Süddeutsche Zeitung

Lokaltermin:Lukas

Ein Gastro-Märchen in der Provinz? In seiner Küche im österreichischen Schärding zeigt Lukas Kienbauer extremen Ehrgeiz. Für seine Gäste ist das wunderbar.

Von Max Scharnigg

"Drei Hauben in fünf Jahren" - so lautete das erklärte Ziel, als Lukas Kienbauer in Schärding sein Restaurant Lukas eröffnete. Damit nahm der damals gerade einmal 24-Jährige den Mund ganz schön voll. Doch zwei Jahre später hat er sich schon zwei Hauben erkocht und die dritte scheint in greifbarer Nähe. Ein Gastro-Märchen in der österreichischen Provinz? Max Scharnigg hat es sich Teller für Teller erzählen lassen.

Einer der auffälligsten Aspekte jener Küchenrevolution, die das Noma einst eingeleitet hat, ist ihre Jugend. Wo sich die Köche früher jahrzehntelang in verschiedenen Stationen bis zur Restaurant-Reife hochdienten, machen die besten Vertreter der neuen Küche heute schon knapp hinterm Stimmbruch ernst. Auch wenn man sich das Team in der offenen Küche des Restaurant Lukas anschaut, hat man das Gefühl, als wäre die C-Jugend des örtlichen Fußballvereins angetreten. Lauter sehr junge Gesichter, die ihrem Chef Lukas, 26, in stillvergnügter und souveräner Weise zuarbeiten. Dieser Lukas Kienbauer hat vor zwei Jahren einen Stunt hingelegt, als er in dem beschaulichen oberösterreichischen Grenzort Schärding am Inn ein kleines Spitzenrestaurant eröffnete. Ein begabter Jungkoch, ein paar Tische und viel Unerschrockenheit, das waren die Zutaten für dieses Experiment. Es ist offenbar geglückt, das ahnte man schon, als man am Telefon freundlich mitgeteilt bekam, dass die zwei Handvoll Tische an den Wochenenden langfristig ausgebucht sind.

Dann eben unter der Woche nach Schärding, es ist von München in zwei Stunden erreichbar, und man fährt bis fast zum Schluss durchs niedliche Niederbayern. Sie haben Ihr Ziel erreicht - ein geschmackvoll gestaltetes altes Gewölbe mit Blick auf den barocken Stadtplatz. Alles, was in den ersten Minuten hier passiert, also Empfang, Stühle, Licht, Karte, erster Küchengruß - massiert das Gemüt aufs Angenehmste. Der Service im Lukas verdient besondere Beachtung, denn ihm gelingen in den nächsten Stunden Spagate, die in Hochküchen in Deutschland immer noch selten in Tateinheit zu erleben sind: der zwischen Aufmerksamkeit und Lässigkeit, zwischen Bescheidwissen, aber nicht Dozieren und zwischen Herzlichkeit und Eleganz.

Die puristische Karte verzeichnet drei Menüformate von vier Gängen (59 Euro) bis sechs Gängen (89) und eine dazu buchbare Getränkebegleitung, mit Alkohol (ab 34 Euro) oder ohne (ab 26). Schon der einfachste Aperitif - eine Dill-Limonade - verrät die Hingabe, mit der hier über die Ausgangsprodukte nachgedacht wird. So viel Dill, so viel Limonade! Wäre der Sommer schon im Innviertel angekommen, das wäre sein Getränk. Es folgen Kleinigkeiten, Forellentatar in einer Knusperolle, ein Stückchen geräuchertes Wildschwein nebst Püree von Mispeln, ein kleiner Laib Sauerteigbrot, den sich der Gast mit kräftiger Rotwein-Apfel-Entenleber-Paté bestreichen kann. Das Brot schmeckt ohne aber fast noch besser.

Ein Schluck Entenconsommé dampft auf einmal in konzentrierter Kraft und brillanter Klarheit in einer kleinen Keramikschale, die wie das ganze Geschirr aus der Nachbarschaft von der Keramikerin Johanna Fessl stammt. Es passt gut hierher, denn diese zarten Teller und Gefäße folgen dem gleichen Prinzip wie die Küche - aus einfachen heimischen Zutaten entsteht herrliche Gebrauchskunst.

Die Starter im Lukas sind bei aller Präzision und Kitzligkeit auch zu einem gewissen Grad zünftig und im besten Sinne: handfest. Das eigentliche Menü beginnt mit einer Ceviche vom Zander. Das Filet ist dabei selbstbewusst als großes Stück belassen worden und wird begleitet von drei Rübenvariationen, die dem Fisch tatsächlich drei Arten Wurzelaroma beisteuern. Der Charakter, den der Zander so en bloc und nur oberflächlich denaturiert behält, ist phänomenal. Extrem festfleischig und mit nussfeinem Aroma erinnert er daran, warum er einer der Königsfische aus hiesigen Gewässern ist. Der empfohlene Sauvignon Blanc Fumé 2016 von Oliver Zeter aus der Pfalz funkelt dazu nicht nur im Glas. Es folgt ein spektakulär anzusehender Teller mit Roter Bete, die gekocht, getrocknet und wieder im eigenen Saft aufgegossen wurde. Diese Re-Hydration erzeugt ein erstaunliches, tiefrotes Aroma, man hat hier den Referenzgeschmack für Rote Bete auf der Gabel. Heusahne und gepoppter Reis sind angemessene Sidekicks für diese Wucht.

Ein Blick in die nähere Tischumgebung zeigt, dass Lukas Kienbaumer mit seinen Gerichten auch den Nerv der Einheimischen trifft. Wohl weil seine Teller einerseits immer nachvollziehbar und nie grotesk sind und andererseits die gemütliche Sichtnähe zur Küche und der lockere Umgang eine sehr konstruktive Stimmung erzeugen. Man tauscht sich aus, die Begeisterung springt von Tisch zu Tisch, die jungen Köche strahlen stolz über den Balken und servieren ihren nächsten Gang selbst - es ist der Spaß an großer Küche aus der Heimat, der hier den Löffel hält.

Das gilt auch für das tadellos dauergeschmorte Stückchen Schweinebauch, das derzeit in jedem gehobenen Menü zwischen Schärding und Sydney stattfindet, und für die Tranchen vom Rib-Eye-Steak, das fünf Meter weiter links im Green Egg pointiert angrillt wurde. Auch hier faszinieren die schlicht-raffinierten Beilagen, lindgrüne Lauchstücke und Lauchöl, dazu winzige Zwiebeln, denen alles an milder, grüner Süße entlockt werden konnte. Ein Shot mit Tamarinde und Tonic soll die Zunge danach für die Endrunde auflockern.

Das geräucherte Eis auf Powidl ist dann fast zu heftig. So intensiv haben sich Sahne, Pflaume und Rauch verbunden, dass der Gaumen irritiert an Speck denkt. Ein zauberhaftes Safraneis am Stiel und allerlei pralinierte Kleinigkeiten versüßen dann aber doch nachhaltig. Anhaltender Applaus.

In einem Satz

Hohes Niveau in netter Atmosphäre: Das Lukas in Schärding ist auch eine längere Anfahrt wert.

Qualität: ●●●●●

Ambiente: ●●●●●

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Quelle:
SZ vom 17.03.2018
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