Lokaltermin:Philipp

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Das Weindorf Sommerhausen diente schon als Kulisse für Historienfilme. In einem der schönsten Fachwerkhäuser liegt das kleine Restaurant Philipp.

Das mainfränkische Weindorf Sommerhausen ist so pittoresk, dass es als Kulisse für Historienfilme diente. In einem der schönsten Fachwerkhäuser dort liegt das kleine Restaurant Philipp, das seit 20 Jahren eine Familienangelegenheit ist. Am Herd steht Michael Philipp, seine Frau Heike kümmert sich um Wein und Gäste, und es geht um behutsam modernisierte französische Küche von konstanter Qualität. Marten Rolff fragt: Kann es bessere Argumente für eine Landpartie geben?

Nein, die Klassik hatte es zuletzt in der Küche nicht leicht. Französische Köche mussten schockiert erleben, wie nacheinander Spanien, Dänemark, Schweden und Peru zum "neuen Frankreich" ausgerufen wurden. Wer sich da am Herd weiter in der Tradition von Nationalhelden wie Paul Bocuse oder Joël Robuchon selig sah, wirkte plötzlich uralt. Und deutsche Kollegen, die jahrzehntelang brav nach Paris, Lyon oder Marseille geblickt hatten, hörten auf einmal internationale Restaurantkritiker klagen: "Ich habe noch nie so französisch gegessen wie in Deutschland." Dazu machten die Tester dann Gesichter, als hätten sie gerade in einen alten Haferlschuh gebissen.

Ja, die Kritik wirkte oft übertourt und selten differenziert; und angesichts ihrer Härte muss man sagen: Es ist ein Glück, wenn manche Gastronomen sich davon nicht beeindrucken ließen.

Zu ihnen gehören Michael und Heike Philipp, die vor 20 Jahren in Sommerhausen bei Würzburg ihr Restaurant "Philipp" eröffneten und sich seither treu geblieben sind. Sommerhausen zählt zu den besonders pittoresken Weindörfern Mainfrankens. Wer sich dem Ort entlang des Flusses nähert, fährt vorbei an mit Reben bewachsenden Hängen. Das winzige Torturmtheater überm Stadttor zog schon viele Künstler und Gäste an, geleitet hat es lange Veit Relin, der österreichische Regisseur und Ehemann von Maria Schell. Und die Hauptstraße, die am Torturm beginnt, diente als Kulisse für Historienfilme.

In einem der schönsten Fachwerkhäuser liegt das Philipp. Der Speiseraum bietet nur Platz für sechs Tische. Hier gibt es sie noch, die viel geschmähte weiße Tischwäsche, zusammen mit dem Französischgrau der Deckenbalken, den schlichten Lederstühlen und den honigfarbenen Eichendielen wirkt sie auf zurückhaltende Weise edel. Küchenchef Michael Philipp kocht Französisch mit internationalen, oft asiatischen Anleihen. Das Menü "Classique" (fünf Gänge zu 115 Euro, sieben zu 145, Weinbegleitung etwa 12 Euro pro 0,15 l. Oder man wählt Carte blanche, ab drei Gängen zu 49 Euro) listet Grande-Cuisine-Klassiker wie Etouffé-Taube oder bretonischen Seeteufel "von kleinen Schiffen" - ein französisches Nachhaltigkeitssiegel.

Mit Tradition hat man also keine Berührungsängste. Allerdings wird die Klassik hier auf wunderbar leise Art frisch interpretiert. Die urkarottenhafte Strenge, mit der mancher Koch heute versucht, vermeintliche Trends des Nordischen Stils oder der neuen Regionalküche zu bedienen, grenzt ja mitunter an Freudlosigkeit. Da ist man als Gast für ein paar Reminiszenzen an frühere Üppigkeit hin und wieder dankbar.

Die beginnt hier schon mit den drei Grüßen aus der Küche. Den Anfang machen zwei krosse Hörnchen, gefüllt mit Paprikacreme sowie mit einer zarten Forellenfarce und Kaviar. Es folgt eine ausgesprochen feine Gänseleberterrine, serviert als cremige Eisnocke und kontrastiert von Quinoa-Crunch und den fruchtig-scharfen Spitzen eines Rhabarbergels - sehr schön! Die angenehm kühle wie moderne Überleitung zum Menü bildet schließlich ein Thunfisch-Tatar mit mildscharfem Wasabi-Sorbet, Gurke und Kresse.

Der erste Gang ist ein ästhetisches Vergnügen in Rosa, Apricot, Sonnengelb und Erbsengrün, eine Ode an den Sommer: Carpaccio von der Gelbschwanzmakrele als Leinwand für Papayawürfel, Avocado- und Salzzitronencreme, Tapiokaperlen und Togarashi-Sud (japanischer Chilipfeffer). Über allem thront eine Nocke Bergamotte-Sorbet. Ein schönes Gericht. Doch wo die Bitternoten der Zitrusfrüchte für Aufregung sorgen könnten, indem sie das gefällige Aromenspiel aus süß, säuerlich und scharf subtil torpedieren, überlagern sie es leider fast völlig - und dazu den feinen Eigengeschmack des Fisches. Schade. Auch irritiert es, dass da nun die dritte Eisnocke in Folge auf dem Teller liegt; es werden zu Pre-Dessert (Basilikum-Sorbet mit Sauerrahm und Olivenöl) und Dessert (Waldmeister- und Himbeer-Sorbet zu marinierten Beeren und Dulce de Leche) noch drei weitere folgen. Natürlich, der Sommer ist knackig, aber so viel Kühlung braucht der Gaumen dann doch nicht.

Genug geklagt, denn die weiteren Gänge bieten die Art von mühelosem Genuss, die sich einstellt, wenn alle der durchaus nicht selbstverständlichen Zutaten wie selbstverständlich ineinander greifen. Da wäre etwa der hausgemachte Raviolo alla Piemontese, gefüllt mit Gemüse und Kalbfleisch, dazu Cecina de Leon (luftgetrockneter Rinderschinken), Parmesanspäne und grüner Spargel; eine gefällige Umami-Bombe, die aber von frischem Grün und Kräuteröl immer wieder an den Sommer erinnert wird.

Der Seeteufel, auf den Punkt gegart, liegt auf Spinat und Spargelragout, umbrandet von fein abgeschmeckter Beurre Blanc, der die Schärfe und Säure von Pommery Senf jede Behäbigkeit nimmt. Perfekt dazu ist die Burgundercuvée "Tri Terra 2016" von Hans Wirsching im nahen Iphofen. Generell sind die Weinempfehlungen von Heike Philipp ein Gewinn. Die nette Gastgeberin kennt sich auf angenehm unaufgeregte Art aus. Gelegentliche Griffe zu spanischen Roten, für die es fränkische Entsprechungen gäbe, begründet sie auch mal mit dem nüchternen Hinweis, dass im gerade sehr gehypten Weinfranken leider nicht überall das Preis-Leistungsverhältnis stimme.

Höhepunkt des Menüs ist dann die Taube, die auf Speisekarten leider zur Rarität geworden ist. Sie wird als Duett serviert: die Keule konfiert und schlonzig, die zart-cremige Brust sous-vide-gegart, was hier toll passt. Die Sorge, das - mild geräucherte - Fleisch und die Jus könnte mit Purple Curry (eine Gewürzmischung) und Süßholz überwürzt sein, erweist sich als unberechtigt; auch Pfefferkirschen, Pfifferlinge und Artischocken fügen sich mustergültig zu einem Geschmackserlebnis, das harmonisch und spannend zugleich ist. So könnte es ewig gehen! Denn wo Klassik so behutsam weiterentwickelt wird, kann sie gar nicht in die Jahre kommen. Das Philipp eröffnet nach kurzer Sommerpause wieder am 22. August.

In einem Satz: Kleines, familiengeführtes Gourmetlokal mit klassischen Wurzeln und historischem Wohlfühlambiente.

Qualität: ●●●●○

Ambiente: ●●●●○

Service: ●●●●○

Preis/Leistung: ●●●○○

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