Süddeutsche Zeitung

Lokaltermin:Restaurant Bootshaus

Es ist Sommer, und wer träumte da nicht von einem formidablen Strandlokal? Das Bootshaus an der Hohwachter Bucht ist so eins. Ostseepanorama inklusive.

Von Stevan Paul

Es ist Sommer, und wer träumte da nicht von einem formidablen Strandlokal? Im Bootshaus an der Hohwachter Bucht ist das Menü asiatisch inspiriert und der Sonnenuntergang spektakulär, findet Stevan Paul. Das Ostseepanorama wird natürlich über die Weinkarte abgerechnet. Doch wer sich an den offenen Ausschank hält, erlebt hier einen angenehmen Abend.

In geschäftigen Zeiten wird die kurze, gern schicke Auszeit immer wichtiger, die Hotels dafür heißen heute zwingend "Hideaway". Gestresste Norddeutsche flüchten oft an die Ostsee, und beliebt für den exklusiven Kurztrip - so raunen sie sich in Hamburg zu - ist derzeit die Hohwachter Bucht, genauer das herrschaftliche Weissenhaus Grand Village Resort & Spa am Meer, um - Adel verpflichtet offenbar - den vollen Namen zu nennen. Nun will man sich selbst nicht zum Ralph-Lauren-Publikum zählen, aber das stört nicht, denn das historische Schlossgut hat auch ein Restaurant - das "Bootshaus" ist am Strand gelegen und auch Tagesausflüglern zugänglich.

Vom beschrankten Parkplatz aus geht es zu Fuß ins kuratierte Idyll, über eine Allee mit mächtigen Bäumen, vorbei an makellosem Rasen und wildem Wald. Im Schlossteich spiegelt sich die späte Sonne, Orangerie und Rosengarten gibt es ebenso wie ein romantisches "Kavaliershaus", in dem hauseigene Bäckerei und Patisserie angesiedelt sind. Die Bar "1896" ist geschlossen und wir spazieren für den Aperitif (erfrischender Mandarine Napoleon Royal für knackige 19 Euro) zum Naturstrand, auf die mit Segeltuch bespannte Bootshaus-Terrasse, wo es nach Seeluft und blühenden Hagebutten riecht.

Im Lokal sitzen junge Surf-Dudes im T-Shirt neben der hanseatischen Drei-Generationen-Familie, die Herren tragen Polos in anstrengenden Farben und vor der Brust verknotete Cashmerepullover. Zum Ostseepanorama studieren wir die Karte, die mit einem Menü (3 Gänge 59 Euro, 4 Gänge 69 Euro) und einigen À-la-carte-Gerichten eröffnet. Küchenchef Christopher Schlang verknüpft saisonale Produktküche mit asiatischen Noten. Es gibt auch eine klassische Grillkarte mit Steak und Seezunge, die sicher auch dem Standort geschuldet ist. Das Brot kommt mit geschlagener Butter, Kräutersalz und Feta-Paprika-Creme. Zum rustikalen Einstieg überrascht dann der erste Gang schon optisch: eine elegante Landschaft aus Gurkenperlen, Kopfsalat und Avocado, roh geflämmten Jakobsmuscheln, geröstetem Pumpernickel und Schnittlauchöl, dazu Sauerrahm und ein betont saures Zitrusgel - insgesamt ein erfrischender Start und ein amüsantes Zitat: genau so, zitronig-sauer und doch auch süß und cremig-fett, lieben die Norddeutschen ihr Salatdressing.

Im schlichten skandinavischen Design sitzt es sich bequem, viel Holz und grobe Stoffläufer. Etwas befremdlich wirken die Deko-Elemente aus dem Harmonie-Milieu: Teelichter in Muschelsand, bemalte Ästchen, im Balkenwerk eines Raumtrenners hängen fusselbärtige Gräser und an Schnüren Gläser mit Sukkulenten. Der Blick ist aber eh unbezahlbar und wird hier vor allem über den Wein abgerechnet, die Weinkarte ist groß und trägt klingende Namen zu engagierten Preisen. Wir genießen einen Sauvignon Blanc von Villa Maria aus Neuseeland (0,1 l zu 7 Euro). Der passt auch zur formidablen Bärlauchsuppe, die, ungebunden und fein gewürzt, knapp gegarte Spargelstücke und Morchel-Fleisch umspült, heiß angegossen aus der japanischen Teekanne. Das Thunfisch-Sashimi hier ist geschmacklich unauffällig, anbei liegen zwei Garnelen im Tempura-Teig, der sich als einfacher, dafür knuspriger Backteig entpuppt.

In einem Satz

Ein schönes Ausflugslokal mit meist gelungener Fusionsküche, die von der traumhaften Naturkulisse noch einmal aufgewertet wird.

Qualität: ●●●●○

Ambiente: ●●●●●

Service: ●●●●○

Preis/Leistung: ●●●○○

Im Menü folgt nun der beste Gang - ein saftiges Stück Heilbutt unter Rindermark-Parmesankruste mit einem Hauch Zitronengras, gegrilltem Spargel und geflämmter Miso-Hollandaise - grandios! Meine Begleitung freut sich über ein unaufgefordert gebrachtes Zwischengericht, ein perfekt gegartes Stück Dorsch mit Mango und Kräutern in vielschichtiger Hummer-Bisque mit Safran, Mais und feiner Schärfe - ein Signature-Dish des sympathischen Küchenchefs, der immer wieder mitserviert und bei Tisch charmant erklärt. Der Service ist hier nordisch herzlich, kurz und auf den Punkt. Als Fleischhauptgang aus dem Menü kommt zartes Sirloin-Steak mit Tonkatsu-Sauce, jener Sauce aus der klassisch japanischen "Western-Style"-Küche, die dort traditionell vor allem zu paniertem Schnitzel gereicht wird. Die durchscheinend-samtige Jus auf dem Teller erinnert elegant ans Original, das sich durch eine tomatig-pflaumige Fruchtigkeit auszeichnet. Gelungen dazu die geschmorten Shiitake und der geröstete Mandel(!)-Brokkoli, das Kartoffelgratin ist solides Handwerk. Bei der irrsinnig scharfen Dip-Sauce zu den vegetarischen Gyoza-Teigtaschen kämpft man indes schon mal mit den Tränen.

Die Desserts enttäuschen dann etwas, das Menüfinale gleicht einem Show-Teller mit den Errungenschaften der Molekularküche; überall rote und weiße Schwämmchen, Cremes und Sphärenkugeln. "Junger Rhabarber" ist das Thema, fast alles zuckersüß, die frischen Erdbeeren sind aber von bester Qualität und das säuerliche Sorbet ein erfrischender Genuss. Das andere Dessert besteht aus einem Berg unterschiedlichster süßer, dicker Cremes zu fast flüssigem Eischnee, grünen Gelpunkten, hartem Keksbruch und verlorenen Rhabarberstückchen. Da wendet man sich schnell wieder dem spektakulären Sonnenuntergang zu. Zur üppigen Rechnung dann die Überraschung: Fürs Parken sind hier sechs Euro fällig, ein etwas schaler Nachschlag zu diesem eigentlich schönen Ausflug.

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Quelle:
SZ vom 01.07.2017
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