Süddeutsche Zeitung

Lokaltermin:Restaurant Ahlmanns

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Feine Küche und gute Bars galten in der Gastronomie von Kiel als Ausnahme. Nun erleben Restaurantszene und Braukultur einen kleinen Boom.

Von Steven Paul

Kiel wächst. Immer mehr Menschen schätzen die Lebensqualität der grünen Stadt an der Ostsee - und das (noch) zu Mieten, von denen Hamburger nur träumen. Das Wachstum bescherte der Stadt auch einen kulinarischen Boom, mit einer lebendigen Restaurantszene, mit neuen Bars, Röstereien und (wieder-)belebter Braukultur. Ordentlich gegessen hat man hier schon immer, sie sind hier stolz auf Katenschinken oder geräucherte Kieler Sprotten. Die Stadt ist Heimat von "Feinheimisch", einem Regional-Netzwerk von Produzenten und Köchen, die Käsestraße Schleswig-Holstein verläuft hier, und seit zwei Jahren hat Kiel auch ein Sternerestaurant, das "Ahlmanns" im Romantikhotel "Kieler Kaufmann". Küchenchef Mathias Apelt, seit 2011 im Hotel für alles Kulinarische verantwortlich, konzentriert sich im Ahlmanns von Mittwoch bis Samstag auf regionale Hochküche.

Der Gastraum erinnert an ein klassisch-modern gestaltetes Wohnzimmer, elegant und aufgeräumt. Aus dem Menü wählt der Gast die Anzahl an Gängen selbst (drei Gänge kosten 68 Euro, bis zu sechs weitere je 17 Euro). Der Abend beginnt mit vielen Kleinigkeiten: Die Rehterrine erinnert in Textur und Würzung eher an eine, durchaus gelungene, Rehwurst, fein dazu der Gewürzchip und das süße Rotkohl-Gel. Die Mini-Roulade vom Stockfisch im Spitzkohlmantel ist unangenehm kalt, die geröstete Schnitte vom Emmer Urkorn mit Alter-Friese-Käsecreme und geflämmter Birne macht indes Appetit auf mehr. Insgesamt ein gemischter Auftakt. Von überragender Qualität ist das Wirsingbrot, duftig, mit saftigen Kohlstücken, dazu geschlagene Butter, bestäubt mit Wiesenkräuterpuder - anderswo wäre das ein eigener Brotgang. Und noch ein Amuse-Gueule: auf den Punkt gebratene Scholle, auf würzigem Brunoise-Gemüse mit Oliven und frischem Fenchelsalat.

Zum ersten Gang, einem üppigen Raviolo mit Nordseekrabben und grünem Sellerie, empfiehlt uns Sommelière Britta Künzl einen raren Wein von Saarwinzer Peter Lauer, den 2016er Unterstenberg, Fass 12 (0,1 l / 9,50 Euro). Der restsüße Riesling wirkt wie eine weitere Würzung zur saftig gefüllten Nudeltasche, die in einer Bisque badet - die klassische Krustentier-Sauce ist mit subtilen Currynoten und feinfruchtiger Säure neu gedacht. Auch die Möhren-Variation mit fermentierter Karotte ist ein Vergnügen, mit pointierten Aromen, mit Knack und Knusper, das würzige Eis von der violetten Möhre ist herausragend. Die saftige Meeräsche auf nussigem Quinoa, getoppt mit knusprigem Wirsingblatt, frischer Petersilie und saftigen Apfelstreifen ist gut gedacht, nur die Haut des Fisches ist leider ledrig, und der fette Fisch bringt viel Tran mit, zusammen mit der sahnigen Sauce doch etwas mächtig. Da richtet es auch die Mineralität des 2013er Wachenheimer Altenburg vom Weingut Dr. Bürklin-Wolf (0,1 l / 12 Euro) nicht.

Für 26 Euro extra haben wir uns für eine Empfehlung jenseits des Menüs entschieden: Kartoffelsalat mit Eigelb, Schwarzwurzeln und weißem Trüffel. Das Gericht ist von einer unpassenden Süße durchdrungen, die Kartoffelhälften zu groß, der Radicchio kraftlos, ohne jene Bitterstoffe, die Spannung und Struktur ins Gericht gebracht hätten. Die subtilen Aromen der Trüffel kommen nicht an gegen das frittierte Eigelb, dessen Panade auch irritierend süß ist.

Wieder gute Laune macht der Langhe Nebbiolo 2013, E. Pira & Figli, der Winzerin Chiara Boschis (0,1 l / 11,50 Euro), ein Prachtstück an Frische und Struktur. Die Heide-Ente dazu ist ein perfekt gebratenes, heimisches Pendant zur französischen Barbarie-Entenbrust, in Scheiben mit knusprigem Fettrand serviert, auf Shiitakepilzen mit Rosenkohlblättern und -creme, dazu schwarzer Rettich und ein frittiertes Bällchen vom Keulenfleisch auf Pilzcreme; handwerklich ist alles tadellos. Dankenswerterweise werden hier alle Saucen großzügig mit Supplement-Kännchen serviert. Die Enten-Jus offenbart die versteckte Raffinesse des Tellers: Sie ist vielschichtig und samtig im Mund, und von jenem tiefen Aroma, die nur ein Dashi-Fond produziert, das japanische Elixier aus Kombu-Alge und Bonito-Flocken. Jetzt machen auch die Shiitakepilze Sinn! Das mit Edelpilzen gereifte Luma Beef ist butterzart, die Jus würzig, komplex, schön dazu die sämig-süßen Heidelbeeren. Leider lassen die dekorativen Grillstreifen auf dem Kürbis den Butternut verbrannt schmecken, auch die Blätter vom roten Grünkohl scheinen in Rauch gebadet zu sein.

Gut, dass der Käsewagen kommt. Gut auch, dass es noch Gastronomen gibt, die das wirtschaftliche Wagnis einer pflegeintensiven Käseauswahl auf sich nehmen. Nur das gebratene Aprikosenbrot aus der Küche dazu ist leider fettig. Der wechselhafte Abend mündet im meisterlichen Finallauf der Patisserie: Holsteiner Bratapfel, genial inszeniert in drei "Gängen" mit grünem Pistazien-Apfel-Eis, gefolgt von heißem Apfelpunsch mit Calvados und Nüssen aus dem Glas und dem Dessertteller selbst, ein Kunstwerk aus Pistaziengebäck, Apfel, Rosine und cremigem Sternanis-Eis. Auch die Petits Fours zum guten Kaffee begeistern. So steht es am Ende dann irgendwie unentschieden, an diesem Abend zwischen Exzellenz und Irritation.

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SZ vom 12.01.2019
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