Der Superlativ ist eine zweifelhafte Kategorie. Besonders ärgerlich aber ist er in der Gastronomie, wo man ihn zuletzt so inflationär bemühte. Insofern war es dumm, Johanna Maier in Filzmoos bei Salzburg zur besten Köchin der Welt auszurufen, findet Katharina Seiser. Denn was soll das schon heißen? Keine Angst: Die Küche bei Maiers hat Klasse - ohne jede Übertreibung
"Und Sie sind also die Johanna", konstatiert der deutsche Gast am Nebentisch erfreut über seine Entdeckung, als ihm Johanna Maier einen Teller einstellt. "Das bin ich schon ein paar Jahre", kontert sie milde. Ihr Ehemann Dietmar sekundiert routiniert: "Da hätten Sie sich wahrscheinlich etwas Dickeres vorgestellt."
Als "Heilige Johanna der Kochtöpfe" wurde sie bezeichnet, als "unsere Johanna", weil "beste Köchin der Welt". Die Zuschreibungen von außen sind ein Hund. Kein Koch wählt sie selbst, doch je griffiger, desto eher bleiben sie kleben. Oft ewig. Das mit der besten Köchin der Welt war schon damals dumm, als der Gault & Millau Johanna Maier 2001 erstmals vier Hauben verlieh. Denn in welchen Ländern gibt es einen Gault & Millau? Was ist mit den vom Michelin besternten oder mit den gar nicht "ausgezeichneten" Köchinnen anderer Länder? Und: Ist die beste Köchin der Welt nicht die eigene Mutter?
Johanna Maier blieb fleißig, trotz der Reduktion auf ihren Vornamen (was Eckart, Alain oder Paul nie passieren würde) fokussiert und skandalfrei. Sie schrieb erfolgreich Kochbücher, gab und gibt Kochkurse, wurde Werbegesicht großer Unternehmen. Heute steht sie nach wie vor im Familienbetrieb, gemeinsam mit ihrem Sohn Johannes am Pass, richtet an (wenn sie auch später erzählt, dass sie das mittlerweile als ganz schön stressig empfinde) und pflegt vor allem den Kontakt zu den Gästen. Das "Hubertus" orientiert sich äußerlich am Filzmooser Alpenbarock. Familie Maier gibt Gästen professionell und fast etwas altmodisch das Gefühl, ein sicherer kulinarischer Hafen zu sein. Die Begrüßung hier ist dementsprechend herzlich.

Das Gedeck passt zu Johanna Maiers Credo, dass Essen nie nur gut, sondern immer auch wohltuend sein müsse: Hollerbutter mit Mark aus Holunderbeeren, Rote-Rüben-Salz, hausgemachte, herzhafte Weckerl und intensiv duftendes Limettenöl. Den ersten Gang der "Genießer-Reise" (wie das große Menü in acht Gängen für 128 Euro genannt wird) stellen Mutter und Sohn gemeinsam ein. Eine klare, herb-kräftige "5-Elemente-Suppe" und roh marinierter Zander. Ein Gericht, das die große Klasse der Köchin zeigt, die weltoffene Leichtigkeit, mit der sie Lieblingsaromen aus Südostasien (Fischsauce, Zitrus) mit heimischen Produkten wie frischem Zander und Wacholder kombiniert. Der anschließend servierte Bachsaibling hat ein Herz aus geliertem Apfelkren, die Fenchel-Anis-Marmelade darunter ist recht süß, die allgegenwärtige Yuzu, eine saure japanische Zitrusfrucht mit schillerndem Aroma, nicht zu schmecken. Woher sie denn jetzt schon so taufrische Vogelmiere bekommt? Und diese 5-Elemente-Suppe, was die für Geheimnisse beinhaltet? Die Vogelmiere baue ein süddeutscher Bio-Betrieb an, sagt sie, die Suppe erkläre sie gern später.
Dann wird - statt Entenleberpaté oder Hummer - Maronisuppe serviert. Dietmar Maier ist nämlich ein brillanter Verkäufer. Gäste, die von den acht Gängen lieber nur sechs gehabt hätten (Die Karte sieht nur acht oder vier vor), überredet er erfolgreich zum vollen Menü - mit Alternativen und Tiefstapeleien über die "Kleinigkeit", die dieser und jener Gang ja bloß sei. Die Maronisuppe mit Zimt-Vanille-Öl schmeckt zum Glück kaum weihnachtlich. Sie ist fein - und ausgiebig. Die Bittersalate mit Birne und Ziegenkäse sind ein wenig lieblos angerichtet, schmecken zwar, sind mit 18 Euro aber keine Schnäppchen. Als Zwischengang kommt Mangold-Lasagne mit Haselnuss, Quendel (ein wilder Thymian) und Bergkäse. Die gepressten Mangoldblöcke sind zu dicht, aber die dazu eingegossene Trüffelnage macht mit feiner Säure und dezentem Trüffelgeschmack fern jeden billigen Trüffelöls so eine Freude, dass jeder Bissen Lasagne ein willkommenes Transportmittel für noch mehr dieser großen Sauce ist. Sie wird dann auch zu den Pilzravioli (18 Euro) gereicht.
Wein wird gern glasweise serviert, man verlässt sich auf die guten alten Klassiker mit klingenden Namen. Ob "Neumodernes" auch empfohlen werden könne? Biodynamische oder Orange Wines? Damit habe man keine guten Erfahrungen gemacht, erzählt der Sommelier offenherzig, und im Grunde genommen würden die ja auch nicht wirklich "zu uns passen".
Der Hirsch im Apfellack mit Wildapfelgelee, Kohlsprossenpüree und filigraner Topfen-Serviettenknödelrolle ist zwar perfekt ausgeführt, das Fleisch saftig, rosa und geschmackvoll, aber alles miteinander wirkt im Vergleich zum Menü-Einstieg zu süß und gefällig. Wer stattdessen à la carte isst und den Wiener Schmankerlteller (28 Euro für je ein kleines Schnitzerl von Kalb und Huhn, Petersil-Erdäpfel und Vogerlsalat) bestellt, wird vom Hausherrn ermahnt: "Das ist aber nur gutbürgerlich, keine Haubenküche!" Man nimmt's irritiert zur Kenntnis - es steht auf derselben Karte und kommt aus derselben Küche, wieso also diese sich selbst kleinmachende Bevormundung? Tatsächlich ist das Gebackene in Ordnung, nur die große Klasse fehlt eben.
Die serviert Johannes Maier dann in Form des Pré-Desserts "Süße Verführung": Winterfrüchte wie Zitrus, Ananas, Kiwi und Granatapfel mit hervorragendem Sauerrahmeis, Baiser und ein paar gar nicht nötigen Matcha-Geleetupfern machen große Freude. Das Menü hätte besser damit geendet, denn das eigentliche Dessert "Schwarzer Holunder" mit Zartbitterschokolade schaut spektakulär aus, schmeckt aber nach wenig, das dazu servierte Holunder-Veilchen-Sorbet dafür ganz wunderbar.
Der Abschied ist verbindlich und galant. Und auch, wenn dem Menü eine klare Linie und frühere Grandezza fehlen: In einem Kochkurs bei Johanna Maier könnte man viele Geheimnisse lernen. Unter anderem jene der 5-Elemente-Suppe, die sie bis zum Schluss nicht verrät.