Lokaltermin:Non-Sync Pauly Saal

Mit seinem neuen Küchenchef setzt das Restaurant in Berlin-Mitte mit Paté en Croute truffé, Hummerbisque und Kastanienvelouté auf Glamour und Tradition.

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Mit seinem neuen Küchenchef setzt der Pauly Saal in Berlin-Mitte auf Glamour und Tradition. Dirk Gieselmann leitete lange die Küche im weltbekannten Restaurant L'Auberge de l'Ill im Elsass. Nun will er die deutsche Hauptstadt für große französische Klassik begeistern: Paté en Croute truffé, Hummerbisque, Kastanienvelouté - einerseits ist das eine schöne Abwechslung zu all den Grünkohlcrumbles der Berliner Regionalküche, findet Harriet Köhler. Andererseits fragt sie sich: Fehlt da nicht was?

Es gibt Momente, in denen scheint alles richtig zu sein, und es fühlt sich trotzdem völlig falsch an. Oft kommt man nicht gleich darauf, woran das liegt - und merkt erst nach einer Weile, dass der Roman, den man gerade liest, nicht ganz treffend übersetzt wurde, dass der Sänger, dem man lauscht, nicht wirklich bei der Sache ist, oder dass man den Mann, den man gerade küsst, eigentlich nicht mehr liebt.

Manchmal weiß man aber auch noch am nächsten Tag nicht recht, worin das Unbehagen gründet. Zum Beispiel dann, wenn man im Pauly Saal gewesen ist.

Denn hier stimmt auf den ersten Blick einfach alles: die wunderschöne Location in der Turnhalle der ehemaligen jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße. Dahinter stehen die Geschäftsführer der Grill-Royal-Gruppe, Garanten für gute Gastronomie. Und der neue Chefkoch im Pauly Saal, Dirk Gieselmann, hat eine beeindruckende Karriere in den Spitzenküchen der Welt hingelegt und war langjähriger Küchenchef in der legendären L'Auberge de l'Ill. In diesem elsässischen Sterne-Restaurant huldigt die Familie Haeberlin seit gefühlten Jahrhunderten der ganz großen französischen Klassik - von Froschschenkeln bis Kaviar, von Lachssoufflé bis zu gebackenem Trüffel. Und so kommt es, dass man ausgerechnet in Berlin-Mitte, dem Epizentrum des fermentierten Grünkohlcrumbles, plötzlich wieder vor einer Speisekarte sitzt, die sich liest, als hätte es Molekular- und Nova-Regio-Küche nie gegeben.

Dabei hält das, was dann an den Tisch kommt, der zeitgenössischen Prüfung durchaus stand, im Großen und Ganzen zumindest. Die Paté en Croute truffé - eine Scheibe Pastete aus Maispoularde, Kalbsbries und Stopfleber - ist so deftig wie fein (und nur hier und da ein kleines bisschen trocken). Dazu passen etwas Rotweingelee und die mit schwarzen Walnussstückchen fruchtig aufgepeppte Sellerieremoulade, nur der das Gericht zierende einzelne Granatapfelkern wirkt wie ein etwas widerwilliges Nicken in Richtung 21. Jahrhundert. Die Hummer Mousseline, ein im Wasserbad zum flaumigen Wölkchen gebackenes Soufflé, wird mit einer leichten, fein aromatisierten Hummerbisque, ein paar Blättchen Spinat und etwas fruchtiger Tomatenconcassé serviert - völlig einverstanden, auch wenn man das vor dreißig Jahren wahrscheinlich schon genauso löffelte. "Kann man nicht meckern", würde der Berliner auch angesichts der Kastanienvelouté konstatieren: Das ist ein Wintersüppchen, wie es im Buche steht, harmonisch ergänzt mit einem süßen Zwiebelflan, deftigem Zwiebelchip und säuerlich eingelegten Pilzen. Und genauso schwer in Ordnung ist der perfekt gebratene Rehrücken an schokoladiger Sauce Grand Veneur und diversem Pastinaken-Klein-Klein - nur die eigentlich ganz guten Kräutergnocchi dazu wirken etwas tantenhaft, und die mild-erdige Haferwurzel auf dem Teller ist etwas zäh geraten.

Alles, was man darüber hinaus gegen die Küche im Pauly Saal einwenden möchte, kann man eigentlich nicht gegen sie vorbringen. Denn die französische Klassik ist nun mal genau so: schmackhaft, reichhaltig, ausgewogen, balanciert - und dabei eben manchmal etwas altbacken. Aromenfeuerwerke und dramatische Kontraste wird man auch in der L'Auberge de l'Ill nicht finden, man erwartet sie aber auch nicht und vermisst sie folglich nicht. Dennoch wird man den Eindruck nicht los, dass der Küche von Dirk Gieselmann bei aller handwerklichen Perfektion etwas fehlt - vielleicht ein bisschen Raffinesse, vielleicht auch ein wenig mehr Leidenschaft und Lust oder der Mut, etwas Originäres zu schaffen; etwas, das im Gedächtnis bleibt und einen wirklich mitreißt. Es ist tatsächlich schwer zu sagen.

Wem Leidenschaft und Lust dagegen zweifelsfrei fehlen, ist der unsouveräne und blutleer vor sich hinfloskelnde Service, der nicht einmal so tut, als wollte er den Gast für das Gebotene begeistern - ja, er bemüht sich nicht einmal darum, die servierten Gerichte korrekt zu annoncieren. Tuschelnd herumstehen, den Gästen, die das Lokal verlassen, die Jacke nicht bringen - all das gehört sich für ein Restaurant dieser Preisklasse (fünf Gänge: 115 Euro) genauso wenig wie die durchsichtigen Versuche des Sommeliers, uns immer noch teurere Weine anzudrehen.

War noch was? Ach ja, die Desserts - doch auch die können das Gesamtbild nicht wirklich drehen. Die Birne in der Knusperhülle will mit der Karamellsauce nicht recht harmonieren, und das eigentlich feine Krokant Parfait fremdelt mit den bitter-süßen Aromen von Mandarinencreme und -filets.

Französische Klassik in Berlin: Die Idee ist gut, die kulinarischen Rahmenbedingungen sind es ebenfalls. Doch es fehlt an Menschen, die dafür wirklich brennen und ihre Begeisterung zu vermitteln wissen. So wirkt es leider vor allem aufgesetzt und inszeniert.

In einem Satz

Ein schönes Restaurant mit guter Küche, der allerdings eine wichtige Zutat zu fehlen scheint: Leidenschaft.

Qualität: ●●●●○

Ambiente: ●●●●● Service: ●●○○○

Preis/Leistung: ●●●○○

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