Ihrer Liebe zur Naturküche haben Tony Hohlfeld und Mona Schrader einen Ort gegeben. Im Restaurant Jante in Hannover servieren sie nicht nur handwerklich perfekte Menüs mit Belper Knolle, Lángos und viel Feingespür, auch der Wein, oftmals aus biologischem Anbau, entpuppt sich als wahrer Schatz, findet Stevan Paul.
Wer gerne naturverbunden essen geht, wird am Ende des Winters viel Rote Bete genossen haben. Auch im Jante, Hannovers neuem Stern am Himmel des Guide Michelin, kommt gleich zum Auftakt die Knolle auf den Teller. Und doch, man merkt es schon beim Amuse-Gueule, geht das junge Team um Küchenchef Tony Hohlfeld den großen Küchentrend der nordischen Küche mit einer ganz eigenen Leichtigkeit an. Zarte Sauerampferblätter begleiten knackige Radieschen in einer Hülle aus Joghurt und Nussbutter, gefolgt von gebeiztem Ei, das mit einer Jus aromatisiert und auf Zwiebelcreme mit Kaffeecrunch und Schnittlauch serviert wird - ein Auftakt, der die Bandbreite der Küche ahnen lässt.
Die Gastgeber Tony Hohlfeld und Mona Schrader lernten sich im Sternerestaurant Ole Deele in Burgwedel kennen. Da war Hohlfeld Küchenchef, Schrader Chefsommelière und Restaurantleiterin. Seit anderthalb Jahren betreiben sie nun das bereits mehrfach ausgezeichnete Restaurant, den Stern gab es im Dezember 2016.
Stilistisch findet sich das Jante in bester Gesellschaft mit den Naturküchenpionieren aus dem "Essigbrätlein" und dem "Sosein" in Franken, dem "Einsunternull" oder "Nobelhart & Schmutzig" in Berlin. Letztere servieren schon mal eine rohe Scheibe Rote Bete zur gereiften Entenbrust, auch um ein Nachdenken über Produkt und Qualität anzuregen. Das Jante findet sich aber in Hannover, wo diese Art experimenteller Hauptstadtpurismus wohl weniger gut ankäme.
Hohlfelds Rote-Bete-Teller vereint Leichtigkeit und Raffinesse: als hauchdünnes Carpaccio und feines Röllchen serviert mit Mohn und Sauerrahmeis, grünem Kerbel und knusprigen, in herbem Kakao gehüllten Kerbelzweigen. Elegantes Teller-Ikebana, geschmacklich frisch, dicht und präzise, harmonisch begleitet von einem 2016 Delheim Pinotage Rosé aus Südafrika. Wir sitzen in bequemen Sesseln am Holztisch, Naturfarben prägen das Ambiente. Durch die raumhohe Fensterfront sehen wir hinaus auf die dunkle Terrasse, wo Holzscheite im Feuerkorb lodern.
Mona Schrader erklärt versiert ihre Weinauswahl zum Menü, schenkt weißen Burgunder vom Demeter-zertifizierten Pfälzer Weingut Leiner ins Glas: ein mineralisch-frisches Vergnügen zu einem der besten Gänge des Abends: Unter dachziegelartig drapierten, rohen, papierdünnen Champignonscheiben finden sich zart gegarte Miesmuscheln und weiße Bohnen auf schmelziger Creme, getoppt mit Daikon-Kresse und Erbsensprossen. Dazu wird eine auf Korkborke angerichtete süchtig machende Krustentier-Mayonnaise von ungarischen Lángos begleitet, ausgebackene Hefeküchlein. Beim folgenden Gang mit Blumenkohl, Sauerteigcreme und Belper Knolle sind die zart gegarten Würfel vom Rinderherz fast nur Beigabe zu einem exzellent kombinierten Gemüsegang. Trefflich dazu der galizische Casal De Paula D. H von 2013. Einem, in Barrique gereiftem, duftigem und körperreichem Weißwein aus der Treixadura Traube, es gibt nur 1360 Flaschen davon. Die Weinbegleitung zum Drei- bis Sieben-Gang-Menü (55 bis 99 Euro, Weinbegleitung 31 bis 71 Euro) ist spannend und geschmackssicher zusammengestellt.
An diesem Dienstagabend ist das Restaurant voll besetzt, die Köche unterstützen den Service beim Auftragen der Speisen. Die Sichtbarmachung der Küchenmannschaft, ausgerüstet mit Schürzen aus dunkelgrünem Stoff und ledernen Trägern zu weißen Kochjacken, ist ein charmanter Trend, den wir einer neuen Generation junger Köche verdanken, die den Restaurantbetrieb als Teamarbeit begreifen. Zum Fischgang wird dann sogar bei Tisch gekocht: Über einem Bunsenbrenner schwebt ein Kolbensystem, in dem aus Apfelsaft, mit Kräutern und Bonito-Flocken aromatisiert, ein würziger Dashi-Sud entsteht, der die Kombination aus Blutwurststrudel, geflämmter Forelle und Sauerkraut rahmt.
Bei der Kaninchenkeulen-Roulade mit Rosenkohlblättern, herrlich säuerlichen, getrockneten Johannisbeeren und einer handwerklich perfekten Jus, scheiden sich die Geister zum ersten und einzigen Mal. Das Fleisch der Sous-vide-gegarten Roulade ist von beinahe cremiger Textur ohne Biss. Das mag beabsichtigt sein, wie grandios derart gegartes Fleisch schmecken kann, zeigt aber erst der Hauptgang: Das butterzarte Tafelspitzstück ist kernig im Biss, aromatisch nachgegrillt und kombiniert mit Sauerklee, Kapuzinerkresseblättern und Buttermilchcreme. Zu beiden Gängen begeistert der 2012 Spätburgunder Mußbacher Eselshaut vom Weingut Schwarztrauber. Zum Dessert schenkt Mona Schrader noch ein Schätzchen aus: eine Riesling-Beerenauslese vom Bioweingut Lenikus, Wien. Ihre cremige, leichte und frische Süße passt perfekt zum Dessert: einem kugelrunden Meisterwerk aus Milchmousse, Getreideeis, gepufftem Getreide, Honigbaiser, Weizengras, Weizengras-Sud, kandierten Blütenpollen und Honig.
Am Ende des Abends würden nur Spielverderber fragen, was denn Weizengras, Bonito-Flocken und Kaffee mit Regionalität zu tun haben, andernorts verbietet man sich gar Zitronen, Pfeffer und Olivenöl. Wir erfreuen uns der Tatsache, dass Tony Hohlfelds Naturküche ohne Schubladen funktioniert, saisonal gedacht ist und raffiniert kombiniert. Zum Wohle des Gastes.