwischen den Knien, ach was, einen Kontrabass. Die Stadt Madrid geht jetzt dagegen vor.

Geht es um das primitive Zeigen von Macht?

Schon bald werden in den Bussen der spanischen Hauptstadt Schilder hängen, die Manspreader zum Umdenken anregen sollen. Darauf zu sehen: ein rotes Schildermännchen, das so raumgreifend sitzt, dass sein rechtes Bein den Nebensitz gleich zu einem guten Drittel mit belegt. Darüber ein rotes X für Verbot. Versteht man sofort: man soll gefälligst nur auf seinem eigenen Platz sitzen.

Allerdings ist der Nebensitz auf dem Schild leer. Niemand sitzt darauf und könnte sich gestört oder eingeengt fühlen. Worum also geht es bei dem Madrider Vorstoß? Um Ordnung? Pro Mensch bitte nur ein Sitz? Wo bleibt dann das Schild, das Frauen das Ablegen ihrer vielen Einkaufstüten auf dem Nebensitz untersagt, um jetzt mal genau so im Geschlechter-Klischee zu bleiben wie beim Bild des breitbeinigen Mannes.

Oder geht es darum, dass einer möglicherweise gegenübersitzenden Person ein derart offenherziges Präsentieren der Körpermitte, wo ja in etwa die primären Geschlechtsmerkmale vermutet werden dürfen, nicht zuzumuten ist? Geht es also um Sittsamkeit?

Oder, Möglichkeit Nummer drei, es trifft zu, was Yogalehrer oft betonen, dass nämlich die Sitzbeinknochen von Männern näher beisammen liegen als die von Frauen und ihre Anatomie deshalb nach anderen Entfaltungsmöglichkeiten verlangt.

Wird hier in einen weit geöffneten Männersitz womöglich etwas Falsches hineininterpretiert? Etwas primitiv Männliches, das mit der Demonstration von Macht zu tun haben könnte und sich im Zoo etwa bei den Gorillas oder Pavianen gut studieren lässt oder derzeit auch in der amerikanischen Politik?

Die Wahrheit ist vermutlich viel schlimmer: Männer, die so dasitzen, dass ihre Sitznachbarn ausweichen müssen, sind einfach grob unhöflich. Es ist anzunehmen, dass sie selbst ihre Haltung als bequem empfinden.

Es ist offensichtlich, dass diese Männer dabei kein bisschen an andere denken. Ja, das ist in der Tat bedauerlich, aber dafür ein Schild?

Nicht dass gegen das Anbringen immer neuer Schilder etwas zu sagen wäre. Dafür sind, wie jeder Deutsche weiß, Wände ja da. Nur sieht sie in Bussen und Bahnen halt schließlich keiner, weil da ja alle nur auf ihre Telefone starren.

So gibt es zum Beispiel in der New Yorker U-Bahn bereits seit 2014 Schilder gegen Manspreading. "Dude... stop the spread, please", steht darauf neben dem Piktogramm eines breit sitzenden Männchens, "it's a space issue" (es geht um Platz).

Das Schild war Teil einer Benimm-Kampagne, mit der die New Yorker Verkehrsgesellschaft MTA ihre Kunden zu besseren Mitmenschen erziehen wollte. Sie wurden auch ermahnt, in der Bahn nicht zu essen, sich in der Bahn nicht zu schminken und die Haltestangen nicht für Pole-Dance-Darbietungen zu missbrauchen. Gebracht hat es nichts.

Was ist eigentlich mit Frauen? Dürfen Frauen in sehr kurzen Miniröcken das auch?

Und doch kann, was New York und Madrid vormachen, nur der Anfang sein. Weltweit fehlen noch so viele Schilder, die das gemeinsame Reisen von Menschen regeln, die sich nicht kennen und denen deshalb natürlich nicht zumutbar ist, eventuell in ein Gespräch zu kommen.

Wo bleiben zum Beispiel die Hinweise im Flugzeug, die klarstellen, dass die Armlehne nicht automatisch dem Mann zufällt? Sie müssten sehr groß sein und blinken, eventuell sogar umsonst alkoholische Getränke ausschenken, anders wird diese Neuigkeit nicht zu vermitteln sein.

Und was ist eigentlich mit Frauen? Sollten Frauen in sehr kurzen Miniröcken spreaden dürfen? Darüber wird abzustimmen sein. Oder Schwangere. In Madrid wird es ebenfalls Schilder geben, kein Witz, die das Aufbehalten von Rucksäcken im Bus kritisieren.

Wie wäre es mit folgender Regelung: Wer einen Rucksack trägt, sollte Rücken an Bauch mit einer Schwangeren stehen. Mit diesem Prinzip des Stapelns wäre erheblich viel Platz gewonnen, der wiederum für neue Schilder genutzt werden kann.

2016 haben rund 11,2 Milliarden Fahrgäste alleine in Deutschland den Öffentlichen Personennahverkehr genutzt. Alle haben es überlebt. Ein Wunder, bei so wenigen Schildern.

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