Lokaltermin:So schön hier

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Wer sich in Ruhe unterhalten will, kommt nicht zwingend auf die Idee, ein Kölner Brauhaus anzusteuern. Ein Fehler, wenn man die Malzmühle sieht.

Von Jutta Göricke

Wer sich beim guten Essen in Ruhe unterhalten will, kommt nicht zwingend auf die Idee, ein Kölner Brauhaus anzusteuern. Das ist ein Fehler, findet Jutta Göricke. Jedenfalls, wenn man in der Innenstadt die Malzmühle wählt. Dort gibt es robuste Küche, die mit kleinen Überraschungen aufwartet. Nur zu Karneval sollte man sogar diesen Ort meiden.

Ein Besuch in einem Kölner Brauhaus? Am besten noch zu Karneval? Keine gute Idee. Da wird man von wildgewordenen Clowns gebützt und von frivolen Krankenschwestern eingequetscht, die im Einklang mit großen Lautsprecherboxen verkünden, dass der Dom überraschenderweise auch dieses Jahr in Köln verbleiben wird. Nichts ist so, wie es sein soll in einem Brauhaus mit Anspruch. Und wie ihn die Malzmühle formuliert.

In dem Traditionshaus am Heumarkt legt man Wert auf ein Ambiente, das gepflegte Gespräche unter Nachbarn fördert. Daher wird außerhalb der Karnevalssaison niemals Musik gespielt. Aber wie sieht es aus mit Gästen aus der Nachbarschaft, wo doch vielen Kölner Brauhäusern der Ruf vorauseilt, Touristenfallen zu sein? Treffen sich hier wirklich die Leute aus dem Veedel - oder ist das Marketing-Rührseligkeit?

Ja, an diesem Sonntag tun sie es. Zum Beispiel am Nebentisch, an dem sich vier ältere Herrschaften zum Abendbrot versammelt haben. Es gibt Mettbrötchen und Halve Hahn, der natürlich nichts mit Hendln zu tun hat, sondern einfach nur ein Röggelchen mit Gouda ist. Diese Klassiker der kalten Brauhausküche wären zusammen mit den Damen im Lurex-Pullover eine allzu mundgerechte Steilvorlage für folkloristischen Überschwang. Sind sie aber zum Glück nicht. Denn man spricht Hochdeutsch - auch in Köln leben Zugereiste. Weitere willkommene Friktionen: ein Tisch mit chinesischen Touristen und ein Bayer, der Schweinshaxe isst.

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Das Haus, in dem sich die Malzmühle befindet, ist auch kein historisches Kleinod, sondern - mitten in der einst kriegszerstörten Altstadt gelegen - ein Bau aus den Fünfzigern. Das hat den angenehmen Effekt, dass die Innenausstattung mit nur wenigen Signalen uriger Gemütlichkeit auskommt: blankgescheuerten Holztischen, einem mächtigen Radleuchter und Butzenscheiben zu weißen Wänden. Da wirkt die Wandvitrine, die mit einem Bataillon von Karnevalsorden bestückt ist, fast museal - und wunderschön.

Spätestens jetzt ist es doch kölsche Idylle pur. Die Malzmühle, 1858 gegründet, ist eine der ältesten Brauereien Kölns und in fünfter Generation in Familienbesitz. Bis heute brauen sie hier, im Herzen der Stadt, ihr Bier, ein Kölsch mit malziger Note. "Hee stonn diejinnige, die immer hee stonn", ist auf einem Schild zu lesen und das, wo Brauhäuser keine Theke haben, an der man stehen könnte. Dafür gibt es in der Malzmühle einen "Beichtstuhl", die vollverglaste, von dunklem Schnitzwerk gerahmte Kommandozentrale einer mächtigen blonden Lady, die den Gästen ihren Tisch zuweist. Erwähnenswert auch die Klofrau in Kittelschürze, deren aufgestellte Putzmittelbatterie eine Eins-a-Arbeitseinstellung belegt.

Der Köbes, so heißen Kellner in rheinischen Brauhäusern, bringt am laufenden Band ein frisches Kölsch vorbei. Das kann man verstehen: Köbesse sind traditionell am Umsatz beteiligt. Das Trinken geht bei diesen Babygläsern auch recht schnell. Kölsch wird ausnahmslos in 0,2 -Liter-Stangen serviert, damit es immer eine frische Schaumkrone hat (1,80 Euro). Anders als es Köbessen nachgesagt wird, ist dieser kein Stinkstiefel, sondern serviert, stets zu Scherzen aufgelegt, das Essen freundlich und zügig.

Das Essen: Selbstverständlich kann man in der Malzmühle pochierte Lachsschnitte oder gegrilltes Putensteak bekommen. Aber wer will das schon? Hier ist die Gelegenheit, wohlige Kindheitserinnerungen aufzuwärmen. Und da hält die "Kölsche Foderkaat", also die Speisekarte, einige Glücksverheißungen parat, zum Beispiel Äädäppelschlot oder Kappes - rheinischen Kartoffelsalat und Sauerkraut. Aber noch mehr reizen der Suurbrode und Himmel un Ääd, ein Arme-Leute-Essen: gebackene Blutwurst mit Schmorzwiebeln, Kartoffelpüree und Apfelkompott, hier für gut angelegte 10,50 Euro zu haben. Die Wurst ist kräftig angebraten, die deftig-süßen Zwiebelchen passen prima dazu. Und das Püree ist selbstgemacht - was will man mehr?

Der Suurbrode, der Rheinische Sauerbraten, darf auch im Januar weihnachtlich schmecken. Er kommt in einer ambitionierten Soße aus eingekochten Weintrauben mit Zuckerrübensirup. Der Rotkohl ist grob gehäckselt und mit Senf angemacht - eine wohlschmeckende und deutliche Beilage, die sich perfekt mit dem selbstgemachten Kartoffelkloß vermengen lässt. Nur auf die gerösteten 70er-Jahre-Mandeln kann man getrost verzichten. Das Fleisch - leider nicht vom Pferd, sondern vom Rind wie heute fast überall üblich - ist bedauerlicherweise nur einen Hauch säuerlich und ein wenig trocken. Angesichts des Preises von 15,50 Euro kann man aber kaum meckern. Insgesamt ist der Suurbrode ein sehr ordentlicher Teller Hausmannskost, dem es sogar gelingt, mit kleinen geschmacklichen Überraschungen aufzuwarten.

Es war ein rundum schöner Abend in der Malzmühle. Sie hat es geschafft, die Institution Brauhaus ins 21. Jahrhundert zu lotsen und dabei sehr gelassen kölsch zu bleiben. Immer wieder gerne, am liebsten in einer Zeit ohne Bützchenalarm.

© SZ vom 28.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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