Süddeutsche Zeitung

Lokaltermin:Palmgarden

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Der beste Grund, um die Spielbank Hohensyburg bei Dortmund zu besuchen ist - ganz klar: das gute Essen im Restaurant Palmgarden.

In Dortmunder Lokalen ist die Größe des Bildschirms für die Übertragung von BVB-Spielen nicht selten wichtiger als die Speisekarte. Als Fußballfreund kann Kai Mihm das verstehen. Anhängern von gutem Essen rät er dagegen zu einem Ausflug kurz hinter den südlichen Stadtrand, zum Restaurant Palmgarden in der Spielbank Hohensyburg. Die Küche hier bewegt sich höchst entspannt zwischen Klassik und Moderne. Und - das ist leider selten geworden: Sie pflegt ein so feines wie angenehmes Understatement.

Die Gastronomie in Dortmund ist unübersehbar von der lokalen Fußballkultur geprägt. Currywurstbuden reihen sich an Bierkneipen, und selbst in den wenigen Hipster-Bars gehört ein Flachbildschirm für BVB-Übertragungen zur Grundausstattung. Anspruchsvollere Restaurants hingegen scheinen einer Art Bannmeile zu unterliegen. Die innerstädtische Auswahl ist so dünn, dass der Guide Michelin sogar ein Kettenrestaurant als Empfehlung listet. Das höchstdekorierte Restaurant der Stadt liegt 13 Kilometer außerhalb: Das "Palmgarden" befindet sich in der Spielbank Hohensyburg, am südlichsten Vorstadtzipfel. Ambitionierte Küche war hier schon immer Thema: Thomas Bühner machte sich einst in Hohensyburg einen Namen, bevor er in Osnabrück drei Sterne erkochte.

Das verwinkelte Gebäude im Grünen zeugt davon, wie man sich in den Achtzigerjahren Las-Vegas-Flair vorstellte: Sandstein, Aluminium, viel Spiegelglas und goldgelbes Licht. Im Casino ist es trubelig und laut, also schnell weiter ins versteckt gelegene Palmgarden, das wie ein Ruhepol wirkt, dezent gestaltet, aber keineswegs gediegen. Vom Spielbetrieb kriegt man nichts mit, auch besteht das Publikum nicht aus feiernden Jackpot-Abräumern. Stattdessen sieht man abends hier Pärchen, Geschäftsleute und eine Clique junger Essinteressierter in Jeans und Sweatshirt - alles sehr entspannt. Erwähnung verdient in dem Zusammenhang die Restaurantleiterin Sabrina Koos, die mit charmant-zupackender Art durch den Abend führt und als Sommelière auch über Weine des unteren Preissegments ins Schwärmen geraten kann. Da macht die Nachbestellung Spaß.

Die Küche führt seit 2011 Michael Dyllong, ein gebürtiger Dortmunder, der die Stelle nach der Ausbildung zum Küchenmeister antrat. Da war er gerade 24. Dyllongs Vita hat keine weltläufigen Stationen, aber man merkt, dass er sich umschaut: Im Menü (sieben Gänge 99 Euro) gibt es moderne Techniken und modische Zutaten, doch der Grundton hat ein angenehmes Understatement, seine Gerichte wirken eher subtil als sensationsheischend.

Das zeigt sich schon beim ersten Gang aus gebeizten Heilbuttröllchen mit grüner Spargelmousse, diversen Zitrus-Zubereitungen, Safranmayo und Zitrus-Tonic-Schaum. Das klingt brav und angestrengt zugleich, erweist sich jedoch als eine präzise gewürzte Komposition, fein austariert zwischen säuerlich mariniertem Fisch und eleganter Bitterkeit, zwischen dem süßlichen Schmelz der Spargelmousse und der salzigen Knusprigkeit eines Anchovis-Tempura. Kleinteilig, ja. Aber nichts davon dürfte fehlen. Noch besser funktioniert dieser Stil beim Taschenkrebssalat, auf dem eine Scheibe Mandelmilch-Pannacotta thront, alles bedeckt von hauchdünnem Dill-Gelee; darauf "Eisperlen" aus Joghurt und Dill, sowie perfekt knackige Spargelstückchen. Nimmt man von allem etwas auf die Gabel, entfaltet sich im Mund der Geschmack eines klassischen, durch den Dill fast norddeutsch anmutenden Krebsfleischsalats - mit originellen Ideen wie der seidigen Pannacotta und den am Gaumen aufblitzenden Eisperlen in die Spitzenküche überführt. Auf angenehm geradlinige Art, ohne Kraftmeierei oder Showeffekte.

Verspielter wird es beim nächsten Gang, auf der Karte ganz harmlos als Challans-Ente mit Rote Bete, Wasabi und Kokos umschrieben. Auf den Tisch kommen drei Teller, keiner davon so, wie erwartet: Auf einem liegt ein kleiner Quader Lebercreme in hauchzart knackender Schokohülle, daneben zwei Scheiben Entenbrust-Pastrami und auf dem dritten Tellerchen ein mit Entenpastete gefülltes Teigkissen, alles von diversen Zubereitungen von Rote Bete und Wasabi sowie etwas Kokos flankiert. Hier sieht man den enormen Aufwand, aber man schmeckt ihn nicht. Zwischen den einzelnen Komponenten entwickelt sich keine Spannung, insbesondere die Beilagen bleiben geschmacklich recht austauschbar, und für sich genommen sticht höchstens die gut gewürzte, wenngleich etwas zu dünne Lebercreme heraus. Die Vielteiligkeit führt hier zu Beliebigkeit.

Doch mit den nächsten Gängen holt die Küche wieder auf. Da wäre die Forelle mit glasierten Erbsen, Erbsenflan und einer üppigen Estragonsauce. Oder die gefüllten Morcheln mit Zwiebelchutney, knackig-schlonzigem Morchel-Weizen-"Risotto" und kräftigem Bibeleskäs. Beide Teller bestechen durch die souveräne Verfeinerung traditioneller Geschmacksbilder. Es schmeckt vertraut, und dank winziger Details dann doch irgendwie anders. So auch das Dessert aus Erdbeeren, wo herb-nussiger Buchweizen (als Mousse und Crumble) und die Schärfe von Kerbel für den originellen Kick sorgen. Als Fazit ließe sich ziehen, dass Dyllongs Küche am besten ist, wenn er zwischen deutscher und französischer Küche pendelt und klassische Kombinationen kreativ aufpeppt. Eine Küchenrevolution findet im Palmgarden nicht statt, aber Dyllongs erklärtes Ziel ist letztlich noch viel ambitionierter: Die Gastroszene seiner Heimatstadt zu beleben. Zwei weitere Restaurants im Casual-Fine-Dining-Stil hat er bereits eröffnet, beide etwas näher zur Stadt. Selbst wenn er eines Tages die Bannmeile zur City durchbricht, wird die Fahrt nach Hohensyburg sich weiterhin lohnen. Und zwar nicht fürs Roulette.

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Quelle:
SZ vom 01.06.2019
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