Lokaltermin:NoKi

Lokaltermin: undefined

Das Fine-Dining-Angebot in Lübeck ist schmal geworden, findet unser Autor Stevan Paul. Große Hoffnungen liegen nun auf dem Restaurants NoKi.

Von Stevan Paul

Irgendetwas stimmt mit der Dunstabzugshaube nicht. Ein harziger Fettgeruch liegt in der Luft, wie man ihn sonst eher vom Stehimbiss kennt. Das hier aber ist das Lübecker Restaurant NoKi, angesiedelt in einem luftigen Altbau mit hohen, stuckumrandeten Decken und Kronleuchtern. Lübeck hat zuletzt durch Umzüge von Köchen oder Schließungen einige sehr gute Lokale verloren. Das erst im vergangenen März eröffnete NoKi soll Zukunft verheißen, es wird bereits außerhalb der Stadt sehr empfohlen.

Der Koch verspricht nordische Küche, auf der Karte steht eher Heimatliches wie Matjes und Rouladen, in keinem Fall ein Grund, die Fritteuse im Übermaß zu nutzen. Doch der Geruch geht nicht weg. Irritierend ist auch der winterliche Tischschmuck, Lärchen-Nadelzweige mit Minizapfen, eine kleine, äh, Schatztruhe, eine Holzspindel mit Kordelschnur und eingelassenem Teelicht. Solcherlei hätte man eher im Harmonie-Milieu reiferer Hobby-Kunsthandwerker verortet, doch das NoKi-Team ist extrem jung. Davon zeugen auch die zwei lässigen Jungs mit den tätowierten Unterarmen, die in der zum Flur hin geöffneten Küche werkeln.

Die Küche ist blitzsauber, keine Spur von altem Fett, alles glänzt, der Geruch muss also an der Dunstabzugshaube liegen. Einer der zwei Köche ist Inhaber Michael Ritter, der bereits im Alter von 21 Jahren seinen Küchenmeister machte. Drei Jahre später hatte er sich mit dem NoKi den Traum vom eigenen Restaurant erfüllt. Das Konzept ist zeitgeistig: regionale Produkte für eine saisonal geprägte Kreativküche, die heimische Traditionen neu interpretiert.

Die Speisekarte liest sich appetitlich und wir wählen à la carte sowie einmal das Fünf-Gänge-Menü (63 €). Die Aperitif-Auswahl ist übersichtlich, ein Haus-Apero wird nicht angeboten, zwei der drei Biere auf der Karte sind eher langweilige "TV-Biere". So startet der nordische Heimatabend, konträr zur Regionalidee und herrlich altmodisch, mit einem Gläschen halbtrockenem Sherry aus den Bodegas Lustau (5,50€).

Zuerst kommt einfaches Graubrot mit einem tatsächlich genialen Griebenschmalz und Gewürzgurke. Zusammen mit dem "Gruß aus der Küche", einer geräucherten Entenbrust auf Preißelbeer-Creme mit Meerrettich, ist das ein gelungener Auftakt, der seine Fortsetzung in einem klassischen Beef Tea findet. Perfektes Handwerk, eine tiefwürzige, fleischige Essenz, begleitet von einem Tellerchen, auf dem sich dekorativ rohe (!) Buchenpilze mit Kerbelblättchen auf Creme vom Wurzelgemüse räkeln, das harmoniert großartig mit der dampfend heißen, aromatischen Consommé. Spannend.

Als Vorspeise kommt - à la carte bestellter - butterzarter Matjes aus Travemünde mit Gurken-Geel, süß-scharfem Boskop-Kompott, Roter Bete, gerösteten Vollkornbröseln und einem süß-würzigen Schalotten-Chutney (10,50 €). Letzteres fehlt leider in der Menü-Version, dafür kommt das Gericht hier als Tartar im Radieschenscheibenkranz, eine Schönheit. Es folgt perfekt medium gebratene Wachtelbrust auf einem Berg Selleriepüree, absichtlich knapp gegarten Selleriewürfeln und knusprigen Sellerie-Chips mit aromatischer, dunkler Jus und süßen Fliederbeeren, die Küche ist in Hochform. Was auch die zarte Rinderroulade beweist. Der senfscharfe Rotkohl ist herrlich grob geschnitten und würzig weich geschmort, toll (18,50 €).

Der Wein wird zu lässigen fünf Euro pro Glas (0,1 Liter) angeboten und großzügig eingeschenkt. Die Weinkarte ist mit 30 Positionen angenehm übersichtlich, einen Schwerpunkt bilden Weine aus der Pfalz. In den wortreichen Erklärungen der jungen Servicechefin ist viel von Akzenten und Kontrasten und eingebundener Frucht die Rede - die blumigen Beschreibungen wirken bisweilen altmodisch und gepaukt. So fragt man also neugierig nach dem Werdegang. Nein, nein, antwortet die Frau entwaffnend fröhlich, sie sei keine Sommelière, nicht mal ausgebildete Servicekraft. Erstaunlich, denn so viel unaufgesetzte Herzlichkeit und Aufmerksamkeit wie hier wünscht man sich manches Mal von ausgebildeten Fachkräften.

Zum feinen Lammragout gibt es wieder Püree, Süßkartoffel diesmal und wieder in Form von knusprigen Chips, dazu gebratene Pastinake, Gewürz-Zwetschgen und zwei Streifen perfekt gegartes Lammfilet, die unerklärlicherweise auf ihren Schnittkanten stehen. Solche optischen Anrichte-Gimmicks bräuchte es ebenso wenig wie die entbehrliche Erbsensprossen-Deko, denn die Küche kann auf ihre Fähigkeiten vertrauen. Beim Dessert stören die ausgehärteten Schokoladentropfen, der Rest ist zum Reinlegen gut: saftiger Schokokuchen mit zweierlei Schokomousse und hauchzartem Keksbruch, der an Spekulatius erinnert. Ebenso üppig die Auswahl von Käsen vom Hof Backensholz: Husumer, Friesisch Blue und Deichkäse (12€).

Im NoKi wird gut gekocht, der Service ist herzlich, die Portionen sind großzügig - das junge Restaurant ist also ein Gewinn für das eher übersichtliche Fine-Dining-Angebot der Hansestadt Lübeck. Dem jungen Team wäre (nach dringlicher Reparatur der Dunstabzugshaube) nur noch etwas mehr Mut und Konsequenz bei der Entwicklung des eigenen Stils zu wünschen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: