Süddeutsche Zeitung

Loungeware:Stilvoll daheim

Zehn Outfits für Krisenzeiten, präsentiert von den Helden des Kinos.

Von SZ-Autoren

Hauptsache, bequem: Jeff Bridges hat viele Rollen gespielt, aber nie war er so echt wie in "The Big Lebowski", der lustigsten Komödie der Neunzigerjahre. Bridges spielt den Dude. Einen Mann, der mit sich und seinem Äußeren im Reinen ist, solange er nur mit seinen Kumpels abhängen und bowlen kann. Im Film trägt der Dude, ein großer Bequemlichkeitskünstler, karierte Shorts, verwaschene Hoodies, derangierte Bademäntel und die legendäre braune Strickjacke mit den indianischen Mustern - ein Klassiker für "Lebowski"-Fans, fürs Home-Office aber eher weniger geeignet. Damit so ein Auftritt als Dude nicht in die Schlabberhose geht, sollte man schon die ungekünstelte Lässigkeit eines Jeff Bridges haben. Darauf einen White Russian!

Schön im Schlaf: Vergesst das kleine Schwarze, die modische Offenbarung in "Breakfast at Tiffany's" ist in Wahrheit das große Weiße. Als der neue Nachbar Paul das erste Mal an Hollys Tür klingelt, wacht sie auf und wirft sich ein langes weißes Smokinghemd über. Dazu trägt sie die legendäre Schlafbrille mit Wimpern in Tiffany-Türkis, Ohrstöpsel mit langen Troddeln daran, damit sie wie Ohrringe aussehen. Die perfekte Ausstattung für alle, die in der Selbstisolation vor allem viel Schlaf nachzuholen haben. Grundsätzlich sind weiße Männerhemden die einzige Abhängvariante, die lässig und gleichzeitig sexy ist. Besser allerdings, man hat Fußbodenheizung zu Hause.

Minimalistisch: Ob man zu Hause schon an der Wohnungstür den Jeansknopf öffnet oder sich auch samstags die Haare kämmt, das sind Informationen, die der Mensch im Allgemeinen nur mit seinen engsten Angehörigen teilt. Die große Ausnahme von dieser Regel ist die Lebenszweckgemeinschaft, die WG, in die ja nicht jeder mit seiner Freundin aus Schulzeiten zieht. Der Wohngemeinschaft ein filmisches Denkmal gesetzt hat der Film "Notting Hill" aus dem Jahr 1999. Der wunderschöne und so zart besaitete Hugh Grant teilt darin ein schmales Londoner Häuschen mit einem Herren namens Spyke (Rhys Ifans), das Letzterer mangels Erwerbsarbeit so gut wie nie verlässt. Und während der Hauptdarsteller den ganzen Film über ordentliche Hemden zum Hundeblick trägt, ist Spykes Heimgarderobe ein wenig extravaganter. Er hängt rum in Taucheranzug oder in T-Shirts mit Botschaften, am allerliebsten aber trägt er einen Hauch von gar nichts. Die Vorteile, ganze Tage in Unterwäsche zu verbringen, liegen auf der Hand: wenig Verkehrsaufkommen in der Waschmaschine, völlige Unabhängigkeit von Tageszeiten, und man kann sich überall kratzen. Steht allerdings die britische Presse vor der Tür, ist ein Bademantel ratsam.

Allzeit bereit zum Lunch: Ein Teil des Zaubers der Serie "Sex and the City" ging bekanntlich von ihrer völligen Lebensferne aus. Carrie Bradshaw, Freiberuflerin und Autorin einer Zeitungskolumne, verdiente mit dieser Tätigkeit ausreichend Geld für teure Kleider und Schuhe und verschwendete auch nur so wenige Stunden auf den Job, dass sie täglich Zeit zum Shoppen hatte. Wenn Carrie doch mal arbeiten musste, dann tat sie das natürlich im Home-Office, an ihrem Macbook, und anders als die vielen Jogginghosenträger dieser Tage, war sie immer mindestens Lunch-tauglich angezogen. Nicht wegen drohender Videokonferenzen natürlich. Nur für den Fall, dass Mr. Big an der Tür klingelt.

Für Couch-Potatoes: Der Mainstream unter uns wird nach ein paar Tagen zu Hause ungefähr so aussehen wie Winona Ryder alias Lelaina in "Reality Bites". Als sie arbeitslos wird, hängt sie den ganzen Tag mit Kippe, Oversized-T-Shirt oder Schlabberbluse in der WG ab, dazu Boyfriend-Jeans, die wirklich nur ganz knapp nicht vom Hintern rutschen. Vorteil: Hat man selbst alles im Schrank, und der Hosenbund lässt Spielraum für ein paar zusätzliche Quarantäne-Kilos. Nachteil: Die wenigsten haben diese It-Frisur aus den Neunzigern, die wie gemacht zum verzweifelten Haareraufen ist. Kette rauchen, um die Zeit totschlagen wie Ryder damals, haben sich die meisten längst abgewöhnt. Obwohl: Das zumindest ginge in den eigenen vier Wänden vielleicht wieder.

Wenn, dann der: Nein, nein. Keinesfalls soll hier die Meinung vertreten werden, dass man dieser Tage im Schlafanzug gut angezogen ist. Es braucht vielmehr Schlaf- und Jogginganzugsvermeidungsstrategien, um sich in Quarantänezeiten einen Rest von Menschenwürde zu bewahren (siehe unten etwa Catherine Deneuve). Sollte nach einer Woche aber dennoch der Moment gekommen sein, in dem die Energie fehlt, spätestens zum Mittagessen den Schlafanzug abzustreifen, dann sollte es bitte ein Pyjama sein. Das klassische Modell, einfarbig hellblau, zart kariert oder wie hier bei Doris Day mit Blockstreifen, vermittelt einen letzten Rest von Angezogenheit. Ein seidener Morgenmantel darübergeworfen, bekommt er fast schon was Mondänes.

Das 24-Stunden-Kleid: Klar kann man den ganzen Tag im karierten Pyjama rumhängen. Aber das sogenannte "Slipdress" ist ungleich attraktiver und das einzige wirkliche 24/7-Kleidungsstück, weil es sowohl Nachthemd wie auch Ausgehkleid sein kann. Charlotte Rampling hatte im champagnerfarbenen Negligé 1969 ihren ersten großen Auftritt in Viscontis "Die Verdammten". In den Neunzigern zogen Kate Moss und Courtney Love die schlichten, seidenen Unterziehkleider dann einfach an, um darin durch die Clubs zu ziehen und einen Rockstar abzuschleppen. In den vergangenen Jahren wurden Slipdresses - mit T-Shirt oder Rollkragenpullover drunter - sogar tagsüber getragen. Empfehlenswert für alle, die weder Talent noch Lust haben, sich aufwendig zurechtzumachen, aber in jedem Fall verhindern wollen, sich in der Selbstisolation hoffnungslos gehen zu lassen. Harmoniert außerdem perfekt mit all den minimalistischen Wohnungseinrichtungen heutzutage. Einziges Problem der All-in-One-Option: Nach Tag drei oder vier müsste das hübsche Nichts dann vielleicht doch mal gewaschen werden, geht mit Seide zu Hause aber schlecht. Wer bringt das Teil jetzt bloß in die Reinigung? Und hat die überhaupt noch auf?

Ständiger Begleiter: Ein Sweatshirt ist der Inbegriff des informellen Kleidungsstücks für viel Bewegungsfreiheit, das sagt schon der Name. Als Sportoberteil mit saugfähiger Anti-Schweiß-Oberfläche kam es lange nicht über Trainingsplätze oder Stadien hinaus und hatte ein entsprechend muffelndes Image, irgendwo zwischen ungelüftetem Spind und sandverklebten Tennisschuhen. Dann kam 1983 Jennifer Beals in "Flashdance" angeweht wie eine Frühlingsbrise, und seitdem ist das Graumelierte ein Klassiker in jedem Kleiderschrank: lässig (ehrlicher gesagt: saubequem) und trotzdem vorzeigbar. Ideal also als 24-Stunden-Begleiter durch alle Tag-und Nachtphasen, da engt nichts ein, trotzdem kann man dem Briefträger aufmachen. Aber ein paar Regeln gibt es, ganz zwanglos natürlich. Erstens, in Kombination mit einer Hose aus dem gleichen Stoff verliert das Sweatshirt sofort neun von zehn Punkten auf der Lagerfeld-Skala. Zweitens hat die modische Aufwertung durch "Flashdance" nicht nur mit Jennifers notorisch freigelegter Schulter zu tun (solche Eighties-Modelle sind gerade wieder zu haben). Sondern auch mit dem blitzsauberen Gesamteindruck. Da modert nichts mehr. Also: ab und zu waschen, das gute Stück.

Lügen mit Grandezza: Keine Sorge, bevor gleich das Kopfschütteln losgeht: Das hier ist nicht ernst gemeint. Und es war auch damals nicht ernst gemeint, 1934, als Jean Harlow gerade zur berühmtesten Blondine Hollywoods wurde. Im Film "Dinner at Eight" von John George Cukor wird gezeigt, was die Menschen am dringendsten brauchten: eine Scheinwelt, einen Traumort, an den man neunzig Minuten lang im Kino fliehen konnte und vielleicht noch ein paar Stunden danach. Es waren die Jahre der Wirtschaftskrise, natürlich lief kaum eine Frau zu Hause in Satinpantöffelchen und glamourösem Morgenrock mit Marabu-Besatz herum. Das Outfit sollte zur Schau stellen, was gerade alle nicht hatten: Zeit, Geld und Muße, um sich am Frisiertisch mit untergeklemmtem Telefonhörer schnatternd die Nägel zu machen. Übertragen auf die Coronazeiten ergeben sich daraus zwei Möglichkeiten. Entweder man imitiert Hollywoods eskapistische Verkleidungsfilme aus den Dreißigern und probiert aus, ob sich ein Tag in den eigenen vier Wänden besser anfühlt, wenn man so tut, als wäre man jemand anderes (Faschingskiste, möglichst mit Federboa). Oder man sieht sich in frei wählbarer Kluft einen der Filme an und lässt sich ein bisschen Grandezza vorgaukeln.

Haltung bewahren: Es ist an der Zeit, die Renaissance eines aus der Mode gekommenen Kleidungsstückes einzuläuten: des Hauskleides. Es mag auf den ersten Blick spießig wirken, zumal wenn es so kariert ist wie das von Catherine Deneuve in "Das Schmuckstück", es mag an alte Jungfern und strenge Gouvernanten erinnern und optisch ein paar Lebensjahre draufpacken. Doch es zeigt Haltung. Nicht zu weit geschnitten, dann auch wieder nicht so eng, dass der Mann, der die Supermarktbestellung anliefert, auf falsche Gedanken kommen könnte. Der Rock kniebedeckend, der Stoff robust, das Muster so großformatig, dass Soßenspritzer nicht weiter auffallen. Es ist das Kleid für die Krise.

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Quelle:
SZ vom 21.3.2020
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