London Fashion Week:Gaga und der verrückte Hutmacher

Bei Philip Treacys Hutmodenschau sitzt seine vielleicht beste Kundin nicht nur im gewagten Blumenschmuck in der ersten Reihe. Lady Gaga geht auch selbst auf den Laufsteg - in vertraut provokanter Pose.

1 / 1
(Foto: Getty Images)

Bei Philip Treacys Hutmodenschau sitzt seine vielleicht beste Kundin nicht nur im gewagten Blumenschmuck in der ersten Reihe. Lady Gaga geht auch selbst auf den Laufsteg - in vertraut provokanter Pose. Sie allein könnte die Existenzberechtigung für Philip Treacys verrückte Hutkreationen sein: Lady Gaga. Wie keine Zweite inszeniert sich die Sängerin als exzentrischer Paradiesvogel und so scheinen etliche Modelle des irischen Designers ihr wie auf den Kopf geschneidert - so auch dieser Blumenkranz. Als Gast in der ersten Reihe bei Treacys Show während der London Fashion Week trug ihn Gaga entgegen aller Konventionen nicht auf oder um, sondern vor dem Kopf.

Doch nicht nur neben, auch auf dem Laufsteg waren schier untragbare Variationen zum Thema Hut zu sehen, die mit dem klassischen Verständnis von Kopfbedeckung nur schwerlich in Einklang zu bringen sind. Um mit dieser Bling-Bling-Version einer Spiderman-Maske nirgends anzuecken, muss der Träger vermutlich über Superkräfte verfügen.

Nahrungs- und Kontaktaufnahme dürfte auch in dieser auf den Kopf gestellten Version eines Hutes schwerfallen. Soll uns die Farbwahl etwas sagen? Dass wir Deutschen es kaum schaffen, mal über den Tellerrand hinauszuschauen, zum Beispiel? Treacy gelingt das jedenfalls mühelos.

Was er da auf den Laufsteg gebracht hat, lässt sich nur schwer unter einen Hut - Verzeihung, auf einen gemeinsamen Nenner - bringen. Es gilt: Je verrückter, desto besser: Ob eine ganze Kirmes auf dem Kopf, oder ...

... die naturalistische Interpretation eines Paradiesvogels. Mit Treacys Kopfbedeckungen ist es wie so oft mit Haute Couture: Alltagstauglich ist das nicht, tragbar auch nur in Ausnahmefällen - und vielleicht beim Pferderennen in Ascot.

Inspirieren lässt sich der 45-Jährige offensichtlich, wo er geht und steht: Von dem Verkäufer in der Pafümerie, der fragt: "Möchten Sie's als Geschenk verpackt?", ...

... beim Weinbergschnecken-Schlemmen auf dem Landsitz von Freunden im Burgund, oder ...

.. im Wohnzimmer des Bekannten, der gerade von einer Afrika-Reise zurückgekehrt ist. So zumindest stellt man sich das Leben eines verrückten Hutmachers wie Treacy vor. Vielleicht ist es aber auch viel langweiliger. Vielleicht hängt er sogar, wie all die anderen langweiligen Menschen weltweit, ab und an vor dem Fernseher.

Welcher Sender bei dem Mann zuhause läuft, der die gesamte britische Monarchie mit Kopfbedeckungen versorgt (von denen nicht alle derart zum Kultobjekt avancieren wie es das Brezen-Modell von Prinzessin Beatrice tat)? Ist doch klar: Der Disney Channel. Und wer glaubt, dass zwei Micky-Maus-Ohren einen Mann zur Witzfigur machen, ...

... hat dieses Modell noch nicht gesehen. Es hat allerdings einen klaren Vorteil: Der Träger bleibt unerkannt.

Die Michael-Jackson-Fans hat der Hutmacher mit einer eigenen Kreation bedacht: Diese überdimensionierte Kopfmassage erinnert doch sehr an den berühmten weißen Handschuh, den der Sänger auf seiner Welttournee 1983 trug und der 2009 für mehr als 400.000 Dollar versteigert wurde.

So geriet die Hutmodenschau zum wahren Pop-Art-Happening, zum Ritt durch das Wunderland des verrückten Hutmachers. Und wenn Treacy der Hutmacher ist, ...

... ist Lady Gaga seine Alice. Die Sängerin betrat auch selbst den Laufsteg in London - in gewohnt provokanter Pose: Die Sängerin trug eine pinkfarbene Burka, einen Ganzkörperschleier, wie er in Frankreich jüngst verboten wurde. Kopfbedeckung in ihrer politischsten Form.

© Süddeutsche.de/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: