Lokaltermin:Pottkind

In diesem Restaurant in Köln weiß man nicht, was man bekommt. Rustikales aus dem Ruhrgebiet ist es nicht, das Lokal heißt nur so, weil die Betreiber daher kommen. Französisch und skandinavisch inspiriert wird der Gaumen gekitzelt, überfordert, umschmeichelt.

Von Fabienne Hurst

Im Restaurant Pottkind in Köln gilt das Prinzip Carte Blanche: Man weiß beim Menü nicht, was man bekommt. Rustikales aus dem Ruhrgebiet ist es jedenfalls nicht, das Lokal heißt nur so, weil die Betreiber daher kommen. Französisch und skandinavisch inspiriert wird der Gaumen mal wach gekitzelt, mal überfordert, mal umschmeichelt. Fabienne Hurst hat es genossen, wünscht sich aber mehr Konzentration auf das Wesentliche.

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Wenn man nach dem Hörensagen geht, ist noch nicht ganz klar, welche Art von Essen es denn nun gibt im "Pottkind" in der Kölner Südstadt. Nordic Cuisine - behaupten die einen und schwärmen von Salzwasserfisch, Wildkräutern und Eingelegtem. Andere erzählen von mediterranen Neuinterpretationen und ausgefallenen Gewürzmischungen, wie man sie vom Trendkoch Yotam Ottolenghi kennt. Das macht neugierig: Suchen Lukas Winkelmann und Enrico Sablotny ihren eigenen Stil noch? Oder wollen sie sich einfach nicht festlegen und experimentieren lieber mit verschiedenen Gastrotrends des letzten Jahrzehnts?

Entsprechend gespannt steigt man die Stufen hinab in das kleine Souterrain-Lokal. Eingerichtet ist alles modern und minimalistisch, dezente graue Wandfarbe, weiße Tischdecken, nur etwa 20 Plätze. Herzstück des Raumes - schon wieder ein Trend - ist die obligatorische Theke aus massivem Eichenholz, von der aus sechs Gäste dem Küchenteam auf die Finger schauen können. Seit knapp einem Jahr haben die beiden gelernten Köche den Laden eröffnet, davor haben sie zusammen im schicken Kölner Restaurant "Acht" gearbeitet. Sie kommen aus dem Ruhrgebiet, daher der Name des Lokals - darüber hinaus habe es mit ihrer Herkunft aber nichts zu tun. Heißt es. Womit aber dann?

Auch ein Blick in die Karte führt nicht viel weiter, denn es gilt das Prinzip Carte Blanche. Man vertraut dem Küchenchef und bestellt ein Überraschungsmenü in drei, vier oder fünf Gängen zu fairen 45,60 oder 70 Euro. Wem das zu viel Ungewissheit ist, der bestellt eines der wechselnden Tagesgerichte. Das Tatar vom Rind etwa oder ein Onglet de Boeuf (ein Steakzuschnitt) mit Pommes Pont Neuf (kunstvoll geschichteten Pommes frites). Französisch ist es hier also auch.

Die Amuses Gueules verbinden ebenfalls französische und skandinavische Klassiker: Da ist ein Schälchen mit einer goldgelben Sauce Rouille mit Knoblauch, die so vollmundig und cremig ist, dass man sie gerne in Gläsern kaufen und mitnehmen möchte. Dazu hauchfeine Brotchips mit eingebackenen Fenchelsamen und im Salzmantel gegarte bunte Beete mit Meerrettichspänen. Von scharf über herb bis süß und bitter ist alles dabei, sodass der Gaumen ordentlich wach gekitzelt wird und auf alles gefasst ist.

Der hohe Säuregehalt der Vorspeise überrascht dann doch. Die besteht aus weißem, gebrannten Spargel, serviert auf einem Saucenspiegel aus Pinienkernvinaigrette und Zitronencreme. Der Spargel hat einen guten Biss und durch die Zubereitung eine interessante, bittere Rauchnote, die jedoch dringend nach Balance verlangt. Der Klecks Sauce Hollandaise kann trotz hohen Fettgehalts weder die Säure von Vinaigrette und Zitrone noch den herben Spargel ausgleichen. Auch die Dillspitzen und der krosse Pumpernickel-Rieb lenken eher ab als dass sie den Teller abrunden. Einzeln sind die Komponenten einwandfrei gearbeitet, in Kombination überfrachten die vielen geschmacklichen Nebenschauplätze den Gaumen. Man wünscht sich, der Küchenchef hätte den einzelnen Zutaten mehr zugetraut.

Ähnlich überfrachtet kommt das Fischgericht daher: lauwarme, säuerlich angemachte Fregola Sarda (kleine, kugelförmige Nudeln), dazu Ochsenherztomate mit Zimt, fermentierter Knoblauch und ein Stück gebratener Bonito. Ein durchaus würziges Gericht, aber wieder stehlen sich Säure, Gewürze und Aromen gegenseitig die Schau.

Auch beim Hauptgang greift der Küchenchef zwar großzügig in die Aromenkiste, findet aber ein ausgewogenes Maß. Lammschulter und -rücken kommen einmal sous-vide gegart und einmal gebraten auf den Teller. Hier ergibt die kräftige Sauce aus Sesam, Ingwer und Zitrone wirklich Sinn, das Fleisch selbst ist butterzart und nur sehr dezent gewürzt. Dazu zum zweiten Mal Spargel, diesmal grün, und eine knackig-cremige Schnitte aus Topinambur. Das nussige Wurzelgemüse, die säuerlich-pikante-Sauce, der knackige Spargel - wieder sind viele selbstbewusste Komponenten auf dem Teller, doch diesmal ergänzen sie sich wie ein All-Star-Team, das trotz der großen Egos gut zusammen spielt.

So wunderbar geht es weiter beim Dessert: Der Klassiker aus Rhabarber und Erdbeere wird ordentlich entmufft durch die herbe Frische einiger roher Rhabarberscheibchen, die dem Kompott mehr Biss verleihen. Perfekt dazu: ein cremiges Sonnenblumenkerneis und knusprige, hauchdünne Splitter aus Baiser- und Blätterteig. Man löffelt ganz glücklich das Schälchen leer und wünscht den jungen Küchenchefs, diese Konzentration auf das Wesentliche künftig auf das gesamte Menü zu übertragen. Für den eigenen Stil braucht das Pottkind wohl nur noch ein wenig mehr Selbstbewusstsein. Den Mut zu sagen: Weniger ist mehr.

In einem Satz

Ein angenehmes, ambitioniertes Lokal, das in der Küche gern noch etwas selbstbewusster werden darf.

Qualität: ●●●○○

Ambiente: ●●●●○

Service: ●●●●●

Preis/Leistung: ●●●●○

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