Süddeutsche Zeitung

Lokaltermin:Restaurant Adler

50 Mal hat der bekannte Gasthof im Schwarzwald einen Michelin-Stern bekommen. Doch jetzt wird dort Hummer mit Vanillesoße serviert.

Von Philipp Maußhardt

Im Schwarzwald besaß man schon immer einen Sinn für gutes Essen. Seit 1966 hat etwa der Gasthof Adler in Häusern jedes Jahr einen Michelin-Stern verliehen bekommen, das ist keinem anderen Lokal in Deutschland gelungen. Leider beweist das Gourmet-Restaurant auch, dass zu viel Lob träge machen kann, wie unser Autor Philipp Maußhardt erfahren musste.

Der deutsche Südwesten gehört aus kulinarischer Sicht zu den meistgepriesenen Regionen des Landes. Der "Adler" in Häusern im Südschwarzwald ist sogar so ausgezeichnet, dass er vor lauter Orden kaum noch fliegen kann. 50 Mal ohne Unterbrechung hat der Restaurant-führer Michelin die Küche dieses noblen Gasthofs mit einem Stern bedacht, jedes Jahr aufs Neue, seit der Guide 1966 zum ersten Mal in Deutschland erschienen ist. Beachtlich! Das hat kein anderes Haus westlich des Rheins geschafft. Und so reizt es natürlich, kurz vor Erscheinen der 51. Michelin-Ausgabe einmal im Adler vorbeizuschauen. Aus Neugier. Um zu erschmecken, was den viel gerühmten Reiz des Lokals ausmacht. Und ob es hoffentlich auch die kommenden 50 Jahre so weitergehen wird.

Vor Betreten der guten Stube stimmen die vielen Schweizer Nummernschilder auf dem Gästeparkplatz optimistisch. Für die anspruchsvollen Eidgenossen liegt Häusern keine halbe Autostunde entfernt. 25 Kilometer sind es nur, und seit der Franken gegenüber dem Euro so stark an Wert gewonnen hat, kommen die Nachbarn offenbar noch lieber ins Schnäppchenland.

Der Adler ist seit vielen Generationen im Besitz der Familie Zumkeller. Großvater Erich hat den Grundstein für den späteren Ruhm gelegt, obwohl man in den Tälern des Schwarzwalds natürlich immer schon einen Sinn für gutes Essen hatte. Mit seinem Sohn Winfried ging es weiter, und heute kocht Florian Zumkeller in der dritten Generation auf einem Niveau, das dem Gasthof das ganze Jahr über eine sichere Kundschaft beschert. An diesem Abend - ein Donnerstag - sind allerdings nicht alle Tische im etwas bieder wirkenden Restaurant belegt, was auch daran liegt, dass der erste Schnee des Jahres die Straßen in Schlittenbahnen verwandelt hat.

Wir entscheiden uns für das siebengängige "Menu Surprise" (109 Euro), obwohl die Überraschung sich in Grenzen hält, denn was an diesem und anderen Tagen unter diesem Titel angeboten wird, steht lange im Netz. Der Gruß aus der Küche ist freundlich, wenn auch etwas langweilig, sodass man sich am Ende des Abends kaum noch erinnert (Rote Beete, Hering, Apfel). Dann aber weckt schon der erste Gang mit einer wunderbaren konfierten Eismeerforelle die Hoffnung auf ein unvergessliches Essen. Ein Karottenmousse verleiht dem Gericht signalfarbene Auffälligkeit. Durch das leuchtende Orange erinnert die Komposition allerdings etwas an die 70er-Jahre, die auch auf den Tellern der wenigen, damals noch jungen Gourmettische recht psychedelisch wirken konnten. Neben dem Fisch finden sich Nussbrotcrumble und ein - für das Gesamterlebnis verzichtbares - Pilzpüree. Das hervorragend austarierte Chutney aus grünen Tomaten aber gibt großen Anlass für Optimismus. Ein schöner Auftakt.

Doch die Ernüchterung folgt auf dem Fuße: Ein asiatischer Pot au Feu, ein Eintopf, den man so oder besser bei jedem Vietnamesen bekommt, wird nur durch eine Wasserkastanie gerettet, deren knackigem Biss ein zart-fruchtiges Aroma folgt. Der Pot au Feu, die Neuinterpretation des französischen Klassikers, macht hier nicht wirklich Sinn, er hat keinen Anschluss zum Vorher und zum Nachher und soll womöglich nur betonen, dass man auch im hintersten Schwarzwälder Tal heute weiß, wo Asien liegt.

In einem Satz

Ein gediegenes Ausflugsziel mit einem etwas erratischen Menü - der eine Gang passt, der andere dann leider wieder überhaupt nicht.

Qualität: ●●●○○

Ambiente: ●●●○○

Service: ●●●○○

Preis/Leistung:●●●○○

Doch bei einem siebengängigen Menü darf ein Gericht auch mal etwas belangloser sein. Ja, muss es manchmal sogar. Als Erholung. Zumindest steigert das die Vorfreude auf den nächsten Gang. Der ist angekündigt als "Hummer mit Apfel und Blutwurstravioli". Doch was dann vor uns liegt, ist offenbar das Ergebnis eines Blackouts in der Küche. Hat der Lehrling die Soßentöpfe verwechselt? Ein Betriebsunfall? Jedenfalls schwimmen der an sich schon fade Hummer und der ebenso fade Apfel in einem Meer aus übersüßter Vanillesoße. Das kann sich keiner ernsthaft so ausgedacht haben.

Oder doch? Das jedenfalls muss man annehmen, als die freundliche und in Sachen Wein eher unbedarfte Kellnerin die Jakobsmuscheln mit Tartar von der Ofenkarotte (ja, wieder Karotte) serviert. Denn womit kommt auch dieser Gang? Richtig: Vanillesoße. Langsam keimt der Verdacht, in diesem Lokal wird gerade mit versteckter Kamera für "Verstehen Sie Spaß?" gedreht. Man wird beim Service nachfragen müssen, wenn auch der Hauptgang in Vanillesoße badet. Zum Glück ist das beim Rehrücken mit Kürbis und Maronen nicht der Fall. Auch sonst ist das Gericht ein Lichtblick. Das Fleisch auf die Sekunde gegart. Kürbis und Maronen kontrastieren das Reh hervorragend, ein eleganter Wildfond rundet das Ganze ab. So eine Qualität würde man sich hier durchgängig wünschen.

Leider fällt die Spannungskurve des Menüs danach wieder stark ab; ein zwischen zwei Brotscheiben geklemmter Käse (Vacherin Mont-d'Or) und das recht durchschnittliche Dessert (Zwetschgen mit einer Art Nutella-Knödel) sind nicht der Rede wert. Vielleicht ist es ja auch nur so, dass ein wenig Kritik dem Adler mal guttäte. Dass 50 Jahre ununterbrochene Bestätigung etwas träge oder gar nachlässig machen. Wie auch immer - die Vanillesoße sollte man hier auf keinen Fall in die nächste Dekade retten.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2016
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