Lokaltermin:Rei das Praias

Eigentlich ist das Fischlokal nur eine bessere Strandbude. Doch der Arroz de Marisco ist hier so gut, dass Sterneköche in Scharen ins Rei das Praias an die Algarve pilgern.

Von Stevan Paul

Das Rei das Praias ist nur eine bessere Strandbude mit herrlicher Aussicht. Doch das Fischlokal in Südportugal hat eine kulinarische Visitenkarte: Arroz de Marisco. Um den hier zu essen, pilgern Sterneköche von Juan Amador bis Eckart Witzigmann an die Algarve. Zu Recht? Nach einem köstlicheren Reisgericht müsste man jedenfalls lange suchen, fand Stevan Paul

Das kleine Strandrestaurant Rei das Praias ist sicher nicht die Sorte Lokal, die künstliche Aufregung nötig hätte. Das Haus nahe dem Städtchen Lagoa an der Algarve ist bei Einheimischen wie ausländischen Besuchern beliebt. Seit 40 Jahren schon brät man hier an der Steilküste in stiller Bescheidenheit nur den frischesten Fisch. Ein bisschen stolz aber ist Chefin Lucília Maria Assunçāo Cabrita Martinho auf ihren Arroz de Marisco. Dieses portugiesische Traditionsgericht ist entfernt verwandt mit der spanischen Paella, doch wesentlich saftiger, eher ein Reis-Eintopf mit Krustentieren und Meeresfrüchten in aromatisch-würzigem Sud.

Die Spezialität des Hauses scheint einen derart fantastischen Ruf zu genießen, dass bereits Küchenlegenden wie Eckart Witzigmann oder Heinz Winkler ins Rei das Praias pilgerten. "Es gibt wohl kaum ein anderes Restaurant" - und damit wären wir bei der künstlichen Aufregung -, "in dem schon so viele Sterneköche waren, und alle bestellen sie den Topf Arroz de Marisco", bemerkte Spitzenkoch Juan Amador. Er selbst hatte seinen Kollegen Tim Mälzer im vergangenen Jahr für "Kitchen Impossible" bei der Strandbude vorbeigeschickt. In der Vox-Kochshow treten verschiedene Köche gegen Mälzer an, wobei jeder - aus dem Stand und ohne Vorbereitung - ein ausgefallenes Gericht nachkochen muss. Hier soll es allerdings nicht darumgehen, wie sich Deutschlands lautester Fernsehkoch an Mutter Martinhos legendärem Arroz de Marisco abarbeitete. Wichtig ist nur: Seit Mälzer in der Küche des Rei das Praias herumfluchte, ist das Lokal auch hierzulande weltberühmt. Wer also - zumal während der Hochsaison - abends einen Tisch buchen will, braucht Geduld.

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In den kommenden Wochen, so erfahren wir am Telefon, gäbe es nur noch am späten Abend Platz, so ab 22 Uhr. Nehmen wir! Und reisen trotzdem schon früher an, es gibt hier nämlich auch eine Strandbar mit Weitsicht und einen gelungenen Sonnenuntergang. Der Tisch ist dann auch schon früher frei und wir bestellen als Aperitif Porto Tonico (6 Euro), einen herben Verwandten des Gin Tonic, mit trockenem weißen Portwein, viel Eis und Minze-Deko im goldfischkugelgroßen Glas serviert. Dieses Lokal versteht sich also durchaus auf Wirkung. Doch, hübsch ist es hier doch, auf der hölzernen, weiß gestrichenen Veranda-Terrasse, das wilde, dunkle Meer zu Füßen, über den Köpfen ein reiches Sternenzelt, weiße Tischdecken, Kerzenlicht. So darf es weitergehen. Nur dass die Lokal-Boxen Eurotrash-Disco und 80er-Jahre-Hits in die laue Nacht quäken, ist auch mit fortgeschrittener Urlaubsentspanntheit kaum zu ertragen.

An den Nebentischen haben alle deutschen Urlauber natürlich nur ein Gesprächsthema: Tim Mälzer und den Arroz de Marisco. Nun ja. Und man weiß hier offenbar noch sehr genau, was der Koch damals selig kauend in die Kamera gesprochen hatte: "Das ist das mit Abstand Beste, was ich in den letzten Jahren gegessen habe." Doch Superlativ hin, krachige Übertreibung her - wer würde da nicht neugierig werden?

Vorweg kommen gebratene Shrimps in duftendem Öl mit Knoblauch, Zitrone und Paprika, den köstlichen Sud stippen wir mit ungesalzenem Weißbrot auf. Der Service ist, wie übrigens oft in Portugal, von freundlicher Herzlichkeit. Und hier kommt noch die erstaunliche Gelassenheit eines Serviceteams hinzu, das gewohnt ist, täglich ein paar Hundert Gäste zu bewirten. Aus der üppigen Weinkarte empfiehlt uns der Chef einen körperreichen, vollmundigen Weißwein aus dem Alentejo "Herdade Do Sobroso" Barrique Select (22 Euro), der dann tatsächlich hervorragend zum Arroz de Marisco passt.

In einem Satz

Das Rei das Praias ist ein Urlaubslokal im besten Sinne: frischer Fisch, Meerblick und ein Signature Dish, von dem sogar Witzigmann schwärmt.

Qualität: ●●●●●

Ambiente: ●●●●○

Service: ●●●●○

Preis/Leistung: ●●●●○

Dann der große Auftritt im knallheißen Topf: eine dampfende Riesenportion duftend würziger Reis mit zwei Kaisergranat, ein paar Garnelen und Muscheln (49 Euro), das ist Geschmack pur: ein bisschen tomatig, dazu fruchtige Paprika, feines Krustentier-Aroma, wenig Koriander, die elegante Schärfe von Piri-Piri und ein subtiler Hauch Portwein. Alles sehr leicht, und doch ungemein komplex - das Original von Lucília Maria Assunçāo Cabrita Martinho, es ist tatsächlich verblüffend einzigartig. Um vergleichen zu können, haben wir das Traditionsgericht übrigens zuvor auch anderswo an der Küste des Alentejo bestellt. Dort war der Arroz von eher dunkler Würze, deutlich betonter der Krustentiergeschmack, auf Basis einer reduzierten Jus. Auch das schmeckte, doch im Rei das Praias gefällt uns vor allem die Leichtigkeit des Gerichts. Ein derart fein ausbalancierter Reisteller erfordert Kunstfertigkeit.

Es wäre aber ein Fehler, das Angebot des charmanten Strandlokals auf seine Spezialität zu reduzieren. Die Auswahl an Meeresfrüchten ist riesig, selbst zu späterer Stunde liegen glänzende Fische, Garnelen und Langusten auf frischem Eis hinter poliertem Glas. Die Köche braten nach Wunsch und auf den Punkt; an vielen Tischen wird saftig wirkendes Fischfilet serviert, vor den Augen der Gäste von den Gräten gelöst und nur mit Salz und Olivenöl gewürzt. Dazu kommen Salat und Reis und ein zünftiger Berg Pommes - auf Wunsch selbst zum Steinbutt! Berührungsängste hat hier niemand.

Die Dessertkarte bietet Feigentarte und Pavlova-Baiser, Flan, Eis und Kuchen, und alles ist wirklich extrem portugiesisch süß. Doch mit einem Glas altem, gut gekühltem Portwein und portugiesischem Espresso ("Bica"), gelingen da durchaus beglückende Kombinationen.

Später sitzt Lucília Maria Assunçāo Cabrita Martinho dann am Ausgang auf einem Bänkchen und verabschiedet jeden Gast mit Kopfnicken und guten Wünschen. Als wir uns gestenreich für den schönen Abend bedanken, schenkt Senhora Martino den beiden Deutschen das wissende Lächeln der Bescheidenen. So kann es also auch gehen. Wenn man auch zugeben muss: Diese Bescheidenheit kann sie sich nun auch schon länger wirklich leisten.

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