Madonna:Eine Stilikone wird 60

Lolita, Vamp, Cowgirl - Madonna hat die Popwelt nicht nur um große Songs bereichert, sie hat auch unverwechselbare Looks geschaffen. Eine modische Würdigung.

Von Jan Kedves

11 Bilder

Madonna

Quelle: AP

1 / 11

Madonna feiert ihren Geburtstag. 60 Jahre alt - ein großer Runder, der ihren Popstar-Kollegen aus den Achtzigerjahren, Michael Jackson und Prince, nicht vergönnt war. Alle drei sind im Jahr 1958 geboren - ein für den Pop und den Stil außergewöhnlich guter Geburtsjahrgang. Jackson starb 2009, er trug glitzernde Paillettensocken, klebte sich die Fingerspitzen mit weißem Klebeband ab und kiekste in den höchsten Tönen, wenn er sich in den Schritt griff. Prince starb 2016, unvergesslich sind seine purpurfarbenen Samtanzüge, seine High Heels und seine supererotisch geformten Gitarren. Madonna hat beide überlebt. Weswegen sie, auch wenn das hart klingt, bis heute eine Stilikone ist.

Madonna

Quelle: Getty Images

2 / 11

1979

Im Jahr 1979, als dieses Foto entstand, kannte sie allerdings noch fast niemand. Damals war Madonna Louise Ciccone gerade aus ihrem streng katholischen, italoamerikanischen Elternhaus von Michigan nach New York gekommen, mit zarten 19 Jahren und - nach eigenen Angaben - 35 Dollar in der Tasche. Sie jobbte bei Dunkin' Donuts und posierte für wenig Geld für Aktfotos, um sich ihr Modern-Dance-Studium in der Schule der legendären Choreografin Martha Graham finanzieren zu können.

Diese Aktfotos wurden später, als sie längst berühmt war, von den Fotografen für sehr, sehr viel Geld verkauft. Wichtiger aber: Madonna sang damals schon in New-Wave-Bands, von denen man später nie wieder hörte - weil die Boyfriends, mit denen sie in diesen Bands spielte, entweder nicht talentiert genug waren oder weil Madonna eben keine besonders gute Teamplayerin ist. Sie trug zu dieser Zeit noch ihre Naturhaarfarbe, ein dunkles, möglicherweise abruzzisches Braun (von der Seite ihres Vaters). Die Blondierung, die später zu ihrem Markenzeichen und zum Ausdruck ihrer absoluten Ambition werden sollte, war noch keine Maßnahme. Und doch erkennt man auf diesem Foto mit der ordinären Jeans und den billigen High-Heel-Stiefeletten ganz klar Madonna: Sie hat da schon diesen mit endloser Disziplin trainierten Körper und diesen Blick, aus dem der unbedingte Wille spricht, es nach ganz oben zu schaffen.

-

Quelle: imago stock&people

3 / 11

1984

Im Jahr 1984 hat Madonna nun einen Plattenvertrag, ihre ersten Hits ("Everybody", "Burning Up") laufen schon in den Discos. Jetzt geht es darum, einen prägnanten Look für sie zu finden, der von MTV um die ganze Welt gesendet werden kann. Als hilfreich stellt sich ihre Freundschaft zur französischen Schmuckdesignerin Maripol Fauque heraus. Die ist in der New Yorker Modeszene zu der Zeit schon eine große Nummer, sie ist nämlich Art-Direktorin der Fiorucci-Boutique, in der es alles Schrille und Modische zu kaufen gibt, was man für eine durchtanzte Nacht im "Studio 54" oder in der "Danceteria" so braucht. Maripol wird Madonnas Stylistin und entscheidet, dass die Pop-Debütantin mit einem Mix aus offensivem Vulgarismus und ein bisschen katholischem Frevel auf sich aufmerksam machen soll. Also: nachlässig blondiertes Haar mit breiten Ansätzen, sehr viele Jesus-Kreuze, Nieten, Netz und Spitze und dazu dieses ständige obszöne Herumgekaue auf Kaugummis oder Lutschen an Lollis. Der Look ist billig, aber auch opulent. Vor allem ist er eine Mischung aus allem, was in den Jahren zuvor schon wichtig war: Punk, New Wave, Disco.

Studio Publicity Still from Who s That Girl Madonna © 1987 Warner Los Angeles CA USA PUBLICATIONxIN

Quelle: imago/Cinema Publishers Collecti

4 / 11

Ihr Look wird so schnell ikonisch, dass das Warenhaus Macy's schon im Jahr darauf, 1985, einen Madonna-Doppelgängerinnen-Wettbewerb veranstaltet, mit Andy Warhol als Juror. Maripol sagt später in einem Interview, Madonnas Strategie, immer wieder ihren Look zu ändern, sei genial, so fiele gar nicht auf, dass ihre Musik "ehrlich gesagt doch eigentlich immer gleich bleibt". Das ist natürlich fies. Dem ständigen Wandel ist jedenfalls sogar Madonnas Leberfleck unterworfen, er befindet sich über ihrer Lippe, unter dem rechten Nasenloch. In den Achtzigerjahren schminkt sie ihn erst viel größer und runder, als er eigentlich ist, später lässt sie ihn verschwinden. Man vermutet schon, sie habe ihn entfernen lassen. Dann scheint er doch mal wieder durch das Make-up durch. Wer sich für das Schicksal dieses Flecks interessiert, er hat seinen eigenen Twitter-Account: @MadonnasMole.

Jean Paul Gaultier

Quelle: AP

5 / 11

1990

Die Neunzigerjahre waren stilistisch Madonnas prägendstes Jahrzehnt. Was vor allem daran liegt, dass sie für ihre "Blond Ambition"-Tour 1990 begann, mit Jean Paul Gaultier (im Foto, rechts) zusammenzuarbeiten. Der französische Designer beherrscht die ganz hohe Schneiderkunst der Couture, andererseits hat er jederzeit Freude an Pop und allen Arten von Schock. Ein "Match made in Heaven", wie man so sagt. Unübertroffen ist Gaultiers sogenannter "Cone Bra" für Madonna, ein spitz zulaufender, kegelförmiger BH, der aus der Brust eine Waffe macht. Von nachfolgenden weiblichen Popstars ist die Idee aufgegriffen und weiterentwickelt worden: Katy Perry ließ die Kegel zu kessen Sahnespritzern werden, bei Lady Gaga schoss auf Knopfdruck ein Funkenregen gewehrartig aus den Spitzen heraus.

Madonna show

Quelle: AP

6 / 11

Letztlich waren all dies Verbeugungen vor Madonna und ihrer Beschäftigung mit dominanter Sexualität, oder vielmehr: ihrer Beschäftigung mit der Angst der Männer vor einer dominanten weiblichen Sexualität. Das war im Grunde Madonnas Thema die komplette erste Hälfte der Neunzigerjahre hindurch. Weswegen auch der andere Kostüm-Clou von Gaultier so ins Schwarze traf: die gürtelgeschnürte Corsage, getragen über einer schwarzen Männeranzugshose. Einst befreiten sich die Frauen aus dem Korsett, damit es sie nicht länger in ihrer alten Rolle einschnüren konnte. Madonna trug Jahrzehnte später das Korsett wieder ganz offensiv, diesmal als Beweis ihrer Selbstbestimmtheit.

Ein besseres Bild für den weiblichen Boss ist seitdem nicht gefunden worden. Der Papst forderte zum Boykott von Madonnas Auftritten in Italien während ihrer "Blond Ambition"-Tour auf. Ein Konzert wurde tatsächlich abgesagt. Die Wut über diese katholische Prüderie spornte Madonna nur noch mehr an. In der Phase ihres "Erotica"-Albums sowie in dem legendären pornografischen Fotobuch "Sex" (beide 1992) trug sie eigentlich gar nichts mehr - außer einem Goldzahn und vielleicht ein bisschen Fetisch-Leder-Unterwäsche. 1996 wurde sie zum ersten Mal Mutter und erfand sich als Hippie-Motherhood-Madonna neu ("Ray of Light", 1998). Wobei es kurz danach auch noch die Kabuki-Madonna mit weiß geschminktem Gesicht gab ("Nothing Really Matters"). Die Neunzigerjahre waren, wie gesagt, Madonnas stilistische Glanzzeit.

Madonna, Don't tell me

Quelle: Warner Bros. Records

7 / 11

2000

Blickt man auf die Jahre mit Madonna zurück, muss man ehrlicherweise auch sagen: Ab den Nullerjahren passierte optisch bei ihr nicht mehr allzu viel. Die letzte überraschend gewandelte Madonna ist im Jahr 2000 die Edel-Country-Madonna - mit akustischer Gitarre, Karohemd, Cowboyhut und viel Steppensand im Stiefel. So präsentiert sie sich im Video zu ihrer Single "Don't Tell Me". Das ist wohlgemerkt 18 Jahre her, bevor Lady Gaga und Katy Perry auf die Idee kamen, auch sie könnten ihrer üblichen Kirmes-Disco-Routine ja mal mit ein bisschen Country-Twang und Cowgirl-Looks für eine Weile entkommen. Madonna war - wie so häufig - die Vorreiterin.

MADONNA

Quelle: AP Photo/Dan Smith, Warner Brothers Records

8 / 11

Danach gab es im Jahr 2003 noch die Camouflage-Militär-Madonna, auch sie war einigermaßen neu. Die Single "American Life" erschien parallel zur völkerrechtswidrigen Invasion der USA und ihrer Koalition der Willigen in Irak, im Video dazu trägt Madonna Barrett und Soldatenuniform, und ihr Haar ist naturbraun - vermutlich, weil eine Blondierung ja immer ein etwas eitler, selbstverliebter Akt ist, und so ein Akt ziemt sich für eine wahre Soldatin kaum. Symbolpolitik! Madonna ist sogar noch Perfektionistin, wenn es um Stilfragen in der Armee geht. Gegen Ende des Videos wirft sie eine Handgranate in Richtung eines Doppelgängers von George W. Bush. Die ging nach hinten los: In den USA diskutierte man über Madonnas angeblich mangelnden Patriotismus. Der Vorwurf, "unamerikanisch" zu handeln, wiegt in den USA ja besonders in Kriegszeiten immer schwer. Während sie sonst nie einem Skandal aus dem Weg gegangen war, zensierte sie das Video. Seitdem ist Madonna vorsichtiger geworden. Sie verlässt sich vor allem auf das, was schon einmal funktioniert hat.

-

Quelle: AFP

9 / 11

Zum Beispiel reaktivierte sie mehrfach die superfitte Tanz-Madonna im hautengen Elastikoutfit - am erfolgreichsten 2005 für ihren Hit "Hung Up". Der stellte auch musikalisch eine Reaktivierung dar, nämlich von Abba: "Hung Up" basiert auf einem markanten Sample aus deren Hit "Gimme! Gimme! Gimme! (A Man After Midnight)" von 1979. Was die Optik angeht, sampelt sich Madonna aber am liebsten selbst, oder freundlicher gesagt: Sie bedient sich ihres eigenen Fundus. Der ist ja auch reicher als der vieler anderer Popstars.

Heavenly Bodies: Fashion & The Catholic Imagination Costume Institute Gala - Outside Arrivals

Quelle: AFP

10 / 11

2018

Geradezu beispielhaft ist das Outfit, das sie Anfang Mai zur diesjährigen Met-Gala in New York trug. Das Motto war katholisch, und zu dem Thema fällt Madonna ja immer etwas ein - was eben an ihrer Hassliebe zum Katholizismus liegt: Hass auf das meiste, wofür er inhaltlich steht, Liebe zu seiner Ikonografie, wie etwa den Kreuzen, mit denen ihre Karriere mal begann. Im Metropolitan Museum of Art lief Madonna also zu einer sich selbst zitierenden Hochform auf. Sie arbeitete wieder mit Jean Paul Gaultier zusammen, und der schneiderte ihr ein prächtiges, pompöses Goth-Päpstinnen-Kleid samt Netzschleier in Schwarz. Ketzerisch, weil das Kleid vorne, quer über der Brust, in Form eines Kreuzes natürlich transparent ist. Selbstironisch, weil es mit noch viel mehr Kreuzen behängt, bestickt und besteckt ist, als man es überhaupt für möglich gehalten hätte. Voilà, die Vogue fand das Outfit "shocking" - Ziel erreicht!

-

Quelle: Instagram

11 / 11

Wenn sie nicht gerade über einen roten Teppich läuft, lebt Madonna ihren Selbstdarstellungsdrang heute aber vor allem online aus. Neue Musik oder neue Videos gibt es von ihr gerade nicht (sie arbeitet angeblich, wie immer, an einem neuen Album). Dafür ist sie auf Instagram sehr aktiv. Dort hat sie 11,5 Millionen Fans - und für die lädt sie quasi täglich neue Selfies und Videos aus ihrem Alltag hoch. Richtig süß sind diese Postings.

Instagram hält eine breite Auswahl an Gesichtsfiltern bereit, mittels derer man sich Hasenohren auf den Kopf oder alle möglichen verschiedenen Sonnenbrillen auf die Nase machen lassen kann. Madonna liebt solche Effekte. Vielleicht auch, weil sie wie nebenbei jünger machen? Nicht dass Madonna ein Problem mit dem Altern hätte. Sie macht kein riesiges Geheimnis daraus, dass sie Kundin bei den besten und teuersten Schönheitsspezialisten ist. Auch verkauft sie ihre eigene Kosmetikserie MDNA Skin, deren Produkte die Jahresringe nur so aus dem Gesicht purzeln lassen, oder dies zumindest versprechen. Auf Instagram beweist Madonna vor allem, dass sie gar nicht nur die eiserne, superernste Geschäftsfrau ist, für die man sie doch viel zu gerne hält. Nein, auf Instagram ist Madonna ganz albern und zeigt, dass sie noch viel Spaß am visuellen Experimentieren an und mit sich selbst hat. Spaß hält bekanntlich jünger als jeder Instagram-Filter. Also: Herzlichen Glückwunsch, Madonna!

© Jan Kedves/pvn
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: