Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Weiche Stellen

Die wichtigste Modefrage diesen Winter: Was tragen, wenn man ohnehin nur noch zwischen Bett und Sofa pendelt? Zwei aktuelle Vorschläge gibt es in unserer Modekolumne.

Von Julia Werner & Max Scharnigg

Für sie: Neuer Glamour auf dem Sofa

Es gibt keine Modemarke, die jetzt nicht auf sogenannte Loungewear setzt, zu Deutsch: Jogginganzüge. Für etwas Glitzernderes fehlt zur Zeit mangels Glamouranlässen wie Weihnachtsfeiern auf Kegelbahnen die Konsumlust. Jogginganzüge sehen zudem an Models immer lässig aus, aber die Verwunderung ist groß, wenn das Zeug an einem selbst irgendwie anders wirkt als an der Internet-Grazie. Das liegt nicht nur am Wohnzimmer, das ja gar keine Lounge ist, sondern auch an den körperlichen Auswölbungen vorne und hinten. So verformt sich der im Webshop so lässig an klapprigen Schultern hängende Jersey-Look in das, was er eben ist: die Uniform einer Bettlägrigen. Rettung in Sachen Schön-zu-Hause-abhängen kommt für die Bildungsbürgerin von unverhoffter Seite. Kim Kardashian verkauft mit ihrem Label Skims nicht nur schön schlichte und in vielen Körper- und Farbvarianten erhältliche Wäsche, sondern auch Homewear, in der man sich fühlt wie eine Sirene auf der Loreley. Das Geheimrezept des Gutangezogenseins lautete nämlich schon immer: Je größer der Hintern, desto enger muss die Klamotte sein! Die Billigvarianten bei den großen Modeketten sind längst vom Kardashian-Design inspiriert, Sweatshirts enden plötzlich auf Bauchnabelhöhe, Jogginghosen werden taillenhoch getragen. So bleibt, wie bei diesem kuschligen Bestselleroutfit der Erfinderin, nur noch ein schmaler Körperstreifen frei, der als Einflugschneise für Nierenverkühlungen dient. Ein bisschen Nervenkitzel in diesen langweiligen Lockdownzeiten muss aber ja auch sein.

Für ihn: Oldschool-Lustkiller

Die Frage, was der Mann von Welt nachts trägt, bewegt die Gemüter nicht allzu sehr. Denn die Antworten waren schon immer wenig spektakulär und ein bisschen banalegal. Und wer zu viel Aufwand auf sein nächtliches Outfit legte, wurde zumindest in der Kultur als Männerfigur eher belächelt: etwa Onkel Fritz bei Max&Moritz, Professor Abronsius in "Tanz der Vampire" oder Hercule Poirot. Seit die Epoche des WFH (Working From Home) angebrochen ist, lohnt sich aber eine Prüfung dessen, was man so an nächtlicher Softwear im Schrank hat, schließlich geschieht es nun häufiger, dass man die Sachen mittags immer noch trägt. Ein guter Morgenmantel gehört deshalb jetzt auf jeden Fall an die Schlafzimmertür, dazu angenehm ausgelatschte Mokassins, die im Winter auch gerne gefüttert sein dürfen. In diesem Aufzug lassen sich Paketboten und Lebensmittellieferungen empfangen und die ersten Stunden des Tages in häuslicher Geschäftigkeit gut verbringen. Ein Bündchen-Schlafanzug, wie ihn das angesagte Label Sleepy Jones hier in seinem Sortiment hat, ist auch ganz süß, und man wird darin sicher in guten Nostalgieschlaf sinken, denn zuletzt trug man derlei ja mit acht. Aber dass der Bettpartner ähnlich warme Erinnerungen an weiche Jersey-Schlafanzüge mit aufgeribbelten Ärmelbündchen teilt und sie wohlwollend in erotische Anziehungskraft umwandelt - das scheint doch unwahrscheinlich. Vielleicht ist dieser Oldschool-Pyjama aber trotzdem eine gute Wahl. Er zwingt einen immerhin dazu, sich morgens schnell Gedanken über ein richtiges Outfit zu machen.

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