Männer:Bilderbuben

Männer müssen Muskeln haben? Für die Bilder, die wir in Werbung, Filmen und auf Titelseiten sehen, scheint das zu gelten. Der junge Fotograf Alexandre Haefeli will das ändern.

Von Kathleen Hildebrand

Nein, er hat es auch nicht leicht, der nackte Mann. Mal wird er als bedrohlich wahrgenommen - zum Beispiel, wenn er einfach mal Smartphone-Fotos von seiner Blöße ungefragt an fremde Frauen verschickt. Oder er muss sich schämen. Weil er nicht mit den glänzenden Eightpack-Männern konkurrieren kann, die auf den Titelseiten einiger Männermagazine oder in der Deo-Werbung den Griff zur Hantel anmahnen. Muss man deshalb Mitleid mit den Männern haben? Was die selbstgemachten Penis-Fotos angeht: selbstverständlich nicht. Dass es aber nur einen einzigen Körpertyp gibt, der gemeinhin als schön und anziehend gilt - nämlich den großen, starken, durchtrainierten - das ist schade. Und anachronistisch ist es auch: Immer noch soll der ideale Mann vor Muskeln strotzen. Obwohl er sie doch eigentlich nur noch im Fitness-Studio einsetzen kann.

Merkwürdig langweilig ist diese Beschränkung auf den Muskelmann. Der typische Männerkörper, wie ihn sich Schauspieler zumindest in Hollywood aufbauen müssen, sieht ja letztlich immer genau gleich aus: Brustmuskeln, Bauchmuskeln, Bizeps. Da ist es letztlich zweitrangig, ob nun das Gesicht von Brad Pitt, Gerard Butler oder Chris Pratt oben drauf sitzt. Nacktheit wird dem Mainstream nur zugemutet, wenn sie selbst schon wieder zum standardisierten Kostüm geworden ist.

"Männlichkeit wird meist nur in Form von Kraft und Dominanz dargestellt."

"Männlichkeit wird meist nur in Form von Kraft und Dominanz dargestellt", sagt Alexandre Haefeli. Das ärgert den jungen Fotografen aus der Schweiz. Er findet diesen Blick auf den Mann oberflächlich, starr und einseitig. Er will ihn verändern. "Ich will zeigen, dass auch in der Verletzlichkeit Kraft liegt." Er sagt das leise, in einem Englisch mit französischem Akzent, durch eine etwas rauschige Telefonverbindung. Man stellt sich Haefeli, geboren 1992, anhand seiner Stimme selbst als einen der Jünglinge vor, die er in seiner Fotoserie "The Company of Men" porträtiert: schlanke, zarte junge Männer. Nicht unförmig, aber eben auch nicht am Eisen gestählt. Die sportlichste Situation der Serie ist wohl auf einem Foto zu sehen, das einen jungen Mann nachts im Magnolienbaum zeigt. Es ist vom Boden nach oben in die Zweige fotografiert, mit einem sehr starken Blitz, der die Ränder aber dunkel lässt. Weil der Stamm den Rumpf des Mannes verdeckt, sieht man nur seine abgewinkelten Arme und die lässig herunterhängenden Beine. Es wirkt, als wolle er gleich ins Dunkel springen. Die verträumt-verspielte Serie "The Company of Men" hat Haefeli als Abschlussarbeit seines Fotografiestudiums in Lausanne begonnen. Dieses Jahr wurde sie mit dem Swiss Photo Award ausgezeichnet, seine Bilder waren in Frankreich und in der Schweiz zu sehen, zuletzt in Berlin. Dass sie solches Interesse erregen, hat viel damit zu tun, dass sich gerade einiges tut beim Blick auf den Mann.

Alexandre Haefeli zeigt nicht die üblichen gebräunten Dreitagebartgesichter. Sondern gerötete Wangen mit Bartflaum. Blasse Männer, die sich auf Blumenwiesen sehr eindeutig erotisch miteinander beschäftigen. Andere deuten Sexualität nur an. So wie die romantische Rückansicht jener zwei jungen Männer in weißen Unterhosen, die aus einem futuristischen ovalen Fenster aufs Meer hinausblicken. Männer wollen nicht immer nur erobern, sieht man da, oder ständig aufbrechen, zu Abenteuern am Ende der Welt. Manchmal gucken sie nur glücklich zu zweit zum Horizont.

"Es wäre schön, wenn es eine größere Vielfalt gäbe in der Art, wie wir Männer sehen und zeigen", sagt Alexandre Haefeli. "Die Gesellschaft bewegt sich in diese Richtung, aber es geht nicht gerade superschnell." Tatsächlich ist der Jüngling in letzter Zeit zu einer echten Alternative im ästhetischen Bewusstsein geworden. Die Kleidermarke American Apparel zeigt ihre Sachen schon lange an schmalen Kerlchen, an deren Hüften selbst enge Unterhosen zu schlackern scheinen. Designer wie Rad Hourani und J.W. Anderson bringen Unisex-Kollektionen auf die großen Laufstege, Gucci und Burberry legen Damen- und Herrenschauen zusammen. Und sogar Zara und Esprit bieten dieses Jahr erstmals Blusen, Hosen und Mäntel an, die für beide Geschlechter gedacht sind.

Alexandre Haefelis Bilder spielen mit den geschlechtsspezifischen Erwartungen, die der Betrachter an Aktmotive hat. Da die in der westlichen Kunstgeschichte meist weiblich waren - von der liegenden Venus bis zum hingehauchten Unterwäschemodel - sind die fotografischen Konventionen des Genres auch von weiblichen Geschlechtsklischees geprägt: Passiv und sexualisiert sollen sie die Kamera und mit ihr den Betrachter verführen. Wenn Haefelis Jünglinge sich an Wänden räkeln, am Finger lutschen oder die Blüten einer Glyzinie lecken, sind das Bildkonventionen des weiblichen Akts. Männer so zu sehen irritiert. Und es bricht mit den Konventionen vom starken Muskelmann.

"Es gibt einen typischen heterosexuell-männlichen Blick auf Nacktheit", sagt Haefeli. Einen Blick, der das Gesehene zum sexualisierten Objekt macht. "Dieser Blick sollte nicht der einzige sein, den wir zu sehen bekommen. Ich bin zwar auch ein Mann, habe aber als Schwuler eine andere Herangehensweise." Haefeli geht mit seinen Fotografien noch weiter. Manche seiner Bilder haben einen Humor, für den das ernste Genre Akt sich nur selten interessiert. Es gibt ein Bild in Haefelis Serie, auf dem der erigierte Penis eines liegenden Mannes zu sehen ist. Der Penis prangt da aber keineswegs protzig, wie bereit, vermessen zu werden. Er ist sehr unscharf, man erkennt ihn erst auf den zweiten Blick, im Hintergrund glitzert im Sonnenuntergang das Meer. Es ist ein bisschen, als würde Haefeli damit sagen: Schon ganz gut, wenn so ein Penis in der Nähe ist, aber das Wichtigste ist er nun wirklich nicht. Guckt doch mal - gleich ist die Sonne weg. In Haefelis Bildern ist Erotik zwar immer präsent. Sie ist aber auch zwanglos und verstellt nie die Möglichkeit, ein Bild auch anders als erotisch zu sehen. Die Körper, die Haefeli zeigt, sind zwar jung und schlank, aber nicht immer perfekt. Die Haut der Jünglinge ist frisch, aber sie glänzt auch, hat rote Flecken, aus einem Nasenloch lugen einzelne Haare.

Die Glyzinien und Magnolien erinnern an die Blumenbilder von Robert Mapplethorpe

Wie ein Revolutionär kommt Alexandre Haefeli sich mit seiner besonderen Art, den Männerkörper zu zeigen, trotzdem nicht vor: "Ich bin von der griechischen Antike beeinflusst und versuche ihr ein subversives Element hinzuzufügen. Aber auch von vielen Fotografen", sagt er, "besonders von Walter Pfeiffer." Mit dem bekannten Schweizer Fotografen hat Haefeli zusammengearbeitet, sie teilen den Humor, die Lässigkeit im Umgang mit Nacktheit. Geprägt haben Haefeli auch die Arbeiten des Turner-Preisträgers Wolfgang Tillmans, der Männer wie Frauen in ungeschönter, oft stark geblitzter Nacktheit zeigt. Aber auch die des Stars der modernen Männeraktfotografie, Robert Mapplethorpe. In seinem Spätwerk inszenierte der Blumen ganz ähnlich vor der Kamera wie vorher athletische Männer. Die floralen Hintergründe, vor die Haefeli seine nackten Jungs oft stellt, die Glyzinien, der Magnolienbaum, rufen diese Bilder auf - wirken aber weniger inszeniert, unschuldiger.

Vielleicht wäre das ein guter nächster Schritt für Titelseiten und Deo-Werbung: ein paar Blüten, locker um die Schultern eines Sixpack-Mannes drapiert.

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