Restaurantkritik "Lokaltermin":"Speisen ohne Grenzen": Pop-up-Lokal in Wien

Pop-up-Lokal Speisen ohne Grenzen in Wien

Eines der sieben Gerichte im Pop-up-Lokal "Speisen ohne Grenzen" am Wiener Donaukanal.

(Foto: Clemens Schmiedbauer/Speisen ohne Grenzen)

Authentisch und köstlich: Im Pop-up-Lokal "Speisen ohne Grenzen" am Wiener Donaukanal kochen Geflüchtete Gerichte aus ihren Heimatländern - für unsere Autorin eine echte Empfehlung.

Der Donaukanal ist das Schönwetterzentrum von Wien. Hier am Wasser und unter freiem Himmel empfängt noch bis Ende September das Pop-up-Lokal von Speisen ohne Grenzen seine Gäste. Der Verein unterstützt geflüchtete Frauen, die Gerichte aus ihren Heimatländern kochen. Die Küche ist in einem Verschlag untergebracht, man sitzt auf Paletten und isst von Papptellern. Eine echte Empfehlung, findet Katharina Seiser. Wo sonst kann man so sinnstiftend und authentisch essen?

Wo soll man anfangen? Denn das Lokal, das hier besprochen werden soll, ist gar kein richtiges, und eine richtige Adresse hat es auch nicht. Es gibt Pappteller und Holzbesteck statt Porzellan, Selbstbedienung statt Service. Man sitzt auf unbequemen Palettenmöbeln, Heurigenbänken oder Liegestühlen. Auf der Karte stehen nur sieben Gerichte. Und wenn es dunkel wird, dann wird es das auch auf dem Teller. Das macht aber alles überhaupt nichts, weil das Essen sehr gut ist und authentisch dazu. Und weil es hier um mehr geht als um ein Abendessen.

Willkommen im Sommer-Pop-Up des Vereins "Speisen ohne Grenzen", gelegen am Wiener Donaukanal, dem Schönwetter-zentrum der Stadt. Alles findet hier im Freien statt und auch nur, wenn es nicht regnet (täglich vom späten Nachmittag an, am Wochenende schon von Mittag an). Die luftige Küche des Pop-Ups hat Unterschlupf gefunden in einem Holzverschlag bei der "Adria Wien", einem fröhlich lauten Outdoor-Lokal (bei der Salztorbrücke auf der Seite des 2. Bezirks hinunter an den Kanal und dort ein paar Meter Richtung Norden). Und die Köchinnen sind Fatima aus Afghanistan, Giulia aus Georgien, Halima aus Somalia und Shireen aus Syrien (die Gerichte kosten zwischen vier und elf Euro).

Es stimmt einfach: Essen bringt Menschen zusammen

Speisen ohne Grenzen wurde erst vor einem Jahr gegründet. Doch schon jetzt ragt der Verein unter den vielen Projekten für Geflüchtete hervor. Weil er mehrere Ziele auf schlaue Weise miteinander verbindet: Menschen aus instabilen oder sogar kriegsgeschüttelten Ländern Halt und Unterhalt geben, ihre Deutschkenntnisse fördern und - die Neugier ihrer Gastgeber auf die Küche ihrer Heimatländer wecken. Essen bringt Menschen zusammen, es ist erstaunlich, wie viel an dieser Binse immer wieder dran ist. Begonnen hat Speisen ohne Grenzen mit Mittagsmenüs, die - von sechs Portionen an - per Lastenrad im Mehrweggeschirr ausliefert werden. An jedem Tag kocht eine andere der Frauen.

Ein nächster Schritt war das Pop-Up, mit Unterstützung der fröhlichen Gastronomin Naré Jalil vom Wiener Café Katscheli. Der Abend am Donaukanal beginnt fulminant - mit einem georgischen Hochzeitsteller "Pchalis" von Giulia (Nachnamen sind hier Nebensache). All die Herrlichkeit, die Georgiens viel gerühmte, in Westeuropa aber immer noch so gut wie unbekannte Küche auszeichnet, ist auf diesem Pappteller versammelt: sehr viel Gemüse, sehr viele Kräuter, sehr viele Walnüsse und frische Granatapfelkerne.

Der Blattspinat kommt als Aufstrich, dazu gibt es eine fantastische Bohnencreme mit Unmengen gemahlenen Walnüssen und Rote-Rüben-Salat mit Koriander und Granatapfel. Regelrecht süchtig machen die gebratenen Melanzaniröllchen mit würziger Walnusspaste als Füllung. Leider ist nur eines davon auf dem Teller, aber man versteht das, weil sie so viel Arbeit machen.

Fernweh trifft auf Heimweh

Der Genuss ist tatsächlich ein wenig zweischneidig. Weil das Essen uns sofort daran erinnert, wie gern wir nach Georgien reisen wollen, um diese Küche besser kennenzulernen. Und weil einem bewusst wird, dass es dabei um ein Privileg geht, das die Köchin selbst nicht genießt.

Syrische Gerichte mögen vielen Europäern inzwischen vertrauter sein als georgische, aber einen so sauber definierten, gut gewürzten und frisch gemachten Fattoush (Brotsalat) bekommt man dann doch selten: Blattsalat, Petersilie, viel aromatische Minze, Granatapfelkerne, akkurat geschnittene und in Olivenöl ausgebackene Fladenbrotblättchen von - schon wieder - süchtig machender Knusprigkeit mit einem säuerlichen Dressing. Davon hätte es ruhig mehr sein dürfen. Die geringe Menge ist aber womöglich den hohen Temperaturen geschuldet, die den Salat rascher zusammenfallen lassen.

Bunt und intensiv gewürzt: somalische Teigtaschen

Die große somalische Teigtasche Sambosa trägt eine ihrer spitz zulaufenden Enden knallrot eingefärbt, ein Hinweis darauf, dass man in Somalia in der Küche wie bei der Kleidung auf bunte Farben setzt. Die Teigtasche ist mit faschiertem Rind gefüllt und intensiv gewürzt. Bei dem Angebot von Speisen ohne Grenzen ist es definitiv ein Vorteil, Fan von Knoblauch und Schärfe zu sein. Das Gebäck trieft vor kurkumagelbem Öl, das auf den sehr scharfen, hausgemachten Chilidip, den Salat und das obligate Bananenstück tropft.

Das Tagesgericht stammt aus Afghanistan, ein butterweich geschmortes Lammragout mit gelben Linsen (oder waren es doch Spalterbsen oder kleine Bohnen?) in einer duftenden Tomatensauce, dazu perfekt gegarter, körniger Basmatireis mit Kardamom und Kichererbsen. Große Reiskunst gibt es nicht nur in Iran, sondern eben auch in den Nachbarländern wie Afghanistan, von deren Küchen wir in der Regel erschütternd wenig Ahnung haben. Ein Verlust! Die Limonade Khakshir kennt man da wie dort, und die winzigen Samen der Besenrauke machen ein Spektakel aus dem zart säuerlichen Sommergetränk.

Fatimas Baklava mit überraschender Käsecreme

Der angenehm dezent gesüßte, grobkörnige Kokos-Grieß-Kuchen aus Somalia ist dann wie so oft der Beweis, dass guter Kuchen nicht viele Zutaten und schon gar kein "Topping" braucht.

Wenn allerdings gerade Fatimas Baklava mit Pistazien und Frischkäsefüllung auf der Karte stehen, sollte man jede Zurückhaltung aufgeben und zuschlagen. Sehr viele sehr knusprige Filoteigschichten mit gehackten Pistazien, Sirup zu köstlichen Dreiecken gefaltet - und innendrin ein überraschendes Herz aus zartkäsiger Creme.

Wenn Fatima eine Konditorei aufmachen sollte, wird man ihr im süßverliebten Wien sicher die Tür einrennen. Und den Kolleginnen mit ihren würzigen Köstlichkeiten ebenso. Vorerst aber kann man noch bis Ende September bei Schönwetter mitten in Wien auf Weltreise gehen.

In einem Satz: Lässiges Pop- up-Lokal mit authentischer Küche und organisiert von einem Verein, den man sich merken sollte.

Qualität: ●●●●○ Ambiente: ●●○○○ Service: ●●●●○ Preis/Leistung: ●●●●●

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